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Szene aus dem Film „Framing Agnes“, der trans Biografien in den USA der 1950er Jahre nachzeichnet.

© Xposed Festival

Xposed Queer Filmfestival in Berlin: „Viele queere Personen haben Sehnsucht nach komplexen Geschichten“

Zum 16. Mal findet diese Woche in Berlin das Xposed Queer Filmfestival satt. Ein Gespräch über das Programm mit Co-Kuratorin Merle Groneweg.

Was gibt es in diesem Jahr Spannendes zu sehen?
Wir haben viele Beiträge, die thematisieren, wie man eigentlich Filme macht, wie man Biografien erzählt und die dabei immer wieder das Gebrochene hervorheben. Die Dokumentation „Miguels War“ beleuchtet zum Beispiel die Herausforderungen und Erfahrungen einer Person, die aus dem Libanon nach Spanien zieht.

Der Film nutzt dafür ganz verschiedene Elemente: Interviews, Inszenierungen, Theater und Performances. Auch der Film „Framing Agnes“ arbeitet mit Reenactments, um verschiedene trans Biografien in den USA der 1950er Jahre auf gebrochene Art und Weise zu erzählen – und dabei spannende Fragen rund um Sichtbarkeit und Verletzlichkeit aufzuwerfen.

Das Festival wurde 2006 von Bartholomew Sammut als queere, experimentelle Kurzfilmnacht gegründet. Wie kamen Sie an Bord? 
Ich bin 2015 dazugestoßen und habe anfangs bei allen möglichen Sachen geholfen, etwa beim Einlass oder der Gästeliste. 2016 haben mich Bart Sammut und Michael Stütz, die damals gemeinsam das Festival geleitet haben, gefragt, ob ich auch kuratieren möchte. 2017 habe ich dann die Ko-Direktion übernommen. Ich mag den Community-Charakter des Festivals und dass wir ein Programm haben, das es in dieser Mischung selten gibt, also die Queerness in Verbindung mit den verschiedenen künstlerischen Formen.

Merle Groneweg ist Co-Kuratorin des Xposed Queer Filmfestivals.

© Vincent Wechselberger

Wie ist das gemeint? 
Wir haben sehr wenige klassisch-narrative Filme, sowohl was das Format als auch was den Inhalt angeht: Coming-Out-Stories oder typische Boy-meets-Boy/Girl-meets-Girl-Storys gibt es bei uns selten. Im Mainstream-Kino werden neuerdings zwar auch Geschichten über trans Personen erzählt, häufig allerdings mit einem starken Fokus auf körperliche Transition und den vorherigen Dysphorien. Das ist nicht sehr vielseitig.

[Das Xposed Festival findet vom 26. bis 29. Mai in Berlin statt. Mehr Infos hier]

Was spricht gegen Coming-Out-Geschichten? 
Diese Story wurde einfach schon sehr oft gezeigt. Natürlich ist das sogenannte Coming-Out für viele Personen nach wie vor — auch wenn es eine berechtigte Kritik an dem Konzept gibt — ein einschneidender Moment im Leben oder kann es sein, zumal man sich auf eine Art ja auch häufig immer wieder outen muss. Aber es ist nur ein Aspekt des Lebens. Viele queere Personen haben Sehnsucht nach komplexeren Geschichten, die mehr Aspekte ihres Lebens widerspiegeln.

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Und wie trägt euer Format zu mehr Vielseitigkeit bei? 
Mit dem Fokus auf kuratierte Kurzfilmprogramme können wir viele unterschiedliche Geschichten zusammen in einem 90-minütigen Block zeigen. Das schafft einen Ort, an dem Personen zusammenkommen, die sich sonst vielleicht nicht mehr so häufig begegnen. Heutzutage ist ja Vieles getrennt: die Schwulen hier, die Lesben da und trans/ inter/ nicht-binäre Personen dort. Wir finden es gut, das ein bisschen aufzulösen, auch wenn wir den Wunsch für spezifische Orte natürlich verstehen.

Dass Diversität beim Xposed Festival wichtig ist, sieht man dem Programm an. Ist es schwierig, Filme zu finden, die nicht nur die weiße cis-schwule Perspektive zeigen? 
Ich würde sagen, die Antwort liegt irgendwo dazwischen: Es ist nicht leicht, aber es ist auch nicht wahnsinnig schwer. Einerseits wissen wir, wo wir recherchieren müssen und bei welchen spannenden Festivals wir auf interessante Filme stoßen können. Andererseits gibt es tatsächlich mehr Filme von cis Männern und weißen Personen.

[Dieses Interview ist eine Leseprobe aus dem Queerspiegel-Newsletter des Tagesspiegel, der zweimal im Monat erscheint - hier geht es zur Anmeldung.] 

Was die quantitative Verfügbarkeit von Filmen angeht, gibt es also wirklich ein Ungleichgewicht. Wenn es aber darum geht, welche Filme uns ansprechen, welche wir spannend finden, welche uns bewegen, beschäftigen und herausfordern, dann stellen wir immer wieder fest, dass wir marginalisiertere Formen des Erzählens einfach interessanter finden.

Was sind die Pläne für die Zukunft? 
So wie das Festival läuft, sind wir zu großen Teilen zufrieden. Natürlich wollen wir es noch zugänglicher machen und Repräsentations- und Beteiligungslücken weiter schließen: Mehr Filme aus noch mehr Ländern zeigen ebenso wie mehr Filme von trans, inter und nicht-binären Filmschaffenden. Und wir würden uns sehr über mehr Förderung freuen, denn wir machen das alle zusätzlich zu unseren vernünftig bezahlten Jobs. Das ist eigentlich die größte Herausforderung für die nächsten Jahre. Vom Funding hängt letztlich auch ab, wie viel Geld wir an die Filmschaffenden weitergeben können – und damit queere Filmproduktion insgesamt fördern.

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