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 Ex-Präsident Lula da Silva

© Arte © Nofoco Filmes

Opfer einer politischen Kampagne?: Im Sumpf der Korruption

Eine Arte-Dokumentation rehabilitiert den brasilianischen Spitzenpolitiker Lula da Silva. 

Bei den Präsidentschaftswahlen konnten Brasilianer eigentlich nur verlieren. Der Amtsinhaber Jair Bolsonaro ist ein rechtspopulistischer Militarist. Und sein Herausforderer Lula da Silva verbrachte 580 Tage hinter Gittern. Eigentlich sollte er zwölf Jahre absitzen, wegen Korruption. Im November 2019 kam er jedoch frei. Das oberste Gericht Brasiliens sah es als erwiesen an, dass die Justiz befangen war.

War Lula das Opfer einer politischen Kampagne, die seinem Widersacher Bolsonaro 2018 zum Wahlsieg verhalf? Diese knifflige Frage stellt Maria Ramos’ Dokumentarfilm „Brasilien und der Fall Lula da Silva“. Die brasilianisch-niederländische Produzentin und Drehbuchautorin stützt sich auf Recherchen des unabhängigen brasilianischen Newsportals „The Intercept“ („Brasilien und der Fall Lula da Silva. Anatomie eines Politskandals“, Arte, 22 Uhr 35).

Hintergrund ist die sogenannte Affäre „Lava Jato“, was soviel heißt wie Hochdruckreiniger. Ihren Namen verdankt dieser Skandal der Waschanlage einer Tankstelle in der Hauptstadt Brasilia, die als Umschlagplatz für Schmiergelder diente. Aufgedeckt wurde hier ein ausgetüfteltes Korruptionssystem: Aufträge des halbstaatlichen brasilianischen Erdölkonzerns Petrobras wurden von privaten Baukonzernen ausgeführt. Und zwar zu überhöhten Preisen. Die dabei abgeschöpften Mehreinnahmen teilten Politiker mit zwielichtigen Unternehmern und Petrobras-Mitarbeitern untereinander auf.

Um diesen Filz aufzurollen, wurden im Rahmen eines gigantischen Anti-Korruptionsprozesses seit 2014 mehr als tausend Gerichtsverfahren durchgeführt. Über hundert Spitzenpolitiker und Manager kamen dabei hinter Gitter. Im Strudel der Ereignisse wurden zahlreiche Firmen insolvent.

Hat Lula da Silva von all dem nichts gewusst? Das oberste Gericht, das ihn frei sprach, sagt darüber nichts. Dabei gilt es als wahrscheinlich, dass der frühere Präsident der „Pate“ einer Polit-Mafia war. Diese habe sich bereichert und mit dem ergaunerten Geld die Macht der Arbeiterpartei PT zementiert.

Außerdem ist Lulas Anwalt abgehört worden

Die Beweise gegen Lula reichten jedoch nicht aus. Also half die Justiz nach. Geleakte Telegram-Chatverläufe, die „The Intercept“ 2019 zugespielt wurden, belegen offenbar, dass der Richter Sergio Moro die Beweisaufnahme manipuliert hatte. Moro, der unter Bolsonaro später zum Justizminister ernannt wurde, habe den Prozess durch „Absprachen mit Kronzeugen aktiv in eine Richtung gelenkt“. Außerdem ist Lulas Anwalt abgehört worden.

Der Film dreht daher den Spieß um. Es vertritt die These, dass es sich bei „Lava Jato“ um einen korrupten Antikorruptionsskandal handelte. Erhält Lula, der in Brasilien wie ein Popstar verehrt wird, am Ende einen Persilschein?

So deutlich spricht es der Film nicht aus. Zweifelsfrei ist nur eines: Der Prozess gegen den linken Spitzenpolitiker wurde offensichtlich manipuliert. Seine Rehabilitierung behält dennoch einen faden Beigeschmack. Maria Ramos nutzt die vielstimmige und komplexe Argumentation ihres Films auch, um den eigentlichen Sachverhalt – nämlich den gigantischen Korruptionsskandal – klein zu reden.

Das halbstaatliche Unternehmen Petrobras war auf dem besten Weg, der fünftgrößte Energiekonzern der Welt zu werden. Dank reichhaltiger Bodenschätze träumte man in Brasilien bereits davon, ein zweites Norwegen zu werden. „Dieser Erfolgszyklus wurde 2014 durch die Operation Lava Jato unterbrochen“. Führte also die Aufklärung dieses Skandals geradewegs in eine wirtschaftliche Rezession?

Man verliert schon mal den Faden in dieser verwickelten Dokumentation. Vor Augen geführt wird ein Korruptionssystem, das tief verwurzelt ist. Und zwar so tief, dass man in Brasilien zahlt, obwohl man zuweilen gar nicht mehr weiß, wofür. Das Ausmaß dieses verzweigten Kartells aus Politik, Wirtschaft und Schmiergeldzahlungen hat der brasilianische Regisseur José Padilha in seiner Netflix-Serie „O Mecanismo“ minuziös aufgedröselt. Mit ihrem Fokus auf die Rehabilitierung Lulas erscheint Maria Ramos’ Film dagegen etwas einseitig. Interessant ist diese sperrige Dokumentation dennoch.

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