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Folterskandal: Gewalt im Gefängnis – Alltag

Der Folterskandal in einer Jugendhaftanstalt bei Dresden offenbart, dass die Behörden die Lage nicht unter Kontrolle haben.

Nach Bekanntwerden des Folterskandals im Jugendgefängnis Regis-Breitingen bei Dresden wird deutlich, dass dort Misshandlungen und Gewalt unter den Häftlingen zum Alltag gehören. Am Montag hat sich erstmals auch der zuständige sächsische Justizminister Geert Mackenroth (CDU) zu Wort gemeldet. Mackenroth sagte am Dienstag in Dresden, der bislang „sehr liberale Aufschluss“ in der erst 2007 eröffneten Anstalt sei abgeschafft worden. Die Insassen hätten sich während der Aufschlusszeiten bislang „weitgehend frei“ auf drei Etagen bewegen können. Darin sei eine wesentliche Ursache für den Vorfall zu sehen.

Neun zur Tatzeit 15 und 24 Jahre alte Häftlinge sollen im April und Mai 2008 einen 18-jährigen Mithäftling mit heißem Wasser und einem Besenstiel misshandelt, mit Hakenkreuz und SS-Runen beschmiert haben. Zudem sollen sie versucht haben, ihn in den Selbstmord zu treiben. „Als dies nicht gelungen sei, hätten sie erfolglos versucht, ihr Opfer zu erdrosseln“, berichtet Schreiner. Über die Zulassung der Anklage gegen die Täter werde zeitnah entschieden, sagte eine Justizsprecherin.

Da in Regis der Wohngruppenvollzug von zwölf Häftlingen angewandt wird, muss davon ausgegangen werden, dass möglicherweise fast eine ganze Häftlingsgruppe das Opfer misshandelt hat. Ein Sprecher der Leipziger Staatsanwaltschaft sagte, er könnte ausschließen, dass Täter und Opfer heute noch in ein und derselben Anstalt untergebracht seien. Die späte und spärliche Bekanntgabe der Tat begründete er mit den langen Ermittlungen und dem jungen Alter der Täter. Zudem habe keine Gefahr für die öffentliche Sicherheit bestanden.

Offensichtlich kommt es in Sachsens einzigem Jugendgefängnis immer wieder zu Gewalt unter den Häftlingen. Auch wenn es für die Gefängnisseelsorgerin Hannelore Teubner „überhaupt nicht ersichtlich“ gewesen war, dass einem Gefangenen ein solches Martyrium bereitet wird, erfuhr sie von ähnlichen Vorkommnissen. „Wir haben die Tat in unseren Gesprächsrunden ausgewertet. Danach kam der eine oder andere und erzählte, redete mit mir. Er bat mich aber eindringlich, es nicht weiterzusagen“, sagte die Theologin. Ähnlich nah dran am Geschehen ist Gefängnisarzt Frank Becker. Der Mediziner ist – obwohl im Ruhestand – im Gefängnis immer noch aktiv. „Weil sich niemand anderes fand“, hat er dreimal in der Woche Sprechstunde in der Haftanstalt. Und er sieht die blauen Flecken und Blutergüsse, die die Häftlinge meist damit erklären, „dass sie aus dem Bett gefallen sind“. Becker, auch langjähriger Stadtrat in Regis, erkennt natürlich, dass die Blessuren Folgen von Gewalt sind. Das komme regelmäßig vor und gehöre in einer gewissen Weise zum Knast dazu wie das Rauschgift, dass sich bei Untersuchungen von Gefangenen immer wieder nachweisen lasse. Becker: „Das sind junge Leute, und wenn sie hier landen, sind sie eben oft auch aggressiv.“

Das bestreitet die stellvertretende Anstaltsleiterin Claudia Ramsdorf nicht. „Wenn Verletzungen bei Gefangenen festgestellt werden, sind wir bemüht, sie sofort einem Arzt vorzustellen.“ Bei Verdacht auf Straftaten gebe es Anzeigen, was die Opfer nicht zwingend selbst machen müssten. Allerdings räumt Ramsdorf ein, dass auch Straftaten vertuscht würden, weil die Opfer Angst hätten. Zwar sei die Anstaltsleitung bemüht, den Betrieb so weit wie möglich unter Kontrolle zu haben, aber selbstredend gebe es Zeiten, in denen die Vollzugsbeamten nicht da seien.

Dabei leide die Anstalt keineswegs unter Personalmangel, sagte die stellvertretende Anstaltschefin. 330 Strafgefangenen stehen 211 Mitarbeiter gegenüber. Hinzu kämen Sozialarbeiter und Therapeuten.

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