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In Berlin haben Bundestag, Spitzenverbände und Exilgruppen aus aller Welt ihren Sitz.

© Christoph Soeder/dpa

Update

Russische Spione in Deutschland: „Präsenz fremder Nachrichtendienste in Berlin besonders hoch“

In den Botschaften größerer Staaten sind auch offiziell Geheimagenten stationiert. Russland hat Vertreter dreier Geheimdienste in Berlin.

Deutsche Sicherheitsbehörden gehen nach wie vor von „Tausenden Zuträgern russischer Nachrichtendienste“ in der Bundesrepublik aus. Auch nachdem Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) kürzlich Mitarbeiter der russischen Botschaft in Berlin wegen Spionageverdachts ausweisen ließ, sei die deutsche Hauptstadt das vorrangige Ziel russischer Geheimdienste in Europa. Das sagte ein ranghoher Sicherheitsbeamter dem Tagesspiegel.

„In Berlin als Hauptstadt ist die Präsenz fremder Nachrichtendienste besonders hoch“, schreibt Berlins Innenstaatssekretär Torsten Akmann (SPD) in einer noch unveröffentlichten Antwort auf Anfrage des CDU-Abgeordneten Danny Freymark. „Daher kommt der Spionageabwehr generell und insbesondere auch in der aktuellen Lage eine hohe Bedeutung zu.“

In Berlin halten sich die bedeutenden Akteure der deutschen Politik, dazu Entscheidungsträger aus Industrie, Zivilgesellschaft und Fachverbänden auf. Es gehe russischen Agenten derzeit vor allem um Hinweise auf Veränderung der  politischen Stimmung und damit auch darum, sagen Sicherheitsexperten, die vom Kreml favorisierte Sicht auf den Krieg um die Ukraine in Deutschland zu platzieren. Noch in den Jahren vor der Krim-Krise 2014 seien russische Spione schwerpunktmäßig auf Projekte und Strategie der deutschen Industrie und Forschung fokussiert gewesen.

Vor zwei Wochen hatte Außenministerin Baerbock 40 Beschäftigte der russischen Botschaft in Berlin zu unerwünschten Personen erklärt. Die Männer und Frauen standen indirekt unter Spionageverdacht, in jedem Fall soll ihnen „statuswidriges Verhalten“ nachzuweisen gewesen sein. Damit ist gemeint, dass die russischen Vertreter die Pflichten von Botschaftsangehörigen verletzt haben sollen, wie sie im „Wiener Übereinkommen über diplomatische Beziehungen“ von 1964 geregelt sind. Das Anwerben nachrichtendienstlicher Quellen wäre ein solcher Verstoß, wenngleich die meisten Staaten der Welt offiziell Abteilungen der Geheimdienste in ihren Botschaften unterhalten.

Auch die russischen Geheimdienste FSB, SWR und GRU haben angemeldete Mitarbeiter in diesen sogenannten Legalresidenturen in der Botschaft in Berlin. In Friedenszeiten und zu Großlagen – beispielsweise Kampagnen von Terrorgruppen – dient dies auch dem Austausch mit Sicherheitsbeamten des Gastlandes. Diese Geheimdienstler sind meist nicht selbst „im Feld“ aktiv, sie sollen eher Überblick darüber verschaffen, in welchen Szenen, Parteien, Ministerien, Verbänden und Unternehmen es sich lohnt, Spione anzuwerben.

Zu einer anderen Anfrage bestätigt der Senat laut der Deutschen Presseagentur, dass in Moskaus Botschaft in Berlin russische Agenten und Spione von mindestens drei Geheimdiensten arbeiten. Die russischen Geheimdienste seien in Deutschland „in unterschiedlicher Personalstärke an den jeweiligen amtlichen oder halbamtlichen Vertretungen präsent“, also in der Botschaft und in Konsulaten. Zur Anzahl gab es keine Angaben, die Spionageabwehr obliegt dem Bundesamt für Verfassungsschutz.

Sicherheitsbeamte sagen unisono: Zwischen kulturpolitischer Botschafts-PR auf Festivals, in Hochschulen und unter Exilanten, intensiven Verhandlungen um Wirtschaftsprojekte und dem nachrichtendienstlichen Akquirieren geschützter Informationen verliefen die Grenzen fließend. Je nach Einzelfall und ob deutsche oder ausländische Staatsbürger involviert sind, kommen als Straftatbestände „geheimdienstliche Agententätigkeit“, „Landesverrat“ und „Auskundschaften von Staatsgeheimnissen“ infrage.

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Schon nach dem Prozess um den Tod eines Tschetschenen, der von einem russischen Agenten in Berlin erschossen worden war, hatte die Bundesregierung im Dezember 2021 russische Botschaftsmitarbeiter ausgewiesen. Im Oktober 2021 wurde ein Mitarbeiter der Botschaft tot auf dem Gehweg vor dem Gebäude in Mitte gefunden. Der Mann fiel offenbar aus einer oberen Etage und war FSB-Mitarbeiter. Die Leiche wurde erst in Russland obduziert.

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