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Berlin: Vorne der Ku’damm, hinten die Laube

Berlins zentralste Kleingartenkolonie soll Wohnhäusern weichen. Doch im Bezirk regt sich Widerstand

Kleingärtner gehen nicht auf die Barrikaden. Sie bleiben einfach in ihrer Laube und warten ab. Die Rosenstöcke, sagt Edith Elias, 81 Jahre alt, stehen seit 1947 am selben Fleck. Zwei Jahre davor, im ersten Sommer nach dem Krieg, bekam sie den Garten zugeteilt und erntete anderthalb Zentner Früchte vom Pfirsichbaum. So reich wie damals wurde sie nie wieder beschenkt. So reich kann ein Investor gar nicht sein, dass sie ihm den Ort dieser Erinnerung widerstandslos überlässt.

Die Kleingartenanlage am Emser Platz in Wilmersdorf, Berlins zentralste Laubenkolonie, soll geräumt und verkauft werden. Ein Filetgrundstück, nur 300 Meter vom Ku’Damm entfernt. Im Liegenschaftsfonds der Landesregierung wird das 1,3 Hektar große Areal gerade als „Objekt des Monats“ angepriesen, für gehobenes Wohnen in so genannten Town-Houses. Mehr als zehn Millionen Euro könnte der Verkauf in die Landeskasse spülen. Die Politik, so scheint es, hat entschieden, dass zehn Millionen Euro in Zeiten wie diesen schwerer wiegen als die 48 Kleingärtner der „Kolonie Württemberg“.

Doch warum sitzt Frau Elias so entspannt in ihrem Gartenstuhl? Und warum graben und wühlen nebenan die Hegermanns, als wäre nichts geschehen? Frau Elias flüstert: „Wir kriegen Unterstützung von allen Seiten.“ Jürgen Hurt, der Landeschef der Berliner Kleingärtner, will gegen ein Bauvorhaben klagen, wenn es denn konkret beschlossen worden ist.

Schon in der Vorbereitung der Ausschreibung hat es genug Formfehler gegeben. So wird im Exposé zum Grundstücksverkauf ein neuer Bebauungsplanentwurf in Aussicht gestellt, von dem man im Bezirksamt Wilmersdorf noch gar nichts weiß. Der Liegenschaftsfonds geht davon aus, dass der Bezirk einer Vermarktung zugestimmt hat, doch bei der entscheidenden Sitzung des so genannten Steuerungsausschusses war offenbar kein Bezirksvertreter anwesend. Im Bezirk hatten sich bisher alle Parteien – mit Ausnahme der FDP – gegen eine Vermarktung des Areals ausgesprochen. Es gebe genügend Ausweichflächen und schon jetzt zu wenig Grün im Bezirk, hieß es. Der Senat war aufgefordert worden, die Schutzfrist der Kolonie bis 2014 zu verlängern. Dieser BVV-Beschluss wurde jedoch übergangen. Demnächst soll erneut über einen Antrag von CDU und Grünen abgestimmt werden, die Kolonie zu erhalten. „Wenn der Bezirk sagt, eine bestimmte Art von Bebauung wollen wir nicht, dann ist das bindend“, sagt Anette Mischler vom Liegenschaftsfonds. Auch Wirtschaftsstadtrat Bernhard Skrodzki meint, dass der Senat das Verfahren in diesem Fall nicht an sich ziehen könne.

Somit stehen die Chancen gar nicht schlecht, dass die Kleingärtner auf dem Filetgrundstück weiter Rasen mähen können. Der Vorsitzende der Kolonie, Matthias Thiel, hat vom Liegenschaftsfonds einen Brief erhalten, in dem eine weitere Schonfrist bis 2008 eingeräumt wird. So lange dürfte es mindestens dauern, bis die Bagger anrücken.

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