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Berlin: Viel besser als kalter Kaffee

Instant-Pulver wird im Sommer oft für Frappés und Eisgetränke eingesetzt – unsere Probierrunde fand große Qualitätsunterschiede

In der Sommerzeit bildet sich die Heimatfront. Zwischen der Sorge um die Lieben, die es in die Ferne gezogen hat, und dem Neid auf die Reisenden andererseits dämmert es den Daheimgebliebenen, dass Tourismus lediglich der beschwerliche Ausflug in eine Bequemlichkeit ist, die sich mühelos auch in den eigenen vier Wänden herstellen lässt, beispielsweise mit Frappé als Begleitung. Rund ums Mittelmeer versteht man darunter kalten Kaffee mit Schaum. Aus Instant-Pulver, Wasser und Eiswürfeln fix zusammen geschüttelt und mit reichlich Zucker sowie Dosenmilch garniert, verschönt er das Faulenzen zwischen Sonnenmilch und Sonnenuntergang. Er belebt ungemein – vorausgesetzt, ein anständiger Extrakt wird verwendet.

Wie bei allen Lebensmitteln, denen sich die monatliche Testrunde bislang zugewandt hat, offenbart sich bei näherem Hinsehen auch im löslichen Kaffeepulver ein enormes Gefälle. Zwei Methoden der Herstellung sind üblich: Während die Sprühtrocknung den gebrühten Kaffee in einem Heißluftstrom zu Pulver verfestigt, erreicht das wesentlich kostspieligere Schockfrost-Verfahren sein Ziel im Vakuumbehälter. Fast könnte man von Werteverrestung sprechen, denn in beiden Fällen wird ein wertvolles Grundprodukt auf undurchsichtige Weise in ein Substrat verwandelt, das später im Haushalt wieder belebt wird.

In Sarah Wieners Bistro im Hamburger Bahnhof lag die Messlatte hoch. Nicht nur, weil die Luft vom Duft frischen Espressos erfüllt war, sondern auch wegen der resoluten Prinzipalin, die mit industriell erzeugten Genussmitteln äußerst wenig anfangen kann. Das staubig-nichtssagende Granulat von „Bremer Stolz: Der Feine“ war auch gleich dazu angetan, ihre Einstellung zum Dogma zu verfestigen. Das beim Discounter Plus vertriebene Produkt erwies sich in der Tasse als säuerliche Melange wie aus Malz und Teer, deren Bitterkeit nur noch von der Penny-Offerte „Contal Gold“ und dem holzkohligen „ja! Gold“ von Rewe übertroffen wurde. „Als ob man eine frisch planierte Straße ablecken würde“, äußerte ein Jurymitglied konsterniert und empfand dann Erleichterung, als das milde, in der Säure zurückgenommene „Granarom Gold 100% Arabica “ von Lidl nur mit einem Ascheton aufwartete. In heißer Milch verflüchtigt er sich, so dass lediglich die braune Farbe übrig bleibt.

Ähnlich geht es dem „Idee Kaffee Gold Express“. Im Rohzustand bietet sich der Nase wenig; aus der Tasse genossen, versteht man, warum das Haus Darboven auf Magenfreundlichkeit so stolz ist: Es tut sich einfach nichts, und ein Schuss Milch ist der Todesstoß. Gleichwohl lässt sich dann noch eine Dissonanz ausmachen, die zumindest Männer an den Geruch einer heiß gelaufenen Märklin-Lokomotive erinnert. „Jacobs Cronat Gold“ rahmt seinen „milden Genuss“ mit heftiger Säure, die im Trockenzustand wie Essigessenz in die Nase sticht. Mit flotter Fortbewegung, die nicht an Schienen gebunden ist, hat es „Nescafé Gold“: Nachdem der Duft von Ameisenhaufen und trockenem Waldboden entschwunden ist, kommen einem warme Gummireifen in den Sinn. Auch wenn die Erfinder des Sofortkaffees heute nicht mehr den Anspruch erheben dürfen, über die Formel Eins der Branche zu verfügen, stellt sich ein einigermaßen echter Kaffeegeschmack, der Säure und Bitternis geschickt umkurvt, erst mit der zweiten Tasse ein - ein interessanter Gewöhnungseffekt. Zum Frappé geschüttelt, verliert er an Prägnanz und ist dem berühmten „Classic“ desselben Herstellers unterlegen.

