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Die Bundeswehr weiß um die Faszination, die der Krieg auf Videospieler ausübt. Messen wie die Gamescom werden entsprechend zur Imagewerbung genutzt.

© Henning Kaiser/dpa

Kriegerische Videospiele: Mit Militärjeep vor der Tür

Krieg gibt es in Videospielen oft. Doch was meist fehlt, ist die kritische Auseinandersetzung. Gerade jetzt nach dem Anschlag von Halle

Der Rahmen für das PC-Spiel, das den Fachjournalisten gerade gezeigt wird, wirkt überaus martialisch. Vor der Tür steht ein Militärjeep, der die Spiele-Experten schon einmal auf den neuen Shooter einstimmt. Netze in Tarnfarben schmücken den Raum, als ein Veteran die Bühne betritt und davon spricht, dass „Ghost Recon: Breakpoint“ ein möglichst authentisches Kriegserlebnis bieten soll – freilich ohne dabei den Spielspaß zu vergessen.

Als der Publisher Ubisoft Mitte September mehrere Dutzend Journalisten eingeladen hatte, um den Blockbuster-Titel vorzustellen, konnte sich freilich niemand einen antisemitischen Anschlag wie am Mittwoch in Halle vorstellen, bei dem ein schwer bewaffneter Rechtsextremist in militärischer Kampfmontur in einer Synagoge ein Massaker anrichten wollte. Auch nach dem Anschlag, bei dem zwei Menschen ihr Leben verloren haben, kann kein direkter monokausaler Zusammenhang zwischen Videospielen und solchen Gewalttaten gezogen werden. Dennoch muss die Frage gestellt werden, ob die Gewaltästhetik, die solche Spiele oft ohne Reflexion entwerfen, sich nicht doch auch dort wiederfinden, wo Menschen sich Kameras auf den Kopf setzen, um wie bei Lets-Play-Sessions live zu streamen, wie sie Menschen töten. In diesem Fall nicht nur virtuell, sondern ganz real.

Ein bedenkliches Verhältnis

Doch ganz unabhängig von Halle ist es ein bedenkliches Verhältnis, das Videospiele zum Militär haben. Kein Szenario wird in den PC- und Konsolengames öfter genutzt als Krieg. Sei es im Mittelalter, in einer quietschbunten Zukunft oder eben in der Gegenwart: Soldaten und ihr Kriegsgerät sind der Mittelpunkt der meisten Spiele, die von der Blockbuster-Industrie hergestellt werden. Was jedoch eine Auseinandersetzung mit der Militär-Industrie sein könnte, ein Spielbarmachen der grausamen Mechanismen des Krieges, ist – bis auf wenige Ausnahmen – lediglich die Darstellung oder sogar Glorifizierung von Äußerlichkeiten. Eine Inszenierung.

Bei dem Anspiel-Event des neuen Shooters „Ghost Recon: Breakpoint“, das für Presse und Influencer abgehalten wurde, geht es daher auch nur kurz um die Geschichte. Sie handelt von einem Elitesoldaten, der sich von einer unberechenbaren US-Regierung betrogen fühlt und sich gegen diese wendet. Alles rein fiktional natürlich, mögliche Parallelen zur Realität sind zufällig, das Ganze spielt auf der erfundenen Insel „Aurora“.

Sehr real ist dagegen die Darstellung des Militärs. Waffen, Vehikel, Spezialisierungen der Soldaten. All das soll möglichst detailliert und mithilfe von Veteranen so authentisch wie möglich gezeigt werden. Der Militärjeep vor der Tür ist kaum zu unterscheiden von dem im Spiel. Nur dass die Spieler in den digitalen Jeep einsteigen dürfen – der echte ist nur zur Bewunderung gedacht.

