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Feuerwehrmänner löschen an der Sonnenallee einen Reisebus, der von Unbekannten angezündet worden war.

© Paul Zinken/dpa

Silvesternacht in Berlin: Wir müssen uns um die Abgehängten kümmern

Die Diskussion über die Ausschreitungen an Silvester auf eine Debatte über migrantische Männer zu reduzieren, ist stumpf. Zur eigentlichen Auseinandersetzung über Abgehängte scheinen wir nicht bereit.

Ein Kommentar von Farangies Ghafoor

Einsatzkräfte werden mit Böllern angegriffen und die Debatte dreht sich – auch ressentimentgeladen – um die Gewaltbereitschaft migrantischer Männer. Dabei ist es wichtig, das eigentliche Problem zu benennen: Es gibt Männer mit Gewaltproblemen, die den Rechtsstaat ablehnen. Ob aus Überzeugung oder aus Ahnungslosigkeit, sei dahingestellt.

Sie leben in vernachlässigten Gegenden, gelten als sozial abgehängt, sind mit einem archaischen Männlichkeitsbild aufgewachsen, und das auch in Familien mit ausländischen Wurzeln. In aufgeladenen Situationen kann ihnen ein Böller das Gefühl verleihen, dass sich Ohnmacht in Allmacht verwandeln lässt. Silvester wurde das für das ganze Land sichtbar, während den Rest des Jahres über die „Problemkieze“ hinweggeschaut wird.

Chancenlose und vernachlässigte Räume überlagern sich zum Teil mit migrantischen Milieus. Aber das darf nicht dazu führen, dass „abgehängt“ und „migrantisch“ Synonyme werden. Das wird der Lage nicht gerecht und verbaut den Blick darauf, wie die Probleme angepackt werden können.

Es muss möglich sein, ohne Ressentiments über Gewalt und Zusammenhänge mit Migration zu diskutieren. Es braucht eine Debatte darüber, wie die Abgehängten integriert werden können.

Nicht vergessen sollte man, dass auch „Problemkieze“ unter den gewaltbereiten Männern leiden. Aber statt die friedlichen Bewohner:innen zu stärken, werden sie mit Randalierern in einen Topf geworfen. Oder noch infamer: Ihr Wunsch nach stärkerem Durchgreifen gilt als Beleg dafür, dass es richtig ist, Migration zu problematisieren – und sie wegen ihrer Herkunft Experten für strukturelle Probleme ihres Milieus sind.

Innere Sicherheit braucht eine gewisse Härte, gepaart mit Verständnis für die Gründe. Die Ausschreitungen allein mit ethnischer Herkunft zu begründen, ist nicht nur stumpf: Es tut auch jenen unrecht, die sich ohne Gewalt profilieren. Solange das nicht durchgedrungen ist, können Böllerverbote die Symptome eines viel komplexeren Problems nur lindern.

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