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Zur besseren Integration von Flüchtlingen hat CDU-Fraktionschef Dirk Stettner  vorgeschlagen, Asylbewerber gemeinnützige Arbeiten verrichten zu lassen – wie etwa die Reinigung von Parks.

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Sollen Flüchtlinge Parks putzen?: „Phantomdiskussion“, „Symboldebatte“ – viel Kritik an Vorstoß der Berliner CDU

Orkan Özdemir (SPD) wirft dem CDU-Fraktionschef vor, eine „populistische Haltung“ zu transportieren. Kritik kommt auch von anderen Seiten.

Der SPD-Integrationsexperte Orkan Özdemir hat die Äußerungen des CDU-Fraktionschefs Dirk Stettner, Geflüchtete sollten gemeinnütziger Arbeit nachgehen, kritisiert. „Das ist eine Phantomdiskussion“, sagte Özdemir dem Tagesspiegel. „Statt Leute zu zwingen, ohne Lohn Parks sauberzumachen, sollten wir sie dazu qualifizieren, bei der BSR regulär arbeiten zu können.“ Özdemir sagte weiter, Stettners Äußerungen transportierten eine „populistische Haltung“, die impliziere, geflüchtete Menschen wollten nicht arbeiten. Das sei falsch.

Integrationssenatorin Cansel Kiziltepe (SPD) antwortete auf die Nachfrage, was sie von Stettners Vorschlag halte, nur allgemein: „Mir geht es darum, wie wir gemeinsam in Berlin konkret gute Integration geflüchteter Menschen hinbekommen können und wie wir sozialen und gesellschaftlichen Zusammenhalt garantieren.“ Weiter hieß es aus ihrer Verwaltung, Berlin setze sich für die Aufhebung von Arbeitsverboten und den Zugang von Geflüchteten zum regulären Arbeitsmarkt ein. Das Leitbild Berlins sei „Gute Arbeit“, dies gelte auch für Geflüchtete.

Der CDU-Fraktionsvorsitzende Stettner hatte im Tagesspiegel-Interview gesagt: „Gut wird es dann, wenn die Menschen arbeiten können.“ Das sei ein Punkt, den man kurzfristig lösen wolle. „Aber das ist nicht so leicht. Wir reden da auch von Bundesrecht.“ Spielräume jenseits der Bundesgesetzgebung müssten genutzt werden, etwa für gemeinnützige Arbeit. Geflüchtete könnten etwa bei der Grünflächenpflege oder Parksäuberung tätig werden.

Was wir brauchen, ist endlich eine Arbeitserlaubnis für alle Geflüchteten, vom ersten Tag an.

Der Berliner Abgeordnete Jian Omar (Grüne)

Gegen diesen Vorstoß sprechen sich auch die Fachpolitiker von Grünen und Linken aus. „Die Ministerpräsidentenkonferenz hat sich gerade aus guten Gründen gegen diese Forderung entschieden“, sagte Jian Omar (Grüne). „Was wir brauchen, ist endlich eine Arbeitserlaubnis für alle Geflüchteten, vom ersten Tag an.“ Alles andere sei angesichts des Arbeitskräftemangels in Deutschland nicht mehr vermittelbar und „Symbolpolitik“. Die Abgeordnete Elif Eralp (Linke) äußerte sich ähnlich. Der Vorschlag gehe „völlig am Thema vorbei“. „Geflüchtete möchten arbeiten, das Problem liegt aber vor allem darin, dass monatelange Arbeitsverbote für Asylbewerber:innen gelten und hohe Hürden bestehen“, sagte sie.

Emily Barnickel vom Flüchtlingsrat Berlin sagte, man verurteile Aussagen und Vorhaben, „die pauschalisierend den Eindruck erwecken, geflüchtete Menschen würden sich nicht von sich aus pro-aktiv in diese Gesellschaft einbringen“. Der Erfahrung des Flüchtlingsrats nach sei es auch eher so, dass Menschen, die sich einbringen und etwa eine Ausbildung machen wollen, „behördlicherseits Steine in den Weg gelegt“ werden.

Ein Sprecher der Berliner Stadtreinigung (BSR) sagte, die BSR leiste über das Projekt „Everest“ bereits einen wichtigen Beitrag für die Integration von geflüchteten Menschen. „Im Rahmen dieses Projekts werden junge Geflüchtete dabei unterstützt, hierzulande einen Einstieg ins Berufsleben zu finden.“

Landesprojekt für gemeinnützige Arbeit in Berlin wird bereits genutzt

Der Arbeitsmarktzugang für geflüchtete Menschen ist bundeseinheitlich geregelt. Grüne und SPD im Bund wollen den Arbeitszugang für Geflüchtete erleichtern. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) hat angekündigt, einen entsprechenden Entwurf nächste Woche vorzulegen. Gerade in ihrer ersten Zeit in Deutschland gibt es für Geflüchtete Beschäftigungsverbote beziehungsweise Einschränkungen für den Arbeitsmarkt.

Für die gemeinnützige Arbeit Geflüchteter gibt es in Berlin bereits ein Landesprojekt. Mit der „gemeinnützigen zusätzliche Arbeitsgelegenheiten“ (gzA) können Asylbewerber teilnehmen, die noch keiner Erwerbsarbeit nachgehen. Dabei unterstützen die Geflüchteten etwa bei Hauswirtschafts-Aufgaben in einer Geflüchteten-Unterkunft, übernehmen Büroarbeiten oder helfen Mitbewohnern, etwa bei Behördengängen. Für ihre Tätigkeit bekommen sie pro Stunde 80 Cent, die vom Landesamt für Flüchtlingsangelegenheiten (LAF) ausgezahlt werden. Pro Monat darf die Tätigkeit nicht mehr als 80 Stunden ausgeübt werden. 2022 nahmen monatlich im Schnitt 254 Personen an dem Programm teil, 2023 waren es von Januar bis Mai durchschnittlich 245. Daten aus den Monaten danach liegen noch nicht vor.

In den Reihen der SPD und der Opposition löste auch noch eine weitere Aussage des CDU-Fraktionschefs Kritik aus. Stettner hatte gesagt: „Wir haben Judenhass importiert.“ SPD-Politiker Özdemir sagte, Antisemitismus sei ein riesiges gesamtgesellschaftliches Problem, das man nur über Antisemitismus-Prävention in den Griff bekommen könne. „Jetzt so tun, als ob Antisemitismus ein neues Phänomen in dieser Gesellschaft wäre, ist schon bemerkenswert.“ Grünen-Politiker Omar sagte, wer Antisemitismus als bloßes „Importproblem“ kleinrede, der zündelte. Das sei „verantwortungslos und geschichtsvergessen“. Linken-Politiker Eralp sagte, die CDU stärke mit „Generalverdachtsdebatten“ eine „rassistische Erzählung“.

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