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Sven Lehmann ist seit zwei Jahren als Queerbeauftragter des Bundesregierung im Amt.

© imago/photothek/IMAGO/Kira Hofmann/photothek.de

Queerbeauftragter: Sven Lehmann fordert mehr Tempo bei gesellschaftspolitischen Vorhaben

„Für eine offene Gesellschaft ist die Ampel die bestmögliche Koalition“: Sven Lehmann fordert von den Koalitionsabgeordneten noch mehr Entschlossenheit bei der Umsetzung queerer Projekte.

Sven Lehmann, der Queerbeauftragte der Bundesregierung, fordert, gesellschaftspolitischen Reformen wie eine Modernisierung des Familien- und Abstammungsrechts schneller umzusetzen. „Wir brauchen mehr Tempo, mehr Entschlossenheit, um die im Koalitionsvertrag gegebenen queerpolitischen Versprechen einzulösen“, schreibt Lehmann in einem Brief an alle Abgeordneten der Ampel-Koalition.

Die Koalition vereine ein liberales Gesellschaftsverständnis: „Für eine freie und offene Gesellschaft ist die Ampel die bestmögliche Koalition.“

Für eine freie und offene Gesellschaft ist die Ampel die bestmögliche Koalition.

Sven Lehmann, Queerbeauftragter der Bundesregierung

Der Brief liegt dem Tagesspiegel vor, Anlass des Schreibens ist das zweijährige Amtsjubliäum Lehmanns. Die Position eines Queerbeauftragten richtete die Bundesregierung damals zum ersten Mal ein.

Lehmann würdigt darin auch das bisher Erreichte. Er nennt etwa Gesetze gegen Hasskriminalität, ein Ende der Diskriminierung bei der Blutspende sowie den erstmals aufgestellten Aktionsplan „Queer Leben“. „Queerpolitisch haben wir bereits zur Halbzeit mehr angepackt und umgesetzt als alle Regierungen zuvor“ – auch gegen Widerstände und trotz der aktuellen Krisen.

Jetzt komme es aber auf die kommenden zwölf Monate an, die hochgesteckten Erwartungen an die Ampel in Sachen Gesellschaftspolitik einzulösen. Er nennt drei zentrale Vorhaben, die umgesetzt werden müssten. Zum einen sei das eine Reform des Familien- und Abstammungsrechts. Bisher würden Regenbogenfamilien, vor allem lesbische Mütter und ihre Kinder diskriminiert, da die Co-Mutter das gemeinsame Kind erst adoptieren muss, bevor sie rechtlich dafür Verantwortung übernehmen kann.

Hierzu hat Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) vor einigen Tagen ein Eckpunktepapier angekündigt, das noch im Januar erscheinen soll. Offen ist, wie weit der Justizminister wirklich gehen will. Dem Bundesverfassungsgericht liegen bereits mehrere Klagen lesbischer Mütter gegen die bestehende Gesetzeslage vor, die den Eintrag einer Co-Mutter als zweites Elternteil direkt nach der Geburt eines Kindes untersagt.

Die beiden anderen großen Vorhaben für Lehmann: Die Verabschiedung des Selbstbestimmungsgesetzes sowie eine Ergänzung des Grundgesetzes, um Menschen vor Diskriminierungen aufgrund der sexuellen Identität zu schützen. Das Selbstbestimmungsgesetz soll die Änderung des Geschlechtseintrags wesentlich vereinfachen und wird seit inzwischen anderthalb Jahren kontrovers diskutiert. Ein Gesetzentwurf liegt dem Bundestag bereits vor, wann darüber final abgestimmt wird, ist aber unklar. „Eine zeitnahe Verabschiedung wäre ein guter und wichtiger Start ins Jahr 2024“, schreibt Lehmann.

Für eine Grundgesetzänderung wäre auch die Zustimmung der Union nötig, was aktuell mehr als fraglich erscheint. LSBTIQ* seien die letzte vom NS-Regime verfolgte Gruppe, die noch keinen expliziten Schutzstaus im Grundgesetz habe, argumentiert Lehmann.

Grundsätzlich gebe es in Deutschland eine hohe Zustimmung zu Grund- und Menschenrechten von LSBTIQ*, schreibt Lehmann weiter: „Die große Mehrheit der Menschen spricht sich für Antidiskriminierung und gleiche Rechte aus.“ Diese Zustimmung sei aber weder selbstverständlich noch stabil. Gerade in Krisenzeiten neigten einige dazu, andere abzuwerten, um sich selbst aufzuwerten. Es gebe Kräfte, die emanzipatorische Errungenschaften und Freiheiten rückabwickeln wollen.

Diesem müsse sich die Ampel entgegenstellen: „Ein Einsatz für LSBTIQ* stärkt auch unsere Demokratie.“ Auch international würden die Partner Deutschlands das erwarten. Akzeptanz von Vielfalt würde mehr Freiheit für alle heißen, schließt Lehmann seinen Brief.

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