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Mit bis zu 64 Gramm Kochsalz soll das Wasser angereichert worden sein.

© Robert Günther/dpa

Tod nach „Teufelsaustreibung“ in Berlin: Verteidiger werfen Anklage „reißerische These“ vor

Eine 22-Jährige aus Tempelhof soll an der „Salzwasserkur“ eines „Wunderheilers“ gestorben sein. Erste Zeugen sagen im Prozess aus, die Angeklagten schweigen.

Die Ärzte kämpften um ihr Leben, doch Nesma M. starb kurz nach ihrer Einlieferung ins Krankenhaus. „Die Familie war sehr traurig“, erinnerte sich am Montag einer der Mediziner, die die 22 Jahre alte Patientin behandelten.

Dann aber sei eine Angehörige an ihn herangetreten. „Sie sagte, der jungen Frau sei Salzwasser verabreicht worden.“ Nach seinem Eindruck größere Mengen und gegen ihren Willen. „Ich verständigte die Kriminalpolizei“, erklärte der 34-jährige Arzt am Montag vor dem Landgericht.

Starb Nesma N. an einer „Salzwasserkur zur Teufelsaustreibung“? Davon geht die Staatsanwaltschaft im Prozess gegen vier Angeklagte aus, darunter ein angeblicher „islamischer Wunderheiler“.

Weil die Ehe jahrelang kinderlos blieb, sollen der Ehemann und seine Eltern auf den Rat des Heilers gesetzt haben. Der sogenannte Hodscha soll laut Anklage eine „Behandlung“ mit Salzwasser verordnet haben. Nesma M. sei nach siebentägiger Qual gestorben. Fast fünf Jahre später stehen die Angeklagten wegen Körperverletzung mit Todesfolge vor Gericht.

Verteidiger verweist auf Tragik und Vorerkrankungen

Für die aus dem Libanon stammenden Verdächtigen - drei von ihnen mit deutscher Staatsbürgerschaft - erklärten am zweiten Prozesstag die Verteidiger, dass sich ihre Mandanten derzeit nicht äußern würden. Einer der Anwälte widersprach den Vorwürfen. Sein Mandant habe seine geliebte Ehefrau verloren. Es handele sich um ein tragisches Ereignis.

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„Der Anklage liegt eine einfache und reißerische These zugrunde, eine Geschichte, die in jede Klischeeschublade passt, aber nicht zum wirklichen Geschehen“, sagte der Verteidiger. Er verwies auf Vorerkrankungen, die bei der Verstorbenen vorgelegen hätten.

Täglich eineinhalb Liter Salzwasser, dazu Koranverse

Zwischen dem 30. November und 7. Dezember 2015 soll es zu der mutmaßlichen „Teufelsaustreibung“ in der Wohnung des Paares in Tempelhof gekommen sein. Ein angeblicher Exorzismus. Täglich eineinhalb Liter habe die Frau trinken müssen, das mit bis zu 64 Gramm Kochsalz angereichert worden sei. Ihr Mann und seine Eltern hätten die Prozedur überwacht. Während die 22-Jährige das gesundheitsschädliche Gebräu schlucken musste, habe der angebliche Heiler das Geschehen zeitweise Koranverse lesend begleitet.

Die Frau litt laut Anklage an einer Blutgerinnungsstörung gelitten. Die hohe Natriumdosis habe zunehmend ihr Herz, das Gehirn und die Nieren geschädigt. Die 22-Jährige starb am 7. Dezember 2015 an einer Lungenembolie. Der Prozess wird am 16. November fortgesetzt.

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