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Rauch steigt nach einem Bombenangriff der israelischen Armee auf die im südlichen Gazastreifen gelegene Stadt Khan Yunis auf.

© AFP/SAID KHATIB

Ohne Zögern, ohne Angst: Gazakrieg und Ukraine – die Bundesregierung darf unsere Werte nicht verraten

Die Bundesregierung muss sich noch deutlicher hinter Israel stellen. Und der Ukraine endlich das liefern, was sie braucht für ihren Kampf um Land und Demokratie.

Ein Kommentar von Stephan-Andreas Casdorff

Wenn es nicht so traurig wäre, sie wäre fast zum Lachen: die Lage der deutschen Außenpolitik. Werte geleitet, wie sie sein soll. Nur ausgerechnet bei den beiden großen Themen dieser Tage, Ukraine und Israel, stehen die Werte infrage.

Die Ukraine hat ein hartes Jahr hinter sich – und ein noch härteres vor sich. Die Befreiung von Charkiw und Cherson im Jahr 2022 wirkt wie Geschichte, und statt jetzt eine erfolgreiche Gegenoffensive feiern zu können, gerät die Armee in die Defensive. Immer stärker, denn Russland kommt wieder, unablässig, mit Tod und Terror.

Diktator Wladimir Putin will das Land erobern – oder es vernichten. Und der Westen, nicht zuletzt Deutschland, zögert bei den Waffenlieferungen, die der Ukraine aus der Not heraushelfen könnten.

Und Israel: Das Land hat harte Wochen hinter sich – und noch härtere vor sich. Es muss sich zunehmender Kritik in der Welt daran erwehren, dass es sein Land, sein Leben, seine Demokratie schützt. Der Maßstab für Unterstützung wirkt verrückt: Resolutionen des Weltsicherheitsrates stoppen die Hamas nicht, erwähnen ihren Terror nicht einmal, lassen sie weitermachen wie bisher – mit dem Tod der eigenen Zivilisten, den sie selbst verursacht. Und Deutschland enthält sich.

Was treibt die Bundesregierung da? Im Fall der Ukraine ist es wohl Angst. Angst, gefangen zu sein in einem Krieg, der nicht nur nicht enden will, sondern sich nach Ansicht von Experten sogar noch ausdehnen könnte. Angst, dass mehr nötig sein wird, als eine friedensverwöhnte Bevölkerung auf Dauer womöglich hinnehmen wollte. Ihr aber umgekehrt erklären zu müssen, dass noch mehr Geld ausgegeben werden muss für Rüstung, allein schon das – und dann für die Rüstungsindustrie. Das alles, weil Putin auch noch mehr wollen könnte als die Ukraine.

Ein Soldatenfriedhof im ukrainischen Lwiw.
Ein Soldatenfriedhof im ukrainischen Lwiw.

© IMAGO/ZUMA Wire/IMAGO/Ukraine Presidency/Ukrainian Pre

Im Fall Israel sind es vielleicht die Nerven. Für eine Politik, wie sie nötig wäre, international wie national, braucht es Stärke. Steht Deutschland in diesem Krieg zu Israel oder nicht? Hält es die Unterstützung bei zunehmendem Gegenwind und Gegendruck durch? Die Bundesregierung muss ihre Haltung deutlich machen, viel deutlicher.

Das müsste den Deutschen erklärt werden: dass es im Ernst keine Alternative dazu gibt, als die Hamas zu bezwingen. Mit deutscher Hilfe, wie und wo immer nötig. Bloß Feuerpausen zu befürworten, hilft nicht. Wenn die Hamas die Waffen niederlegt und die Geiseln freilässt, dann ist Waffenstillstand. Ein echter. Israel darf nicht verlieren.

Das deutsche Abstimmungsverhalten bei der UN ist in dem Sinn fatal. Wer sich zurückzieht auf eine Haltung, die sagt, dass man beide Seiten sehen muss, dass es Verbrechen gegen die Menschlichkeit auf beiden Seiten gibt, und in einer Weise, dass es als unterschiedslos missverstanden werden kann – der leistet dem Antisemitismus Vorschub. Wo er ihn doch verhindern muss. Enthaltung ist keine Haltung.

Im Blick auf Israel tut Selbstvergewisserung Not – im Blick auf die Ukraine auch. Der Westen, Deutschland, liefert zu wenig, zu spät, zu defensiv. Leopard 2, Kampfjets oder die von Wolodymyr Selenskyi so dringend gewünschten Taurus-Mittelstreckenraketen würden den Krieg nicht von einem Tag auf den anderen beenden, aber ihn womöglich wenden. Der russische Nachschub, zum Beispiel, würde effektiver unterbunden. Doch die Antwort der Bundesregierung auf eine Frage des CDU-Verteidigungsexperten Roderich Kiesewetter zeigt nur Zögern.

Den Unterschied zu machen, darum geht es. Zum Richtigen zu stehen, also zur Ukraine, zu Israel, ohne Zögern, ohne Angst. Soll die Ukraine den Krieg im Herzen Europas, um das Herz Europas wirklich nicht verlieren, liegt es nicht zuletzt an uns, an Deutschland.

Soll Israel in der Welt nicht immer weiter isoliert werden, obwohl es sich gegen den Terrorismus wehren muss, liegt es – ja, besonders an uns. So ist die Lage. Die Bundesregierung wird doch unsere eigenen Werte nicht verraten. Das wäre ja lachhaft.

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