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Eine Frau spendet in einem mobilen Blutspendebus des Deutschen Roten Kreuz (DRK) Blut.

© Foto: picture alliance / dpa / Arno Burgi

Das Blut der anderen: Spender in Deutschland werden immer älter und weniger

Viele Babyboomer sind regelmäßig zur Blutabnahme beim Roten Kreuz. Doch die jüngere Generation hält sich zurück. Wie kann man sie besser dazu animieren?

Trotz zwischenzeitlicher Engpässe hat die Bereitschaft der Deutschen zum Blutspenden in den Corona-Jahren weniger nachgelassen als befürchtet. Zu schaffen machen den auf Spenderblut angewiesenen Kliniken allerdings die Wellenbewegungen zwischen Lockdowns und Zeiten mit gelockerten Maßnahmen. Und auf längere Sicht bereitet auch die demografische Entwicklung Sorgen, denn die verlässlichen Blutspender werden immer älter.

„Wegen der geringen Haltbarkeit der Blutkonserven sind wir auf Kontinuität beim Blutspenden angewiesen“, sagt Patric Nohe vom Blutspendedienst des Bayerischen Roten Kreuzes (BRK). Bunkern oder Vorratshaltung sei nicht möglich, das Spenderblut ist nur 42 Tage verwendbar. Doch immer, wenn die Inzidenzen gesunken seien, hätten – wegen ausgeweiteter Freizeitaktivitäten – deutlich weniger Spender zur Verfügung gestanden.

Gleichzeitig habe man aber ausgerechnet in diesen Zeiten mehr Spenderblut benötigt, weil beispielsweise verschobene Operationen nachgeholt werden mussten. Entsprechend habe man sich wegen fehlender Blutspenden nicht etwa in der harten Corona-Phase, sondern im vergangenen Sommer „in einer der brenzligsten Situationen der vergangenen Jahre“ befunden, berichtet der Sprecher. In Berlin beispielsweise lag das Blutspendenaufkommen zeitweise um bis zu 30 Prozent unter dem Normalwert.

15.000
Blutspenden werden im Schnitt pro Tag gebraucht

In einigen Regionen ist es nach wie vor knapp. So hatte der DRK-Blutspendedienst Sachsen-Anhalt, Niedersachsen, Thüringen, Oldenburg und Bremen erst vor Kurzem geklagt, dass sich der Bedarf mit Blutpräparaten schon jetzt teilweise kaum decken lasse und bei einigen Blutgruppen sogar „unter der Versorgungsgrenze“ befinde. Aufs ganze Bundesgebiet gesehen bestätigt das Rote Kreuz eine größere Mangelsituation derzeit nicht.

Nach Auskunft des Paul-Ehrlich-Instituts (PEI) wurden im vergangenen Jahr rund 6,5 Millionen Blutspenden registriert, darunter 3,7 Millionen Vollblutspenden. Das waren zwar noch immer 69.000 weniger als im Vor-Coronajahr 2019, aber schon mal rund 108.000 mehr als im ersten Corona-Jahr 2020. Erstmals seit 2011 – dem Jahr mit den meisten Spenden – ist 2021 die Zahl der Vollblutspenden damit wieder leicht gestiegen. Trotzdem zeigt sich über die Jahre ein kontinuierlicher Rückgang, den die Blutspendedienste schon vor der Corona-Pandemie beklagt hatten.

„Wir sind bereits mit einem relativ knappen Blutkonservenstand in diese schwierige Zeit reingerutscht“, sagt Nohe. Und dann gingen die Zahlen wegen des heftigen Ausbruchs und der Lockdown-Maßnahmen kurzfristig erneut so stark nach unten, dass das PEI, das Robert Koch-Institut (RKI) und die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) eindringlich zum Blutspenden aufriefen.

42
Tage ist Spenderblut haltbar

Es gebe, so versicherten sie, „derzeit keinen Hinweis, dass Sars-CoV-2 durch Blut übertragbar ist und eventuell durch unerkannt infizierte Personen auf Patientinnen oder Patienten übertragen wird“. Die Hygienestandards stellten außerdem sicher, dass für Spender kein erhöhtes Ansteckungsrisiko bestehe.

Man habe damals ein Sicherheitskonzept auf die Beine gestellt und dadurch das Vertrauen der Spender:innen gesichert, sagt Nohe. Es habe eine „Welle von Hilfsbereitschaft und Solidarität“ gegeben, gefährliche Engpässe wurden verhindert. Allerdings seien dennoch viele mobile Blutspende-Möglichkeiten weggebrochen. „Turnhallen, Schulen, Vereinsheime – das war ja alles dicht.“ Die Möglichkeit vieler, im Homeoffice zu arbeiten, habe die Schwierigkeiten weiter verstärkt.

Etwa 75 Prozent der benötigten Blutspenden kommen über die sechs Spendedienste des Deutschen Roten Kreuzes (DRK), der Rest über private oder kommunale Einrichtungen, Spendendienste an Krankenhäusern oder über die Bundeswehr. Knapp 3,1 Millionen Menschen mit der Bereitschaft zur Vollblutspende zählten die Rotkreuzler am Ende des ersten Corona-Jahres.

