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In der Eisdiele in Rom: Eine Verkäuferin bietet die typische Waffel mit verschiedenen Geschmacksrichtungen an.

© Mauritius Images/Boaz Rottem/Alamy

Stolzer Preis für kaltes Eis: Teures Zuckerschlecken

Die Italiener müssen mehr für ihr geliebtes Gelato zahlen. Dabei handelt es sich hier um ein Kulturgut.

Schon beim Anblick der farbenprächtigen Auslage läuft einem das Wasser im Munde zusammen: Akkurat präsentiert locken in der Gelateria von Filippo Fiorelli in Sperlonga die verschiedenen „gusti“ (Geschmäcker) die Touristen an. In Dunkelrot das di Gelati ai frutti di bosco (Waldbeeren), in Orange der Melonengeschmack, in Grün das Pistazieneis, in Weiß das von Paolo Conte besungene Gelato al limone (Zitroneneis), in Dunkelbraun das Schokoladeneis, und natürlich in Gelb das vaniglia (Vanille).

Ein mediterraner Traum: Fiorellis Gelateria liegt an der großen Piazza des beliebten Badeorts südlich von Rom, direkt am Meer, mit Blick auf die Halbinsel Circeo und auf die drei pontinischen Inseln Ponza, Palmarola und Ventotene. Der kleine Familienbetrieb hat sich in den letzten Jahren kaum verändert. Anders als die Preise.

Der Eishändler entschuldigt sich

Ein „cono con due gusti“, die italienische Standard-Portion mit zwei verschiedenen Eissorten, die kunstvoll auf ein kegelförmiges Biskuit gespachtelt werden, kostet nun 2,50 Euro. Das ist gemessen an der Qualität immer noch nicht viel, aber 50 Cent mehr als letztes Jahr. Das entspricht einer Steigerung von immerhin 25 Prozent. Filippo Fiorelli entschuldigt sich: „Wir mussten die Preise anheben, weil alles teurer geworden ist: die Milch, der Zucker, der Strom für die Eismaschinen.“ Und in Rom begännen die Preise für ein „cono“ ja längst bei drei Euro.

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Das stimmt – aber die Preise der Gelati sind in Italien weit überdurchschnittlich und auch weit über die Inflationsrate hinaus gestiegen, wie der Kleinbauernverband Coldiretti, der die meisten Zutaten für die Köstlichkeit produziert, errechnet hat. Im Vergleich zu 2019, dem letzten Jahr vor der Pandemie, seien die Gelati im Durchschnitt 28 Prozent teurer geworden.

Die insgesamt 40000 Eisdielen in Italien sind wichtige Abnehmer für die Bauern: Sie verarbeiten pro Jahr immerhin 220 Millionen Liter Milch, 64 Millionen Kilo Zucker und tausende Tonnen von Früchten aller Art. Mit einem Gesamtumsatz von rund drei Milliarden Euro und 170000 Beschäftigten sind die Eisdielen ein Wirtschaftsfaktor. In dieser Rechnung sind nur die „Gelaterie artigianali“ berücksichtigt, also Kleinbetriebe wie jener von Fiorelli, die ihr Eis selber herstellen. Rechnet man noch das Eis aus den Supermärkten dazu, das von den Traditions-Gelaterien verächtlich als „Industrie-Eis“ bezeichnet wird, steigt der Jahresumsatz auf acht Milliarden Euro.

Handgemacht oder Industrieware? Ein großer Unterschied

Die Unterschiede zwischen „Gelato artigianale“ und Supermarkt-Eis sind in der Tat beträchtlich. Weil die Gelaterien ihr Eis täglich frisch und in kleinen Mengen herstellen, können sie auf Konservierungsmittel und andere Chemikalien verzichten. Außerdem enthält ein „Gelato artigianale“ viel weniger Luft als das „Industrie-Eis“: Der Anteil beträgt zehn bis 20 Prozent, während er bei den Supermarkt-Produkten meist bei rund 40 Prozent liegt.

Gelati – das Wort bedeutet einfach „gefroren“ beziehungsweise „Gefrorenes“ – sind in Italien Teil des Lebensstils und des nationalen Kulturguts, ähnlich wie Pizza und Pasta. Die Heimat der Gelati ist Sizilien, wo die Eis-Tradition fünfhundert Jahre zurückreicht. Die Zuckerbäcker aus Catania benutzten das Eis und den Schnee des Ätna, den sie im Winter in großen Mengen in die Stadt schafften und in mit Holz verkleideten Höhlen und Gruben lagerten. Indem sie den Schnee mit Salz versetzten, erreichten sie Temperaturen von bis zu minus 25 Grad.

Die „Bibel“ der Gelati-Zuckerbäcker wiederum hat ein Schweizer geschrieben: Der unlängst in Catania auf Sizilien verstorbene Luca Caviezel verfasste 1986 des Standardwerk „Scienza e tecnologia del gelato artigianale“ („Wissenschaft und Technologie des hausgemachten Gelato“) in welchem erstmals systematisch die fachgerechte Herstellung der kalten Süßspeisen beschrieben wird. Der Sohn eines armen Auswanderers aus den Bündner Bergen wurde dafür Ehrenbürger von Catania und später zum „Cavaliere del Lavoro“, zum Ritter der Arbeit geschlagen.

Ein ritterliches Vergnügen

Mit Hilfe von Caviezels Opus Magnum ist das „Gefrorene“ in vielen Gelaterien Italiens zu einer Kunstform erhoben worden. Die „Gelateria Della Palma“ in Rom zum Beispiel bietet 150 Sorten an, alle hausgemacht. Hier ist alles zu haben: seidenes Sahneeis, fruchtig-frisches Sorbet, leichtes Joghurt- und glutenfreies Eis.
In Bologna gibt es sogar eine „Gelato University“, gegründet vom Eismaschinen-Hersteller Carpigiani. Dort werden jedes Jahr Tausende aus der ganzen Welt in die Geheimnisse des „Gelato artigianale“ eingeweiht. Und können anschließend ihre eigene Gelateria aufmachen, wenn es ihnen in der Eisdiele um die Ecke zu teuer wird.

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