zum Hauptinhalt
Ferch

© ZDF

Krupp-Fernsehfilm: Heino Ferch: Der Vitalist

Als Turner lernte er Disziplin, davon profitiert Heino Ferch noch heute. Jetzt spielt er einen Krupp.

Seine freie Zeit verbringt Heino Ferch oft damit, auf einem Pferd zu sitzen. Er sattelt es, nimmt einen Holzschläger in die Hand, steigt auf, und versucht dann beim Polospiel im leichten Galopp einen apfelsinengroßen Ball in die Richtung der gegnerischen Mannschaft zu schlagen. Heino Ferch ist kein Mann der Verteidigung. Er will Tore schießen.

Der Schauspieler gibt in einem Konferenzraum des ZDF-Hauptstadtstudios Interviews zu seinem neuen Projekt. Ab Sonntag ist er in der dreiteiligen Familiensaga „Krupp – eine deutsche Familie" zu sehen. Ferch verkörpert darin den jungen Gustav von Bohlen und Halbach, der nach seiner Heirat mit Bertha Krupp zum Unternehmensführer des Stahlkonzerns aufstieg. „Der Gustav“, sagt er über seine Rolle, „ist kruppscher als mancher Krupp. In seiner Perfektion, den Konzern zu führen, der strengen Disziplin sich selbst gegenüber und seiner Pedanterie in Sachen Pünktlichkeit.“

Wie er da einem gegenübersitzt, an einem Flaschenverschluss herumspielt und locker redet, wirkt Heino Ferch sehr entspannt. Draußen regnet es, aber das schlechte Wetter ist an ihm vorübergezogen. Er ist braun gebrannt und gut gelaunt. Heino Ferch würde einen guten Cowboy abgeben. Er trägt Jeans und einen dunkelgrünen Pullover. Er ist prima in Form. Wie Gustav sei er, sagt Heino Ferch, kein Freund der „Komme-ich heute-nicht-komme-ich-morgen-Mentalität". Pünktlich zu sein ist ihm genauso wichtig wie die Leidenschaft, die er dem Unternehmer zuschreibt, um in dem, was man tut, wirklich gut zu sein. In allen großen Fernsehproduktionen ist Ferch dabei. „Seine Fresse passt ab dem Zeitalter der Industrialisierung“ hat einmal jemand über ihn gesagt, und so liefert er das passende Gesicht für unterschiedliche Figuren deutscher Geschichte: Heinrich Schliemann („Der geheimnisvolle Schatz von Troja“) oder Albert Speer („Der Untergang“).

Heino Ferch hat blaue Augen, eine große Nase, schmale Lippen und eine hohe Stirn. Er spielt gern in Historienfilmen mit. Sie sind erfolgreich und für ihn interessant. „Die Zukunft“, sagt er, „hat immer etwas mit der Vergangenheit zu tun.“ Aber allein das würde nicht ausreichend begründen, weshalb er so oft als germanischer Heldentyp besetzt wird. In „Krupp“ gibt es eine Szene, in der er bei einem Treffen mit Geschäftspartnern über die Entlassung von 100 000 Arbeitern entscheiden muss. „Wir müssen den Blick auf das Große und Ganze richten“, sagt er darin und zieht dabei an seiner Zigarre. Auf seinem Gesicht zeichnet sich Entschlossenheit ab. Vermutlich ist es genau das, was man in dem Schauspieler sieht: einen Willen.

Den hat Heino Ferch wohl aus seiner Kindheit mitgebracht. 1963 wurde er in Bremerhaven als Sohn eines Kapitäns geboren. Sein Vater war selten da. Als Junge wurde er oft wegen seines Vornamens gehänselt: „Setz dir mal eine Sonnenbrille auf und sing mal was.“ In der Schule musste er zwei Klassen wiederholen. Anerkennung fand er im Turnverein. „Dann wollte ich das auch richtig können. Man wird ehrgeizig.“ Er trainierte drei bis vier Mal in der Woche und stieg bis in die Bundesliga auf. Er lernte, seinen Körper zu beherrschen und Schmerzen zu ignorieren. Er brach sich einen Finger und eine Rippe. Er sagt: „Der Sport war eine große Schule für Disziplin. So etwas macht hinterher stark.“

