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Lars (Axel Stein, Mitte) will den Polizisten (Marian Meder, Viktor Bleischwitz, links) erklären, was passiert ist.

© dpa / Foto: ZDF/Oliver Vaccaro

Grillen, chillen, fetzen: Stinkbombe zu Gast

Eine schmerzhaft lustige ZDF-Komödie: „Der Spalter“ mischt mit populistischen Sprüchen eine Grillparty auf.

Endlich mal ein Film wider die Grill-Plage! Das Brennmaterial liefern die kleinen Alltags- und großen Lebenslügen zweier Paare, den hochwirksamen Anzünder gibt beim gemeinsamen Grillen der Nachbarn ein ungebetener Gast: Lars (Axel Stein) ist der Chef von Gastgeber Oliver (Fabian Busch) und eine XXL-Ausgabe des fröhlich zündelnden Männertyps, der alles besser weiß und alles kommentiert, obwohl man ja bekanntlich gar nichts mehr laut sagen darf und „an jeder Ecke die Sprachpolizei lauert“. Willkommen in der Vorstadt-Hölle.

Scharf gewürzte Dialoge

Die mit scharfen Dialogen gewürzte ZDF-Komödie „Der Spalter“ nach einem Drehbuch von Grimme-Preisträger Stefan Rogall („Polizeiruf 110 – Kleine Frau“, 2006) bedient sich mit vollen Händen im populistischen Vokabular der Gegenwart. Früher hätte man von Stammtischsprüchen geredet, aber heutzutage gibt es ja das Internet.

Lars verschickt deshalb gerne eine Link-Liste mit einer Fülle von Quellen jenseits der „etablierten Medien“. Natürlich hat er immer einen schlechten Scherz auf den Lippen und den um seinen Arbeitsplatz bangenden Oliver behandelt er wie einen Befehlsempfänger, was Olivers Frau Bianca (Marlene Morreis) erst recht zur Weißglut bringt.

Allerdings hat das Großmaul, von Axel Stein genüsslich mit boshaftem Dauergrinsen gespielt, das Talent, bei seinen Mitmenschen die wunden Punkte zu finden. Dafür bedarf es nicht immer gezielter Provokationen, manchmal genügt eine scheinbar harmlose Frage: „Habt ihr eigentlich Kinder?“ Ein Zufallstreffer, denn die Nachbarn Dila (Susana AbdulMajid) und Simon (Sebastian Schwarz) probieren es seit einiger Zeit vergeblich. Lars freut sich natürlich, ins Schwarze getroffen zu haben.

Zu Beginn flirtet Dila sogar ein bisschen mit ihm – bis Lars zu einem Vortrag über Kopftuch tragende Frauen und die multikulturelle Gesellschaft anhebt. Weil Dilas Familie aus dem Iran stammt, solle sie „ein bisschen dankbarer“ sein, meint er. Statt den Männern Tee und Kekse servieren zu müssen, habe sie ja in Deutschland studieren dürfen und dabei womöglich Bafög kassiert. Angesichts der aktuellen Ereignisse erhält diese Szene einen besonders bitteren Beigeschmack.

„Lustig“ ist eine solche Komödie im ZDF also eher nicht – oder nur auf die schmerzhafte Tour, denn Lars ist eigentlich keine überzeichnete Figur, sondern eine Gegenwartssammlung siexistischer und rassistischer Ansichten auf zwei Beinen.

Autor Stefan Rogalla hat es noch gut mit dem Publikum gemeint, denn zum Beispiel zu jüdischen oder queeren Menschen äußert sich sein „Spalter“ ausnahmsweise nicht.

Natürlich darf so einer weder gewinnen noch zum bedauernswerten Opfer werden. Beides geschieht nicht, auch wenn eine Vorblende zu Beginn des Films andeutet, dass die Grillparty blutig eskalieren wird. Aber zum Glück beschränken sich Rogall und Regisseurin Susanna Salonen, die 2015 für „Patong Girl“ ebenfalls mit einem Grimme-Preis ausgezeichnet wurde, nicht auf einen moralinsauren Vortrag über den „bösen“ Populismus.

Etwas Gutes hat Lars’ Auftritt, der in der Wirkung einer Stinkbombe nicht unähnlich ist, eben doch: Er legt bei beiden Paaren Unausgesprochenes frei, zwingt sie zur Auseinandersetzung mit sich selbst und insbesondere den drangsalierten Oliver dazu, Haltung zu zeigen.

Für etwas Abwechslung sorgt außerdem Finn (Paul Sundheim), der Sohn von Bianca und Oliver. Man fragt sich zwar, wieso Teenager in Komödien immer so gelangweilt zum Kühlschrank schlurfen müssen, aber abgesehen davon ist Finn das liebenswerte, junge Gegenbild zum alten Stänkerer Lars. Statt nur zu reden, tut er etwas – und hat wegen einer Protestaktion gegen Massentierhaltung die Polizei am Hals. Dabei „interessiert der sich nicht für die Tiere, er füttert nicht mal seinen Hamster“, argumentiert Bianca.

Vorübergehend kommt es sogar zu einer Art Verbrüderung mit Lars, der der Meinung ist, „Autofahren ist gut für die Seele“, und Finn ans Steuer seines PS-starken Wagens lässt. Beide peppen das Nachbarschaftstreffen mit dem Kauf von Alkohol auf, während sich im Garten in Abwesenheit von Lars eine verstörende Langeweile breitmacht. Und als der „Spalter“ sich am Telefon bei seiner Partnerin, die ihn aus der Wohnung geworfen hat, entschuldigt, könnte man ihn fast für einen Zeitgenossen halten, der zu Einsicht und Umkehr in der Lage ist. Hält aber nicht lange vor.

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