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Gary Lineker moderierte am Samstag das  FA-Cup-Viertelfinale zwischen Manchester City und Burnley live in der BBC.

© AFP/OLI SCARFF

Nach dem Eklat um Gary Lineker: Mit steifer Unterlippe zurück zum Spiel

Mit seiner Kritik an der britischen Regierung wurde BBC-Moderator zum Politikum. Die Rückkehr nach seiner Suspendierung verlief am Samstag unspektakulär.

Am Ende wirkte der große Moment ein wenig antiklimaktisch. Gary Lineker war erkältet, als er am Samstag zum ersten Mal nach seiner Suspendierung wieder als Moderator vor den Kameras der BBC trat. Mit heiserer Stimme begrüßte er seine Zuschauer, verlor dabei kein Wort zu den Querelen der vergangenen Wochen. Stattdessen sprach sein Kollege Alan Shearer in einem vorbereiteten Statement kurz und vage davon, wie schwierig die Situation gewesen sei. Lineker nickte zustimmend, und das war es. Thema erledigt. Nichts mehr zu sehen hier. 

„Match of the Day“ gehört zum englischen Samstagsritual

Eine elegante Rückkehr, die zu Lineker und zur „Match of the Day“-Sendung, die er seit 1999 moderiert, irgendwie passte. Am Samstag präsentierte der 62-Jährige zwar nicht die klassische Highlights-Sendung am Spätabend, sondern die Live-Übertragung eines FA-Cup-Spiels am Nachmittag. Doch auch da trat er mit genau jener zurückhaltenden Geschicklichkeit auf, die ihn zu einer der beliebtesten Persönlichkeiten Großbritanniens gemacht hat. „Match of the Day“ war schon immer so: sachlich, familiär, unverändert. Ein warmes Bad für den englischen Fußballfan. 

Dass Lineker für seine Kritik an der Regierung suspendiert worden war, hatte deshalb auch eine gewisse Ironie, denn als Moderator ist er alles andere als ein Polemiker. Und vielleicht steckt in diesem Paradox auch eine besonders britische Absurdität. Jedenfalls wäre es in Deutschland kaum vorstellbar, dass eine Figur wie Lineker so zum Politikum werden könnte. Zeitgleich und mit ähnlicher Professionalität vollzog am Samstagabend etwa auch der ARD-Moderator Alexander Bommes seine Rückkehr in der „Sportschau“. Doch er hatte nur gesundheitsbedingt gefehlt, und eben nicht, weil er zum politischen Streitpunkt des Monats wurde. 

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Dabei sind die zwei Sendungen eigentlich sehr ähnlich. Beide sind ungefähr 60 Jahre alt, gehören seit jeher zum Samstagsritual in ihren jeweiligen Ländern, haben die Verankerung des Fußballs in der nationalen Kultur maßgeblich geprägt. Beide haben ja auch zum Teil dieselben Rubriken: das „Tor des Monats“ hat die ARD damals direkt von der BBC abgeschaut. 

Drama gibt es höchstens auf dem Platz

Und doch sind sie anders. In Deutschland ist die Sportberichterstattung ohnehin didaktischer, sie erstellt von vornherein ein kohärentes Narrativ, das dem Zuschauer die Welt erklärt und den Rahmen für jegliche weitere Diskussion im Studio bietet. So wurde am Samstag in der Sportschau anhand von aufwändigen Grafiken und Zeitlupen das Motiv des „Tabellenkellers“ zum Thema der Sendung hochstilisiert. Bei „Match of the Day“ sieht das anders aus. Zumindest in der traditionellen Sendung am Samstag gibt es wenig Drumherum. Die Spiele werden wie live kommentiert, redaktionell bleibt es minimalistisch. Es geht um Gefühle, nicht um Narrative. Wenn es Drama gibt, dann höchstens auf dem Platz oder in der Interview-Zone nach dem Spiel.

Vor allem aber sind sie in ihrer kulturellen Schlagkraft unterschiedlich. Womöglich liegt das auch daran, dass die BBC schon immer höhere Ansprüche hatte als der öffentlich-rechtliche Rundfunk in Deutschland. Sie will eben nicht nur unterhalten und informieren, sondern versteht sich als Säule und Lautsprecher der nationalen Leitkultur. Und auch die kuschelige Gefühlswelt eines „Match of the Day“ bietet da etwas, wonach die Briten süchtig sind: nämlich die Illusion der Kontinuität in turbulenten Zeiten. 

Die Titelmusik ändert sich nicht, das Format bleibt gleich. Lineker ist in 60 Jahren erst der fünfte Hauptmoderator der Sendung, er macht das jetzt seit 24 Jahren. In dieser Zeit hat sich der englische Fußball sowie die britische Gesellschaft extrem verändert, doch „Match of the Day“ blieb sich treu: ein unaufdringlicher kultureller Fels in der Brandung. Deshalb war die Aufruhr so riesig, als Lineker zum politischen Spielball wurde. Und darum machen sie jetzt einfach mit steifer Oberlippe weiter. 

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