Bei der Probe der für den griechischen Markt hergestellten Variante glaubte die Runde tatsächlich, den Duft eines Pinienwäldchens an einem Sommertag im Süden zu schnuppern; die gröbere deutsche vermochte dagegen kaum sentimentale Gefühle zu wecken. In der Nase entfaltet sie die Wucht von mehreren Portionen auf einmal. Von Milch und Zucker kann sie kaum gezähmt werden. An dieser Stelle wird deutlich, dass die Massenproduktion das Mahlgut wesentlich intensiver auswäscht, als das bei einem Filterkaffee je der Fall sein kann. Beim Frappé wirkt sich dieser eigentlich bedenkliche Umstand positiv aus, besonders wenn Vanilleeis anstelle des Zuckers steht. Denn dann kann der Kontrast nicht groß, nicht scharf genug sein.

Nach Art eines altmodischen Mokka tritt der „Gepa Café Benita“ auf, der außerhalb des Weltmarkts gehandelt wird und sich obendrein jenseits des Geschmacksdiktats der Endverbraucher bewegt.Unvermutet stammt die kraftvolle deutsche Version aus dem Reformhaus. „Alberts Supremo“ vereint schokoladigen Mocca mit Filterkaffee wie aus der Thermoskanne, und er gewann damit in der Testrunde mehr Respekt als der nur vom Preis her spektakuläre „Davidoff Café“, der bei Tchibo gefertigt wird, oder der etwas dünne „Feine Milde“ aus dem gleichen Hause. Anzuführen wäre höchstens, was aus zum Zigarrenstummel geformten Glas strömt: Das Getreidig-Erbsige von ungerösteten Bohnen, das anzeigt, wie sehr Kaffee ein pflanzliches Produkt bleibt – trotz aller Transformation.

Die Espresso-Experten vertrauen auf ein langwierigeres Rösten, in dessen Verlauf sich die Wahrnehmung des pflanzlichen Ursprungs zugunsten einer kräftigen Röstnote verschiebt. Das Risiko besteht darin, dass ein Zuviel des Röstens das Umschlagen in ein Barbecue- Aroma bewirkt. Die Bologneser Instantmischung von „Poccino“ aus dem KaDeWe, das über eine beachtliche Auswahl dieser Sparte verfügt, macht wenig aus seiner Espresso-Herkunft. Zunächst rochen die Juroren viel Kakao, doch kurz darauf sahen sie sich eher parfümiertem Malz gegenüber. Er unterschied sich wenig vom Krisenkaffee Caro, vor dem Kinder Bammel haben. „Nescafé Espresso“ macht die Sache zwar besser, ist gleichwohl auf sein Italienertum allzu sehr bedacht: Schließlich schmeckt in Italien allerhöchstens jeder zweite Kaffee gut.

Wie um dieser Erkenntnis entgegen zu treten, zeigt die Genueser Mischung „Cellini“ aus dem KaDeWe, dass die Vorstellungen der Jury tatsächlich erfüllt werden können. Der feinpulvrige schwarze Extrakt transportiert seinen Duft in die Tasse und fügt ihm dort den Geschmack einer Moccapraline hinzu. Für den Frappé ist nicht nur wegen seiner schnelle Löslichkeit geeignet, sondern vor allem wegen seines harmonischen Zusammengehens mit Milch. Ihr wird die bräsige Breite genommen, während der Kaffee sozusagen ein zweites Mal gefiltert wird und dabei die Bitternoten verliert.

Es stimmt schon: Kaffee bleibt ein Phänomen, das weitaus besser riecht als schmeckt. Es gibt viele, die als Heranwachsende beim Passieren einer Tchibo- oder Eduscho-Filiale immer wieder verzaubert gewesen sind – und dann nach dem ersten Schluck tief enttäuscht. Womöglich bezieht der schwarze Trunk gerade aus jener Diskrepanz, die sich auf allen Feldern der Existenz unnachgiebig wiederholt, seine Aura. Mit Genussaspekten allein kann sie jedenfalls nicht erklärt werden. Interessanter dürfte sein, dass Kaffee der einzige Weg ist, mit dem Erwachsene Milch zu sich nehmen. Gerade an diesem Punkt konnten nur noch sehr wenige Probanden überzeugen, die aber mit Bravour.

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