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Richard Rodgers hat mindestens vier Homosexuelle aus Schwulenbars gelockt und ermordet. 

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TV-Doku „Last Call Killer“: Homophobe Pogromstimmung

Am Beispiel eines schwulenfeindlichen Serienkillers erzählt die Sky-Doku „Last Call Killer“ vier Teile vom Amerika der frühen 90er und was dessen Hass mit unserer Gegenwart zu tun hat.

Es gibt, mal abgesehen vom artverwandten Genozid, wohl keinen Zivilisationsbruch, der Menschen mehr fasziniert als Serienkiller – das zeigt jeder kurze Blick ins Fernsehprogramm, wo diese fast so verbreitet sind wie Chefärzte und Staatsanwälte. Dabei gibt es Serienkiller, die von der Gesellschaft ringsum förmlich beauftragt werden. Richard Rogers zum Beispiel.

Ab 1992 hat er mindestens vier Homosexuelle aus New Yorker Schwulenbars gelockt und ermordet. Knapp zehn Jahre später wurde der Krankenpfleger dafür zu lebenslanger Haft verurteilt. Klingt rechtstaatlich, resolut, integer – hätte das erzkonservative Amerika Männer wie ihn nicht quasi zur Gewalt getrieben. Der HBO-Vierteiler „Last Call Killer“ (Sky, ab 20.1.) schildert die Atmosphäre, in der diese geschah.

Die Polizei war mehr Teil des Problems als der Lösung, für viele waren wir keine Menschen.

Kevin Berrill, National Gay & Lesbian Task Force, in der Show bei David Letterman

Mit Unmengen Archivmaterial, Reenactment und emotional spürbar ergriffenen Hinterbliebenen oder Beteiligten rekapituliert Anthony Caronna Ritualmorde, die eine Aktivistin jener Tage als „Overkill“ beschreibt: nicht nur simple Tötungsdelikte, sondern Hinrichtungen im Zuge einer kollektiv geschürten Pogromstimmung. Die queere Community wurde schließlich von Wutbürgern wie der früheren Miss Oklahoma Anita Bryant förmlich zum Abschuss freigegeben.

Das macht diese Dokumentation nicht nur zum bedrückenden Zeugnis einer aggressiv homofeindlichen Zeit im Zeichen von Reagan, Aids und explodierender Hasskriminalität. Sie erklärt, wie Politik, Justiz, Polizei über zwei Dekaden nach dem Stonewall-Aufstand in New York der heutigen US-Spaltung selbst an der liberalen Ostküste ideologisch Vorschub leisteten. Das macht die Serie schwer verdaulich, aber umso bitterer nötig.

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