Unter den Spendern seien viele sogenannte Babyboomer

Patric Nohe, Blutspendedienst des Bayerischen Roten Kreuzes (BRK)

Unterm Strich waren das nicht ganz so viele tatsächliche Spender, denn einige Bereitwillige werden aus Gesundheits- oder Risikogründen für die Spendenempfänger aussortiert. Auffällig war allerdings die förmlich in die Höhe geschossene Zahl derer, die sich angesichts der Pandemie erstmals zum Blutspenden entschlossen. Am Ende zählte das Rote Kreuz knapp 311.000 Erstspender. Möglicherweise war ein Erfolg der eindringlichen Kampagnen – denn im darauffolgenden Jahr waren es wieder nur noch 275.000.

Ein weiteres Problem ist das steigende Alter der Blutspender:innen. Beim Roten Kreuz lag es 2021 bei 45,6 Jahren. Unter den Spendern seien viele sogenannte Babyboomer, sagt BRK-Sprecher Nohe. Wenn diese Spendergruppe herausfalle (und als Patientengruppe dann womöglich sogar noch den Blutbedarf erhöhe), könne es schwierig werden. Schließlich sollten Blutspender nicht älter als 67 sein. Deshalb sei es enorm wichtig, „dass da nun eine neue Generation nachrückt“.

45,6
Jahre betrug das durchschnittliche Spenderalter im Jahr 2021

Es gebe bei jungen Leuten eine hohe Sensibilität für das Thema, sagt Nohe. Man müsse die Gelegenheitsspender aber längerfristig binden. Dafür ist detaillierte Information nötig, zum Beispiel auf Social Media, in Ausbildungsstätten und Universitäten. Schließlich könne jede und jeder in Situationen kommen, in denen das eigene Leben von passenden Blutkonserven abhänge, sagt Nohe. Statistiken zufolge benötigen 80 Prozent der Bundesbürger einmal im Leben eine Blutspende.

Insgesamt werden deshalb pro Tag im Schnitt 15.000 Blutspenden gebraucht. Am meisten gefragt ist dabei die Blutgruppe AB. Über AB positiv verfügen lediglich vier Prozent der Bevölkerung, über AB negativ nur ein Prozent. Am häufigsten gibt es A positiv (37 Prozent) gefolgt von der Blutgruppe 0 (35 Prozent). Wer über letztere verfügt, gilt als Universalspender. Weil dieses Blut keine Antigene enthält, kann in Notfällen immer darauf zurückgegriffen werden.

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Doch wie ist eine höhere und vor allem verlässlichere Spendenbereitschaft zu erreichen? Zwischen Frauen (die bis zu viermal im Jahr spenden dürfen) und Männern (bei denen dies wegen größerer Blutmenge alle zwei Monate möglich ist) gebe es diesbezüglich keinen Unterschied, sagt Nohe. Man registriere auch kein Ost/West- oder Nord/Süd-Gefälle. Auffällig sei lediglich, dass in ländlichen Gebieten mehr Blut gespendet werde als in Großstädten.

Von finanziellen Prämien für Blutspender hält man beim Roten Kreuz nichts. Es gehe für die Blutspender um Solidarität, nicht ums Geldverdienen, sagt der Sprecher. Allerdings gebe es interessante Ideen, wonach regelmäßige Spender beispielsweise in öffentlichen Einrichtungen oder im Nahverkehr Vergünstigungen erhalten sollten.

Blutspender und Blutspenderinnen sollten nicht älter als 67 Jahre alt sein.

© Foto: PNN / Ottmar Winter

Kontraproduktiv dagegen scheint der Umgang mit spendewilligen Homosexuellen zu sein. Hier bekämen die Blutspendedienste immer noch viel Wut und Frustration ab, berichtet Nohe. Dabei gilt der generelle Blutspende-Ausschluss für Männer, die gleichgeschlechtlichen Sex haben, seit Oktober 2017 nicht mehr. Und auch die Regelung, dass homosexuelle Männer vor Blutspenden mindestens zwölf Monate lang nicht sexuell aktiv gewesen sein dürfen, wurde im Oktober 2021 gestrichen.

In der Hämotherapie-Richtlinie heißt es nun, dass Blutspenden „vier Monate nach Beendigung eines sexuellen Risikoverhaltens“ problemlos seien. Allerdings sei das Risiko von „Sexualverkehr zwischen Männern“ nach wie vor anders definiert als das von „Sexualverkehr zwischen Frau und Mann“, klagt der Lesben- und Schwulenverband und spricht von fortbestehender Diskriminierung.

„Für uns spielt es keine Rolle, woher die Blutspender kommen oder wen sie lieben“, sagt Nohe. Es gehe bei den Vorgaben einzig um den Schutz von Spendern und Empfängern – die Richtlinien stammten von der Bundesärztekammer. Ausgeschlossen sind infolgedessen beispielsweise Prostituierte, Drogenabhängige und bestimmte chronisch Erkrankte

Auch nach frischen Tätowierungen oder Piercings muss ein zeitlicher Abstand zur Blutspende gewahrt bleiben. Nach Corona- Impfungen indessen gibt es keine Sperrfristen. Und auch nach Covid-19-Erkrankungen sind Blutspenden möglich, wenn man sich fit fühlt.

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