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„Schwiegermutters Liebling“ ist Kai Pflaume. Mit Ecken und Kanten ist er bisher nicht aufgefallen. Das wird sich auch nicht ändern, wenn er am 14. Oktober seine neue Familienshow „Drei bei Kai“ im Ersten startet. Foto: ARD

© ARD/Frank P. Wartenberg

Porträt: Vom Ich zum Wir

Kai Pflaume ist ein TV-Allzweckmoderator, er selbst sieht sich als Gastgeber. Dieser Unterhaltungsaufgabe geht er nun in der ARD nach.

Es ist eine Geste, die Kai Pflaume besonders gut beherrscht. Wenn ein Fan ihn fotografieren will, nimmt er ihm die Kamera aus der Hand und stellt sich genau neben ihn. Dann dreht er den Fotoapparat in seine Richtung, eine Armlänge von beiden entfernt, und drückt auf den Auslöser. Das Erinnerungsbild wird den Fan später zusammen mit dem Moderator zeigen. Vom Ich zum Wir – das ist die Geste.

Kai Pflaume, braun gebrannt, steht hinter einem weißen Tisch und signiert Autogramme. Für ältere Frauen, für junge Frauen, für Männer, für Kinder. Die Schlange ist lang. Der Moderator signiert ruhig und geduldig, fragt nach Namen, schreibt Grüße und lässt sich von einem Pulk pubertierender Mädchen in die Mitte nehmen. Kai Pflaume ist eigentlich schon ein Oldie im Fernsehgeschäft, einer der weiß, wie wichtig es ist, die Kundschaft zu pflegen und bei Laune zu halten. Jedem, dem er seinen Namen auf ein Bild von ihm schreibt, schenkt er ein Lächeln. Kein Fernsehstarlächeln, viel bescheidener, so als würde er noch immer nicht glauben, dass es wirklich auch um ihn geht, wenn die Leute ein Autogramm von ihm wollen. Und irgendwie geht es diesmal nicht um ihn, oder anders gesagt, es geht um seine neue Position, seinen neuen Sendeplatz. Kai Pflaume ist nicht mehr der Showmatador von Sat 1, er ist jetzt ein Gesicht der ARD. Er moderiert das „Star Quiz“, die Spielshow „Klein gegen groß“, ab 14. Oktober das Familienquiz „Drei bei Kai“, ab Ende Oktober die Unterhaltungsshow „Wer ist der klügste Deutsche“. Er ist der neue Allesmacher im Showbetrieb des ersten Programms, der Mann nach Jörg Pilawa.

„Kennste den?“, fragt ein 16-jähriges Mädchen ihren Kumpel, als sie am Autogrammstand vorbeilaufen. „Das ist der von „Nur die Liebe zählt“. Kannste nich mal fragen, ob er jemanden für mich findet“? 18 Jahre lang, von 1993 bis 2011, hat Kai Pflaume auf Sat 1 diese Show moderiert. Er hat dort Menschen, die sich lange nicht gesehen hatten oder nichts mehr voneinander wollten, zueinandergebracht. Er war der Pate von Liebesbotschaften und Heiratsanträgen. Über 100 Ehen soll seine Sendung hervorgebracht haben. Und mehr als 50 Babys. „Die Sendung ist ein wunderbarer Teil meiner Fernsehgeschichte“, sagt Kai Pflaume, „ich habe viele berührende, emotionale Momente erlebt. Ich glaube, das wird mich bis an mein Lebensende begleiten.“ Nach wie vor, erzählt er, werde er von vielen Fernsehzuschauern angeschrieben, ob er nicht hier und da etwas tun könne. Dass jemand Stress mit seiner Freundin habe, und nun die Hilfe von „Nur die Liebe zählt“ bräuchte. „Das ist ja jetzt nicht so, dass allen Leuten auf einmal klar ist, dass es die Sendung mit mir nicht mehr gibt“, meint er.

Kai Pflaume ist ein sympathischer Mensch, unaffektiert und aufmerksam. Er begegnet den Menschen ohne Vorurteil und mit Respekt, damit zieht er sie auf ihre Seite und macht sich zugleich unangreifbar. Sein Internetportal pflegt er selbst, er chattet mit seinen Anhängern, ruft sie zu Fotowettbewerben auf, stellt eigene Bilder hinein und Reiseberichte. Er ist mit seinem Publikum im ständigen Kontakt, er lädt die Fans, wenn auch nur virtuell, zu sich ein, um nicht von ihnen gejagt zu werden.

