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Die Wiesenschaumzikaden, so nennt sich der zusammengewürfelte Basketball-Haufen mit Antonia Riet, Wotan Wilke Möhring, Matthias Sander, Jochen Riemer, Tanino Camilleri, Jonas Relitzki und Nico Michels (v. l. n. r.).

© RTL/Tom Trambow

Situationskomik statt Betroffenheit: „Wiesenschaumzikaden“ zum Verlieben

Der Vox-Film „Weil wir Champions sind“ adaptiert eine spanische Kinokomödie um ein inklusives Basketballteam.

Ein Film, in dem eine Figur mit Beeinträchtigung auch von einem Schauspieler oder einer Schauspielerin mit Beeinträchtigung gespielt wird, ist noch längst keine Selbstverständlichkeit. Für die Komödie „Weil wir Champions sind“ wurde dieses seltene Besetzungsprinzip gleich in Teamstärke realisiert. „Vier Monate Scouting und 250 Sichtungen in Behindertenwerkstätten, -sportvereinen und Inklusionstheatern“ sowie ein zweimonatiges Casting seien nötig gewesen, teilt RTL mit, um die sieben Männer und eine Frau zu finden, die als inklusives Basketballteam das komische Zentrum des Vox-Films bilden. Die außergewöhnliche Aufgabe meisterte die Castingagentur „Die Besetzer“ von Iris Baumüller, die bei der Suche nach jungen oder unerfahrenen Darstellern einige Erfahrung hat, siehe „4Blocks“ oder „Club der roten Bänder“.

Nun spielen die körperlich oder geistig beeinträchtigten Menschen zwar auch in diesem Film nur Nebenrollen. Diese sind aber in mehrfacher Hinsicht untypisch für die deutsche Film- und Fernsehlandschaft: Es sind, nicht nur im sportlichen Sinn, aktive Figuren, die mit ihren Einschränkungen selbstverständlich umgehen und als Team ohne Konkurrenzneid geradezu eine Vorbildfunktion ausüben.

Im Wesentlichen sind sie wie alle Menschen mit verschiedenen Eigenschaften gesegnet, und ein kurzer Info-Block stellt ihr eigenständiges Leben auch jenseits des Hobbys Basketball vor. Dafür, dass hier Betroffenheit durch Situationskomik und Dialogwitz ersetzt wird, nimmt man auch den einen oder anderen erkennbar ausgedacht klingenden Satz in Kauf. Vorurteile werden auf den Kopf gestellt. Hier jammert nur, wer „nicht behindert“ ist.

[„Weil wir Champions sind“, Vox, Mittwoch, 20 Uhr 15]

Die „Wiesenschaumzikaden“, wie sich der zusammengewürfelte Basketball-Haufen nennt, muss man auf den ersten Blick ins Herz schließen. Wobei sich, zugegeben, anfangs bei dem vorurteilsbehafteten Betrachter auch der Gedanke einstellt: Können die überhaupt mit dem Basketball umgehen? Antwort: mehr oder weniger, aber das ist nun gerade nicht das Wesentliche.

Man sieht große und kleine, dicke und dünne Menschen. Zwei haben das Downsyndrom, einer trägt einen Kopfschutz, anderen merkt man erst beim Sprechen an, dass ihre geistigen Fähigkeiten eingeschränkt sind. Mit Verspätung, aber umso größerer Wirkung stößt die einzige Frau zum Ensemble, was das männliche Übergewicht etwas mindert. Wobei: Krafzik (Antonia Riet), kleinwüchsig und ebenfalls mit Trisomie 21 (Downsyndrom) auf die Welt gekommen, ist eigentlich die männlichste Figur des Films, ein derbe fluchendes Kraftpaket – auch das eine Umkehr herrschender Vorstellungen.

Wenn die „Normalen“ die „Bekloppten“ sind

Wesentlich ist natürlich, dass in einer solchen Komödie die vermeintlich „Normalen“ die eigentlich „Bekloppten“ sind. Der Anti-Held, der einer Läuterung bedarf, ist Andreas Ellgut (Wotan Wilke Möhring). Nach Handgreiflichkeiten mit seinem Chef fliegt der Co-Trainer aus dem Bonner Bundesligateam, besäuft sich in einer Bar, lädiert auf der Heimfahrt ein Polizeiauto und zeigt null Einsicht. Außerdem hat sich gerade seine Frau (Katharina Schüttler) von ihm getrennt, und der Sohn (Ben Münchow) ist auch nicht gerade begeistert, als der Vater bei ihm Unterschlupf sucht. Dessen Bemühungen, als Schauspieler Fuß zu fassen, hat der Vater mit Nichtbeachtung gestraft. Für Ellgut zählt nur Leistung und harte Arbeit. Und selbstverständlich mokiert er sich über politisch korrekte Sprache und Vollkorn-Ernährung. Möhring hat schon anspruchsvollere Rollen gespielt.

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Die Fallhöhe könnte jedenfalls nicht größer sein, als er von der Richterin (Sabine Vitua) dazu verdonnert wird, die „Wiesenschaumzikaden“ zu trainieren. Die Sache geht vorhersehbar, aber durchaus unterhaltsam ihren Gang. Freilich ist die deutsche Fernsehproduktion „Weil wir Champions sind“ keine originäre Erfindung, sondern eine Adaption des Kinofilms „Campeones“, der 2018 in Spanien einige Preise abräumte. Gerade die herzerfrischende Komik bei der Konfrontation des sozial eingeschränkten Leistungsfetischisten Ellgut mit den recht unterschiedlichen Eigenheiten des Teams wurde zum Teil eins zu eins übernommen. Dafür hat die Liebesgeschichte bei „Campeones“ einen größeren Stellenwert als in der deutschen Adaption, und in der Produktion der Münchener Constantin wird zudem das Finale abgekürzt. Das Happy End, das den Teamgeist und das gemeinsame Erleben feiert, ist aber identisch.

Zwar sind die vielen Basketball-Szenen weder sportliche noch filmische Offenbarungen, aber man fiebert mit diesen Typen, die sich sympathisch unverdrossen allen Herausforderungen stellen. Leider wird die deutsche Fernsehversion mit einer musikalischen Begleitsoße serviert, die (nicht nur) kommerzielle Produktionen bisweilen so austauschbar klingen lassen.

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