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Das Ellerman House ist ein ehemaliger Herrensitz in Kapstadt.

© Ellerman House / Ellerman House

Unsere Hotelkolumne für Kapstadt: Eine Nacht im Ellerman House

Ganz schön exklusiv: Nur 13 Zimmer stehen Reisenden in diesem Herrensitz zur Verfügung. Dafür gibt es eine Sammlung südafrikanischer Kunst und Gin umsonst.

Eine Kolumne von Ulf Lippitz

Manche Häuser haben Geschichte, andere erzählen Geschichten. Das Ellerman House in Kapstadt hat beides. An den Hängen der Bantry Bay, erbaut 1906, gehört das Hotel zu den ältesten Gebäuden der Bucht. Es ist ein dreigeschossiger Kolonialbau, gelegen an der windgeschützten Seite der Hafenstadt, gesegnet mit einem großen Garten und einer atemberaubenden Aussicht. Der Schiffsmagnat Ellerman schaute früher von der säulengeschmückten Veranda auf den Atlantischen Ozean und vergnügte sich an den einfahrenden Frachtern, die seinen Namen trugen.

Dass man damals nur wenige Häuser in dieser Gegend baute, davon erzählen bereits einige Gemälde im Ellerman House. Mehr als 1000 Werke umfasst die Sammlung, zusammengetragen von seinem jetzigen Besitzer, dem Banker Paul Harris, der in den 90er Jahren damit anfing, südafrikanische Kunst zu sammeln, einfach „weil die Museen nicht so gut waren“, sagt Talita Swarts.

Die Kunsthistorikerin führt Gäste des Hauses durch die Sammlung sowie die auf dem Grundstück befindliche Galerie für zeitgenössische Kunst – und zeigt eines der Gemälde von 1910, auf dem die Bucht deutlich zu sehen ist: Damals standen nur zwölf Gebäude in der Umgebung.

Natürlich kann man das Hotel mit seinen 13 Zimmern gedankenlos genießen, am Pool einen Gin & Tonic schlürfen und die manchmal nervenden Schreie der Ibisvögel verwünschen. Oder, wie ein Reisender es gerade tut, sich aus dem 24 Stunden geöffneten Kuchenzimmer ein Stück Cheesecake holen und damit in den Polstern vor dem marmornen Kamin versinken.

Alternativ können Gäste sich in die Bibliothek verdrücken, dem Plätschern des Brunnens vor dem Fenster zuhören, die jahrzehntealten Bände der Encyclopedia Britannica bestaunen, die wie abgewetzte Ziegelsteine aussehen, und durch die Holzlamellen der Jalousie das Wetter beobachten.

Von der Terrasse haben Gäste einen atemberaubenden Blick auf den Atlantik.

© Ellerman House / Ellerman House

Das ist tatsächlich wie ein abwechslungsreicher Krimi und keine permanente Aneinanderreihung von deprimierenden Grautönen, wie sie Berlin im Winter hervorbringt. Im Ellerman House wirft der Himmel ständig Fragen auf: Scheint draußen noch die Sonne? Schiebt sich gerade eine Wolke vom Ozean heran und hüllt die schicken Häuser drum herum in feinen Nebel?

„Wetterumschwung“, sagt der Kellner auf der Terrasse. Tatsächlich: Die App auf dem Smartphone hat die Vorhersage gerade angepasst. Plötzlich erwartet sie acht Grad kühlere Temperaturen als vor einer Stunde.  

Aber das Haus am Hang wäre nur halb so interessant ohne die grandiose Kunst drum herum. Talita Swarts erklärt, dass die Kollektion aus Werken ab den 1820er Jahren bis zur Gegenwart besteht und weiter wächst. Die repräsentativen Räume in der mittleren Etage, die drei Treppenaufgänge und der Flur bilden eigentlich ein kleines Museum, das nur lose dank eines Themas zusammengehalten wird – der Herkunft der Künstlerinnen und Künstler.

Ist der Blick hinaus durch die Fenster eine Momentaufnahme der Gegenwart, ist die Betrachtung alter Werke ein Spotlight in die Vergangenheit. Swarts erklärt anhand der alten Drucke, dass die holländischen Siedler als Erste die Leinwandmalerei ans Kap brachten.

Die meisten waren Lehrer, niederländische Laien aus dem frühen 19. Jahrhundert, die in der alten Heimat vielleicht nie einen Platz an einer angesehenen Kunstakademie bekommen hätten, aber in der neuen Heimat ihre Berufung ausleben konnten.

Das Besondere am Hotel ist die überall im Haus verteilte südafrikanische Kunst.