Als er 1978 als Schüler in seiner Heimatstadt mit einer artistischen Rolle im Musical „Can Can“ auftrat, entdeckte er die Schauspielerei. Mit Turnen, so wusste er, konnte man kein Geld verdienen. Nach dem Abitur bewarb er sich an mehreren Schauspielschulen, am Mozarteum in Salzburg wurde er genommen. Aus dem pragmatischen Norden, sagt er, sei er damals in den sinnlichen Süden gegangen. „Bauchiger“ sei es dort gewesen. Er erlebte die Kaffeehauskultur, die Liebe zur Musik und zum Essen. Seine Diplomarbeit verfasste er zum Thema „Chöre im klassischen Drama“ anhand von Schillers „Die Braut von Messina“. Ein halbes Jahr hatte er zwischen den Proben und den Vorstellungen daran geschrieben. „Ich fand es schön, so ein Diplom in der Hand zu haben“, sagt er, „obwohl es für einen Schauspieler eigentlich egal ist. Entweder man ist gut oder nicht, was anderes zählt nicht.“

Damit hat er wahrscheinlich sogar recht. Zu ihm selbst aber würde so eine Einstellung nicht passen. Heino Ferch ist jemand, der die Dinge, die er begonnen hat, auch zu Ende bringt. „Der Weg ging so weiter", sagt er, „nach der Hochschule kam das Theater. Die Bühne war damals die Basis für die Schauspielerei.“ An der Freien Volksbühne und am Schillertheater bekam er ein Gefühl für Spannung, Dialoge, Pausen, Stimmungen. Zwanzig Jahre lebte er in Berlin, in dieser Stadt wurde er berühmt. Für seine Figur des Schwimmers Harry Melchior in „Der Tunnel“, der unter der Mauer hindurch Leute aus dem Osten in den Westen verhalf, gewann er 2002 die „Goldene Kamera“.

„Ein Held ist ein Held, weil er die Geschichte zusammenhält“, sagt Heino Ferch. Mit weiteren Rollen im „Wunder von Lengede“ (2003) oder der „Luftbrücke“ (2005) ist sein Name zu einem Synonym für einen Mann der Tat geworden. Stand er im Vorspann einer aufwändigen TV-Produktion, wusste man bereits, was einen erwartet: ein positiver, kämpferischer Heino Ferch in gefälligen Historiendramen. Die Qualität des Schauspielers drohte in der Fülle seiner Auftritte etwas unterzugehen. Der Erfolg, der für ihn sprach, schien auf einmal gegen ihn zu sprechen. Er selbst muss das geahnt haben und suchte Chancen, in denen er sich neu beweisen konnte.

In dem Thriller „Hölle im Kopf“ von Johannes Grieser (2005) verkörpert Ferch den Architekten Marc Hoffmann, der sich immer mehr in Halluzinationen verliert. Ein Antiheld im klassischen Sinne, einer, dessen Leben sich zu keinem Puzzle mehr zusammenfügt, der vollgepumpt mit Psychopharmaka am Abgrund steht, kurz davor, abzustürzen. Mit dieser Figur hat Heino Ferch das Erwartete zu etwas Unerwartetem gemacht. Sie gehört neben der Rolle des Skilehrers Marco aus Tom Tykwers „Winterschläfer“ zu seinen besten. Er hat sie mit jener Kunst gespielt, mit der man es schafft, präsent zu sein, ohne dass man den Schatten des Schauspielers spüren kann. Extrem und intensiv.

Vor zwei Jahren ist Heino Ferch an den Ammersee nach Bayern gezogen, der Liebe wegen. Seine Frau ist die ehemalige Military-Profireiterin Marie-Jeanette Steinle, mit der er auch sein Polo-Hobby teilt. Mit ihr zusammen wird er Anfang Dezember vermutlich wieder in Argentinien sein. Sie werden in einem Stadion in Buenos Aires sitzen und das wohl berühmteste Polo-Turnier der Welt verfolgen, inmitten von 80 000 Zuschauern. Heino Ferch wird Gänsehaut bekommen und dabei vielleicht sogar Tränen vergießen, der Erfolg von anderen rührt ihn.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false