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Kulturstaatsministerin Claudia Roth

© IMAGO/Metodi Popow

Claudia Roth über Inklusion: „In der Kulturszene gibt es noch viel Nachholbedarf“

Die Kulturstaatsministerin über die Parallelen von Sport und Kultur, Gespräche mit Jürgen Dusel, die Eröffnungsfeier der Special Olympics World Games und die Spiele 1936.

Für Claudia Roth ist es eine Herzensangelegenheit. „Längst wissen wir, dass Inklusion uns alle betrifft. Jeder hat seinen Teil dazu beizutragen, damit sie gelingt“, sagt die Kulturstaatsministerin.

Im Interview spricht Roth im Rahmen der Eröffnungsfeier der Special Olympics World Games in Berlin über die Parallelen von Sport und Kultur.

Frau Roth, welchen Stellenwert hat die Kultur bei den Special Olympics?

Wir dürfen nicht nur in Sonntagsreden von Inklusion und Diversität sprechen. Und wir dürfen auch nicht nur einmal im Jahr den Artikel I des Grundgesetzes würdigen: „Die Würde des Menschen ist unantastbar.“ Wenn man sich anschaut, wie oft dieser Grundsatz für Menschen mit geistigen Beeinträchtigungen verletzt wird, dann haben wir noch einen weiten Weg vor uns. Deshalb sind Veranstaltungen wie die Special Olympics World Games so wichtig.

Und hier geht es nicht nur um Sport, sondern auch um Kultur. Die Kultur kennt genau wie der Sport grundsätzlich keine Grenzen. Wenn es darum geht, unsere Gesellschaft zusammenzuhalten und Menschen miteinander zu verbinden, dann ist der Sport sehr wichtig – genauso wie die Kultur.

Was planen Sie, damit es auch in der Kultur mehr Inklusion gibt?

In der Kulturpolitik des Bundes ist Inklusion schon seit längerem ein wichtiger Bestandteil. Menschen mit Beeinträchtigungen sind von zentraler Bedeutung, wenn eine „Kultur für alle“ und „von allen“ Wirklichkeit werden soll. Doch natürlich gibt es beim Thema Inklusion in der Kulturszene noch viel Nachholbedarf.

Im Theater-Bereich passiert jedenfalls schon einiges. Es gibt zum Beispiel Theater, wo körperlich oder geistig beeinträchtigte Menschen als Schauspielerinnen und Schauspieler ganz selbstverständlich auf der Bühne stehen. Für den Bereich der Bildenden Kunst bin ich auch mit dem Behindertenbeauftragten der Bundesregierung, Jürgen Dusel, im Gespräch.

Was sagt der?

Er hat mir im wahrsten Sinne des Wortes die Augen geöffnet und erklärt, wie Menschen, die nichts sehen, eine Ausstellung erleben: Wenn zum Beispiel Audio Guides von Menschen gemacht werden, die sehen, dann treffen sie nicht das, was Menschen, die nicht sehen, als Informationen brauchen.

Wir schauen uns all diese Dinge Stück für Stück auf unterschiedlichen Ebenen an, damit der Begriff der Inklusion eben mehr ist als eine Formel in einer Sonntagsrede. Ganz klar ist dabei: Wir müssen Inklusion in allen Bereichen unserer Gesellschaft weiter vorantreiben – auch in Sport und Kultur.

Mit welchen Emotionen gingen Sie in die Eröffnungsfeier?

Mit großer Freude. Bei dieser Eröffnungsfeier konnten wir spüren, was es für so viele Menschen bedeutet, endlich teilhaben zu können, gewürdigt zu werden, endlich dabei zu sein und als gleichwertig wahrgenommen zu werden. Wir haben gesehen, dass Berlin sich wirklich gut darauf vorbereitet hat und dass den Special Olympics World Games hier ein würdiger Rahmen geboten wird, mit hochrangigen Vertretern aus vielen Staaten, mit dem Bundespräsidenten, dem Kanzler und Teilen des Kabinetts.

Das Olympiastadion ist ein historischer Ort. Hier fanden die Olympischen Spiele 1936 statt. Was bedeutet es für Sie, dass an gleicher Stelle die Special Olympics eröffnet werden?

Die Nationalsozialisten haben im Zuge des Euthanasieprogramms Menschen mit Beeinträchtigungen als eine der ersten Gruppen ermordet. Das Gedenken an die Opfer dieses barbarischen Verbrechens ist ein wichtiger Bestandteil unserer Erinnerungskultur. Vor diesem Hintergrund freue ich mich umso mehr, dass wir in unserem Land schon so viel erreicht haben für die Inklusion.

Der Weg ist noch lang, es gibt noch viel tun auf dem Weg zu mehr Teilhabe und Gleichberechtigung. Aber ganz grundsätzlich sind diese Special Olympics World Games auch eine Feier der Inklusion und der Menschenwürde. Die Nazis sind weg, aber wir sind hier – und die Menschen hier sind so, wie sie sind.

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