zum Hauptinhalt
Sehr bissig: Bailey Bass als Claudia. 

© Alfonso Bresciani/AMC Sky

„Interview mit einem Vampir“: Zeitgenössische Blutsauger

Fast 30 Jahre nach „Interview mit einem Vampir“ zeigt Sky die Serienversion des Horrormelodrams von 1994 und macht zwei Untote darin zu schwulen Diversity-Ikonen. Endlich!

Über Vampire, selbst Fehldeutungen der Geschichte, kursieren viele Irrtümer. Seit Bram Stokers Dracula hassen sie angeblich Kreuze, Knoblauch, das Sonnenlicht, sind aber vernarrt in Frauen. Letzteres galt noch, als Brad Pitt & Tom Cruise leicht homophile, aber heterosexuelle Blutsauger waren. In der VersionInterview mit einem Vampir“ (sieben Folgen auf Sky) ist die Titelfigur dagegen nicht nur schwarz. Wenn der Edelmann Louis de Pointe du Lac (Jacob Anderson) einem Reporter (Eric Bogosian) sein ewiges Leben diktiert, zeigt er sich offen schwul.

Davon muss ihn die zweite Hauptfigur Anfang des 20. Jahrhunderts zwar erst überzeugen. Doch nach einer heißen Nacht mit Lestat de Lioncourt (Sam Reid) lässt sich der gutsituierte Zuhälter aus New Orleans vom Dandy untot beißen und verbringt mit ihm weitere sechseinhalb Teile einer rauschhaften Milieustudie voller Sex und Liebe, die ständig die Frage aufwirft: Warum hat Rolin Jones den Blockbuster von Neil Jordan 2022 zur Serie erweitert? Antwort: Weil die Zeit reif ist.

War Hollywood 1994 noch so prüde, dass Pitts du Lac von einer Frau gespielt werden sollte, kann Regisseur Alan Taylor nun zügellos in Homoerotik schwelgen – und Anne Rice’s Roman auch sonst vom Geist der weißen Mehrheitsgesellschaft befreien. Seine Vampire sind deshalb eher Raubtiere als Edelleute, die sich dafür mit Rassismus, Selbstzweifeln, Diversität befassen. Ob das grandios oder größenwahnsinnig ist, bleibt Geschmackssache.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false