Die Militär-Industrie verdient an Videospielen. Waffenmodelle werden von Spieleherstellern eingekauft, damit sie diese eins zu eins im Spiel nachbauen können. Militär-Experten werden beauftragt, um den Entwicklern bei der Erstellung der Spielwelt und vor allem der virtuellen Gefechte zur Seite zu stehen. Wenn sich viele Videospiele auch sonst dagegen wehren, realistisch zu sein – denn das würde sie ja in die Nähe von Politik rücken –, bei der Darstellung des Kriegsgeräts, da kann es gar nicht realistisch genug sein. Und genau hier kann wohl auch für einige Menschen die Faszination entstehen, Waffen im echten Leben zu nutzen, sie gegen Menschen zu richten. Bei der Darstellung dessen, was das Kriegsgerät anrichten kann, da allerdings nicht. Denn es ist ja nur ein Spiel, und die Spieler wollen keine verwundeten, schreienden, verkrüppelten Menschen sehen.

Spezielle Ästhetik: Controller in Tarnoptik

Doch bleibt diese Militär-Ästhetik nicht im Spiel, sie zieht sich durch die gesamte Kultur des Gamings. Controller in Tarnoptik, Special Editions, die mit Munitionshülsen verschickt werden. Auf jeder Spielemesse schmücken die Hersteller ihre Stände mit Kriegsgerät, als Soldaten verkleideten Menschen. Der wummernde Sound von Schüssen und Explosionen kommt aus riesigen Boxen. Eine spielerische Normalisierung von Militär-Ästhetik. Natürlich wirkt es dann auch nicht befremdlich, wenn ein paar Stände weiter die Bundeswehr wirbt, mit einem echten Panzer und echten Soldaten. Es scheint die logische Fortsetzung des Videospiels zu sein: Was du im Spiel mit deinem Tarnfarben-Controller erlebt hat, kannst du im Anschluss auch in echt erleben. Schließ dich jetzt an.

Durch das, was vor dem Bildschirm aufgefahren wird in Werbung, auf Messen, in der gesamten Ästhetik der Videospiel-Peripherie, ist das Auge so getrübt, dass es im Spiel auch nur noch diese Oberfläche sehen kann. Nicht das, was darunterliegt.

Denn es gibt Spiele, die sich durchaus kritisch mit dem Krieg auseinandersetzen. Selbst in den größten Blockbuster-Spielen gibt es die ruhigeren Momente, die zum Reflektieren anregen könnten. Dann könnten die Parallelen zu unserer Realität plötzlich offenliegen, auch in einem „Ghost Recon: Breakpoint“. Dann läge auf der Hand, dass auch Videospiele ernsthafte Themen, auch politische, verhandeln könnten.

Je realistischer, desto besser: Videospieler bevorzugen in den Games - wie hier in „Ghost Recon: Breakpoint“ - detailgetreue Waffen.

© Ubisoft

So viel zur Theorie: Aber wenn schon die Spielefirmen selbst alles daran setzen, das Spiel in ein unterhaltsames Militär-Kostüm zu zwängen; wenn Millionen ausgegeben werden für „authentisches Kriegserlebnis“ und damit dann nur glänzende Waffen gemeint sind; wenn also die Hersteller selbst schon durch viel Plastik, Bombast und Rauch alles dafür tun, ihre Produkte in einen Kontext fern jeder kritischen Auseinandersetzung zu rücken – wie sollen dann erst die Spieler darauf kommen, dass es eben nicht „nur ein Spiel“ ist?

Auf dem Event zu „Ghost Recon: Breakpoint“ versagte zunächst die Technik. Die bombastischen Spielszenen mussten ohne Sound auskommen. Da sahen diese so realistisch modellierten Figuren auf dem Screen plötzlich hohl aus. Die Realismus versprechenden Worte des Veterans wirkten absurd. Schade, dass ohne die große Inszenierung oftmals nicht viel übrig bleibt – außer ein einsamer Militärjeep vor der Tür.

Videospiele können so viel mehr sein als ein Vehikel für eine Militär-Glorifizierung, in der das Töten belohnt wird. Sie sind auch nicht der alleinige Grund dafür, wieso Menschen zu Mördern werden. Das Problem ist nur: Unter der ganzen Oberfläche, der ganzen Inszenierung außerhalb des Spiels, unter den Militärjeeps, den Tarnfarben, der martialischen Sprache fällt eine kritische Auseinandersetzung kaum auf, selbst wenn sie da ist.

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