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Kunst am Schnee. Diese Menschen in Hamburg, einem Vorort von Buffalo, räumen ihr Auto frei. Viele Menschen starben, weil sie von den Schneemassen eingeschlossen wurden.

© AFP

Schneechaos in den USA: Die weiße Apokalypse

Der Nordosten der USA ist an viel Schnee gewöhnt. Doch für November ist die Lage außergewöhnlich Und jetzt werden Regen und Tauwetter prognostiziert. Es drohen schwere Überschwemmungen.

Mindestens zwölf Todesopfer, mehr als 130 Dächer, die unter der Schneelast einbrachen, gesperrte Highways und geschlossene Schulen: Die Region Buffalo im US-Staat New York erlebt – noch vor dem kalendarischen Winterbeginn – einen Wintereinbruch, der in ihre Geschichte eingehen wird. Nach drei Tagen Schneefall drohte am Wochenende neues Ungemach: Regen und Tauwetter, die zu Überschwemmungen führen können und die auf den Dächern ruhende Schneelast um viele Tonnen erhöhen.

Die örtliche Zeitung „Buffalo News“ fragt ihre Leser bereits, unter welchem Namen die Schneekatastrophe in die Annalen der 260 000 Einwohner zählenden Stadt und des fast eine Million Bewohner zählenden Bezirks Erie County eingehen soll. „Knife“ (Messer) hatte Mark Poloncarz, Chef der County-Verwaltung, vorgeschlagen, weil der Schneesturm „wie ein Messer in das Herz der Region“ eingedrungen sei. Das ist den „Buffalo News“ nicht fantasievoll genug. Sie bringt „Snowpocalypse“ – also Schnee-Apokalypse – oder „Snowvember“ ins Gespräch, weil er im November über die Region hinwegzog.

Drei Tage lang hatte der Schneesturm Buffalo heimgesucht. In dieser Zeit waren mehr als 200 Zentimeter Schnee gefallen, so viel wie sonst im ganzen Winter und fast so viel wie in Ottawa, der Hauptstadt des „Winterlandes“ Kanada, wo im Durchschnitt 236 Zentimeter Schnee fallen. Erst am Freitag hatte er nachgelassen und den Menschen östlich des Eriesees eine Pause gegönnt, die aber keine Verschnaufpause war. Denn nun musste der Schnee geräumt werden. Bereits am Donnerstagabend, so berichtete die County-Verwaltung am Freitag, waren 24 000 Tonnen – oder 24 Millionen Kilogramm – Schnee mit Lastwagen weggeschafft worden, um wenigstens die Hauptstraßen passierbar zu machen.

Immer noch sind viele Menschen in ihren Häusern eingeschlossen

Die Bilanz bis Samstagmorgen war erschreckend. Mindestens zwölf Menschen sind ums Leben gekommen, die meisten von ihnen durch Herzinfarkt, der sie beim Schneeschaufeln traf. Aber nicht nur das. Mehrere Menschen starben allein in ihren unter Schneemassen begrabenen Autos. Am Freitag wurde ein 50-jähriger Mann tot aus seinem Wagen geborgen. Eine 90 Jahre alte Frau starb, als sie zusammen mit anderen Bewohnern ein Senioren- und Pflegeheim in Cheektowaga, Nachbarstadt von Buffalo, verlassen musste. Vermutlich war der Stress zu viel für die alte, kranke Dame. Das Wohnheim musste evakuiert werden, weil sich das Dach unter der Schneelast verbog und einzustürzen drohte. Eine hochschwangere Frau und ihr Mann blieben auf dem Weg ins Krankenhaus im Schnee stecken. Sie hatten Glück: Sie wurden in ein Feuerwehrhaus gebracht, wo die Frau das Kind zur Welt brachte.

Auch am Samstag waren noch zahlreiche Menschen in ihren von Schneewänden umgebenen Häusern eingeschlossen. Befürchtet wurde, dass in Autos weitere Todesopfer entdeckt werden könnten. Hunderte Gebäude werden überwacht, um bei Anzeichen von Gefahr Evakuierungen zu veranlassen. Von 30 „größeren“ Dacheinstürzen berichteten US-Medien, vor allem auf Farmen und an Häusern mit Flachdächern. Hinzu kämen bis zu 100 „geringere“ Einstürze.

Buffalo hat in der Vergangenheit schon oft heftige Schneefälle erlebt, aber kaum einen so wie diesen. Die Schneefallregionen sind lokal eng begrenzt und Folge des „Lake Effect“. Während auf Buffalo der Schnee niederging, blieb die kanadische Millionenstadt Toronto davon weitgehend verschont. „Anhaltend kalter Wind vom Westen und die Lage der Großen Seen ist dafür verantwortlich“, erläutert Peter Kimbell, Meteorologe des kanadischen Umweltministeriums.

Der Eriesee ist 388 Kilometer lang und maximal nur rund 90 Kilometer breit. Über die langgezogene Wasserfläche zog der eisige Wind. Die minus 13 Grad kalten Luftmassen kamen in Kontakt mit dem relativ warmen Wasser, „warm, nicht zum Schwimmen, aber deutlich wärmer als die Luft, mit etwa vier bis sechs Grad“, erklärt Kimbell. Die Luft nimmt Feuchtigkeit auf, steigt auf und entlädt sich am Ende des Sees mit einem heftigen Schneefall.

Jetzt dreht sich der Wind. „Wir erwarten einen warmen Wind aus Südwesten, der Regen bringen wird“, sagt der Meteorologe. Der Schnee kann wie ein Schwamm Wasser aufsaugen und das Gewicht, das auf den Dächern liegt, noch erhöhen. Der Temperaturanstieg auf 10 Grad wird den Schnee schmelzen lassen. „Wir hatten noch nie so viel Schnee und wir hatten noch nie eine so starke Schmelze in kurzer Zeit“, sagt New Yorks Gouverneur Andrew Cuomo. Er fordert die Bürger auf, zu Hause zu bleiben, auch wenn einige Straßen wieder passierbar sind. „Jetzt ist nicht die Zeit herumzufahren, wenn es nicht unbedingt notwendig ist. Bleibt in euren Häusern“, lautet der Appell des Gouverneurs.

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