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Den Bach runter: Auf diesem Foto von 1997 ist der Palast noch da.

© Karl Mittenzwei/dpa

Gedenken an Erichs Lampenladen: Vor 45 Jahren wurde in Berlin der Palast der Republik eröffnet

Die Erinnerungen kann auch der größte Vorschlaghammer nicht zerstören. Unser Autor Lothar Heinke gratuliert dem Palast der Republik posthum zum Geburtstag.

Kleine Erinnerung an vergangene Zeiten in einer anderen Welt: Vor 45 Jahren wurde an der Spree der Palast der Republik eröffnet, und das gleich mehrmals: Für die Bauarbeiter mit Eisbein und Bier, für die Hautevolee mit Spargel und Sekt. In der Nähe von Ulbrichts „Protzkeule“ oder „Walters Renommierstengel“ stand nun „Erichs Lampenladen“ oder der „Ballast der Republik“ – Volkes Mund ist hart, aber gerecht.

Der PdR, wie es als einprägsames Signet auf jeder Kaffeetasse stand, ein Kulturhaus mitten in Berlin, das sich vielleicht nicht gerade als architektonischer Volltreffer, aber doch wie ein vielfach nutzbares Raumschiff aus Stahl und viel Glas, mit Marmorfußböden und Spiegelglasfenstern, erwies. Hier fand jeder etwas: Großformatige Bilder bekannter Maler, Gaststätten der feineren Art („Sie werden platziert!“), ein Theater (TiP), eine Bowlingbahn fürs Amüsemang und, vor allem, ein großer Saal, in dem das Parkett samt Sesseln in Minutenschnelle hochgeklappt wurde, damit eine riesige Fläche für Vergnügungen zum Vorschein kam.

Hier hatte Architekt Manfred Prasser das oft beschworene Weltniveau herbeigezaubert, koste es, was es wolle. In diesem Saal hatten wir DDR-Hauptstädter unvergessliche Erlebnisse: Die „Kessel Buntes“, Gastspiele internationaler Stars wie Milva („Wenn der Wind sich dreht, weht er Mauern fort“), Lesungen und Diskussionen mit Günter Grass, wo man manchmal dachte, dass jeden Moment die Stasi dem Mikrofonkabel den Stecker entzieht.

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Oder Udo Jürgens, der sich über die Schlapphüte im Saal lustig machte, „weil die eigentlich gar nicht wissen dürften, wer ich eigentlich bin“. Wir haben einmal ab 7 Uhr früh auf wackligen Klappstühlchen vor dem Eingang zum „Palast“ gesessen und sind zwei Billetts entgegengefroren, bis die Kasse um 10 Uhr öffnete. Objekt der Begierde: ein Abend mit Loriot. Es hat sich gelohnt. Es gab die Karten, Loriot – und Demut als Zugabe.

"Wer meckert, wird auf die Einheitswippe geschickt"

Unüberlegt und voreilig wurde der Palast nach der Wende unter Protesten abgerissen. Alle guckten zu, wie ein Millionenobjekt die neue Zeit mit ihren Möglichkeiten nicht mehr erleben konnte und im Staub versank. Aber die Erinnerung vermag auch der größte Vorschlaghammer nicht zu zerstören. Welche Rolle könnte das gläserne Kulturhaus , der „Palazzo Prozzo“ mitten in der City heute spielen? Nicht auszudenken!

Stoff für Fantasien jeder Art. Aber die schnelllebige Zeit lässt vieles schnell vergessen.

Mal sehen, was uns Kultur-Konsumenten der neue Ersatzbau auf dem Schlossplatz bieten wird. Merkels Alterssitz? Ein bundesrepublikanischer Kulturballast? Wir wollen unsern ollen Kaiser Wilhelm wiederham?! Auf jeden Fall sehr groß und (noch) ziemlich hohl und leer. Aber wer meckert, wird auf die Einheitswippe gegenüber geschickt. Auch so ein Ding…

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