© Ellerman House / Ellerman House

Nachdem die Briten 1814 Kapstadt eroberten, kamen Forscher wie David Livingstone in der Region an. In seinem Gefolge befand sich unter anderem Thomas Bains, „Botaniker, Anthropologe, Maler – eine etwas einschüchternde Mischung“, gibt Talita Swarts zu. Er zeichnete als einer der ersten europäischen Künstler überhaupt Zulu-Völker. Aber eben nicht mit Mitteln der Übertreibung, „Elefanten neben Tigern“, wie Swarts sagt, sondern einer beinahe wissenschaftlichen Akkuratheit verpflichtet. Die Federn, das Vieh, die Speere sind bis heute bestimmten Landstrichen und Stämmen zuordenbar.

Die Bilder erzählen von der Sehnsucht nach dem perfekten Idyll, das die holländisch-stämmigen Impressionisten suchten. Besonders beeindruckend die pastellfarbenen Traumlandschaften von Pirneef, eine Mischung aus Grand Canyon und feingezeichneter Comicmalerei, direkt hinter dem Klavier – an dem Gäste natürlich spielen dürfen, sollten sie darauf Lust haben. Ist Elton John gerade im Haus?

Zum Hotel gehört auch eine Galerie für zeitgenössische Kunst.

© Ellerman House / Ellerman House

Aber es gab eben auch die schwarzen Künstler, die nach der Einführung der Apartheid in den 1940er Jahren Schwierigkeiten hatten, ihre Kunst auszustellen oder anzubieten. Maler wie Gerald Sekoto, die ins Exil gingen und ihre modernistischen Gemälde schufen. Feministische Künstlerinnen wie Irma Stone waren ebenfalls wenig gelitten im rassistischen Staat. Sie sind Teil der Sammlung, worauf Talita Swarts stolz hinweist.

Künstlerischer Hunger trägt die Gäste auch raus in die Stadt. Kleine Tourenanbieter fahren in Kleinbussen die schönsten Street-Art-Gemälde von Woodstock ab, früher Armenhaus, heute Gentrifizierungsgebiet mit Coffeeshops und Galerien neben Pfandleihern und Möbelwerkstätten.

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Neben der Schiffsanlegestelle für die Fähren nach Robben Island hat der deutsche Manager und Philanthrop Jochen Zeitz vor fünf Jahren ein Silo spektakulär zu einem Museum für moderne Kunst umbauen lassen. Es ist das Komplimentärprogramm zum Ellerman House, die große Werkschau der afrikanischen Diaspora. In den früheren Lagerräumen kommen Bildhauer oder Maler aus Botswana, Mosambik und anderen afrikanischen Staaten zu Wort.

Von Skulpturen bis Gemälden reicht die Palette der Werke.

© Ellerman House / Ellerman House

Auf einem Spaziergang unterhalb des Ellerman Houses sehen Gäste schnell, wie stark sich das Viertel verändert hat. War früher die Lage weiter weg vom Zentrum ein Nachteil, gereicht sie hier den Villenbesitzer zum Vorteil. Gewagte Betonkonstruktionen klammern sich an Felsen, manchmal drei, vier Etagen hoch, immer von blickdichten Mauern oder Hecken abgeschirmt.

Ganz unten rauscht kein Meer, sondern tobt der Ozean. Selbst an warmen Sommertagen wagen nicht zu viele Menschen ein Bad im kühlen Nass. Selten steigt die Wassertemperatur auf mehr als 18 Grad. Granitfelsen liegen wie glatt geschliffene Schildkrötenpanzer am Ufer, die Gischt bricht sich an ihnen mit einer Wut, die niemals nachlässt.

Nur 13 Zimmer hat das Ellerman House.

© Ellerman House / Ellerman House

Zurück im Ellerman House sortieren sich die Gedanken neu. Die Zimmer im alten Herrenhaus protzen noch mit alten Möbeln und engen Fluren, im modernen Anbau kommen helles Holz und lichte Stoffe zu ihrem Recht. Das Bett ist mindestens für eine vierköpfige Familie gedacht, vor der Verandatür wartet ein kleiner Pool, in dem sich das heißgelaufene Kulturköpfchen abkühlen lässt.    

Abends ergeben sich auf dem Rasen die schönsten Gespräche. War früher der Service besser? Geht noch jemand auf Coldplay-Konzerte? Auf einem Wagen stehen zehn verschiedene Gin-Flaschen, die Gäste suchen sich aus, welche Sorte sie am liebsten probieren möchten. Alles ist im Übernachtungspreis inklusive, nur der Wein muss extra bezahlt werden. Das fördert die Kommunikation ungemein.

Ein britisches Paar, beide um die 60, kommt seit Jahren ins Hotel. „Spontane Gespräche mit Fremden“, das finden sie am Haus am besten, deshalb gibt es nur Vornamen, keine vollständigen Biografien. Politik lässt man außen vor. Nur halb im Scherz sagt die nette Engländerin, sie hätte sich in ihrem Leben entscheiden müssen: „Baby oder Businessclass?“ Nun stößt sie mit Longdrinks an, keine Reue, ihr Mann lächelt.

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