Kai Pflaume ist einer, der allen das Gefühl gibt, bei ihm in den richtigen Händen zu sein, der lieber vermittelt, statt auszustechen. Es ist noch niemand von ihm in einer Sendung gedemütigt worden, er hat sich auch noch nie über jemanden lustig gemacht. „Ich sehe mich vor allem als Gastgeber“, sagt er. „Man kann mich auch als Moderator oder Showmaster bezeichnen, aber ich präsentiere zuallererst Gäste in einer Sendung. Und ich möchte, dass die Gäste gut aussehen dabei. Und sie sollen auch hinterher noch gut aussehen, so dass sie ihr Leben weiterleben können, wie sie das zuvor auch getan haben.“ Für manche gilt er wegen seiner unprätentiösen und wohlwollenden Art als „Schwiegermutter-Liebling“ oder als „Allzweckwaffe“ unter den Moderatoren. Er selbst versucht das eher positiv zu sehen: „Wenn man heute das Wort ,Allzweckwaffe’ hört“, sagt er, „dann ist das ein Klischee, aber auch ein verstecktes Kompliment. Weil es verheißt, dass jemand unterschiedlich einsetzbar ist und verschiedene Sachen machen kann.“

1967 wurde Kai Pflaume in Halle geboren, in Leipzig ist er aufgewachsen. Mit zwei Jahren klemmte er sich am rechten Zeigefinger die Kuppe in einer Tür ab, noch heute hält er beim Schreiben den Stift zwischen Mittel- und Ringfinger fest. Er wurde mit den Unterhaltungsshows von Hans-Joachim Kuhlenkampff, Wim Thoelke, Rudi Carrell und Hans Rosenthal groß, aber damals dachte er noch nicht daran, dass er diesen Weg einmal gehen würde. Er war kein Klassenclown und kein Alleinunterhalter, sondern einer, von dem man sich einen Rat holte. 1989 verließ er über Ungarn die DDR, ging nach Frankfurt am Main, machte eine Ausbildung zum Wertpapierkaufmann und wurde mit 24 Jahren als Kandidat für Rudi Carrells Sendung „Herzblatt“ ausgewählt. Er saß im geschniegelten Jackett mit Bürstenhaarschnitt und Silberkreole im Ohr auf einem der Hocker hinter der Trennwand. Auf die Frage von Rudi Carrell, warum er sich ausgerechnet die Stadt Frankfurt am Main als neues Zuhause ausgesucht hat, antwortete er damals: „Wenn schon Kapitalismus, dann an der Quelle.“ Das brachte ihm seine ersten Lacher ein. Wie man Leute unterhalten kann, hatte Kai Pflaume an der Börse gelernt. Kaufen und Verkaufen. „Der Parketthandel hat schon etwas mit dem Showgeschäft zu tun“, sagt er, „dort habe ich meine ersten Erfahrungen in diesem Business gesammelt, da wird ja auch teilweise gespielt.“ Man kann ihn sich gut vorstellen, wie er im Anzug schneidig etwas vorgab, was am Ende gar nicht den Tatsachen entsprach. Kai Pflaume sagt, dass er nie schlecht schlafe vor einem Auftritt. Und dass er nie Lampenfieber bekommt. Er schreibt sich keine Karten für die Gäste, er trägt keinen Knopf im Ohr, er liest nicht vom Teleprompter ab. Er arbeitet komplett frei, und diese Leichtigkeit, meint er, liege einfach in seinem Naturell. Als man 1993 bei RTL einen Moderator suchte, wurde er sofort genommen. Das war der Beginn von „Nur die Liebe zählt“, die Sendung wechselte erst 1995 zu Sat 1.

Die klassische Familienunterhaltung war sein Metier von Anfang an. Es gibt wenige im Showgeschäft, die sich ihrer Rolle so bewusst sind. „Für heutige Verhältnisse mag das ein wenig traditionell sein, was ich darstelle, weil man sich damit für Werte starkmacht, die nicht im zentralen Blickfeld stehen. In der schrillen, bunten Welt kann das mitunter ein bisschen konservativ rüberkommen“, erklärt er. Aber an der Börse hat er gelernt, dass man das, was man tut, aus der Sicht von anderen sehen muss. „Ich mache ja die Unterhaltung nicht primär für mich, sondern für den Zuschauer“, sagt er. Kai Pflaume wird auch in den neuen Sendungen ein fairer Gastgeber sein, höflich, dezent, glaubwürdig, kein Prahlhans, kein Marktschreier. Zwanzig Jahre ist es her, dass er bei „Herzblatt“ seinen Einstand gab, das war Mitte Oktober, an einem Freitag kurz vor Sieben. Auf dem gleichen Sendeplatz startet er nun mit „Drei bei Kai“, einem Quiz mit drei Familien aus drei Generationen. Er möchte, so wie es früher einmal war, dass alle vor dem Fernseher zusammen sitzen bleiben: Die Kinder, die Eltern und die Oma. Er nennt es das Lagerfeuergefühl.

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