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Die smaragdgrüne Krka umfließt die Mauern von Grad Otočec in einer zärtlichen Umarmung.

© Riccardo Lavezzo and Fiorenzo Calosso/Slovenia Info

Schlosshotel Grad Otočec: In der zärtlichen Umarmung des Flusses

Schwäne schnattern, ein Kamin prasselt, Fackelschein weist den Weg ins Gemach. Eine Nacht im Grad Otočec, dem einzigen Wasserschloss Sloweniens.

Es knarzt und knackt. Ob die Brücke wohl hält? Während der Fahrer seinen Kleinbus behutsam über den langen, schmalen Holzsteg steuert, tauschen die Passagiere bange Blicke. Es hilft nix, eine Burg will erobert werden. Und das war schon immer ein abenteuerliches Unterfangen.

Wie in vergangenen Jahrhunderten müssen die Eindringlinge einen breiten Wassergraben überwinden. Rammbock und Sturmleitern können sie jedoch getrost zu Hause lassen. Um Schloss Grad Otočec zu betreten, reichen heute ein gepackter Koffer und ein wenig Mut bei der Anreise. 

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Slowenien ist ungefähr so groß wie Hessen. Doch zwischen den schneebedeckten Julischen Alpen, dem schmalen Streifen Adriaküste, dem Pannonischen Flachland und dem Dinarischen Gebirge mit seinen bizarren Karstformationen thronen mehr als 500 Burgen und Schlösser.

An den Zauber von Grad Otočec kommt keine und keines von ihnen heran. Im dichten Nebel zeichnen sich die Konturen von mächtigen efeuüberwucherten Mauern ab. Darüber Hexenhuttürme und quadratische Zinnen. 

Das einzige Wasserschloss Sloweniens liegt 45 Minuten südöstlich der Hauptstadt Ljubljana. Die ältesten Teile des Komplexes entstanden im 13. Jahrhundert an der wichtigsten Handelsroute zwischen Mittel- und Südosteuropa. In Zeiten der Habsburger Monarchie war das steinerne Bollwerk als Burg Wördl bekannt. Als die Region im Zweiten Weltkrieg von italienischem Militär besetzt war, bauten die Faschisten sie zur Festung aus. 1942 brannten Partisanen das Schloss nieder, bei Kriegsende waren nur Ruinen übrig. 

Eine wechselvolle Geschichte

Dem gepflegten Ensemble sieht man die wechselvolle Geschichte heute kaum noch an. Und so mauserte sich Grad Otočec nach jahrzehntelangem Wiederaufbau zu einem der attraktivsten Boutique-Hotels des Landes. Dessen Beliebtheit vor allem der unwirklichen Lage auf einer kleinen Insel inmitten des Flusses Krka geschuldet sein dürfte.

Lokale Handwerker fertigten das schwere Mobiliar für das Schloss.

© Terme Krka/Slovenia Info

Der smaragdgrüne Wasserlauf schäumt an seiner unterirdischen Quelle gewaltig aus dem Karstgestein, hier aber umfließt er das Schloss in einer zärtlichen Umarmung. Vereinzelte Fliegenfischer schwingen auf der Pirsch nach Bachforellen über tiefen Gumpen ihre Ruten. Neben waghalsigen Biberburgen üben sich Graureiher in Geduld.

Das muss man als Besucher wahrlich nicht. Dafür gibt es rund um das Schloss zu viel zu sehen. Die Region Dolenjska - auf Deutsch: Unterkrain - ist von lieblichen Hügellandschaften mit knallbunten Weinberghäuschen geprägt. Hier findet sich die geschichtsträchtige Künstlerstadt Novo Mesto mit ihren schnuckeligen Galerien.

Nicht weit entfernt liegen die schier undurchdringlichen Urwälder von Kocevje, in denen Braunbären ihr Revier haben. Oder das kleine Örtchen Kostanjevica na Krki, das wegen seiner idyllischen Lage in einer Flussschleife das Venedig Sloweniens genannt wird. Doch all das kann warten bis zum Folgetag.

Vereinzelte Fliegenfischer schwingen auf der Pirsch nach Bachforellen über tiefen Gumpen ihre Ruten. Neben waghalsigen Biberburgen üben sich Graureiher in Geduld.

Hannes Soltau

Hochherrschaftlich durchschreitet man in der Abenddämmerung das mit Fackeln ausgeleuchtete Renaissance-Portal von Grad Otočec aus dem 16. Jahrhundert. Vorbei an aus Marmor gefertigten Medaillons und gusseisernen Wappen. Eine massive hölzerne Tür schwingt auf und gibt den Blick auf einen von Feuerschein erhellten, gepflasterten Burghof frei.

Zwischen den Mauern fühlt man sich wie in einem begehbaren Historienfilm. Die besondere Atmosphäre dieses Ortes inspirierte im 19. Jahrhundert den bedeutenden slowenischen Schriftsteller Ivan Tavcar zu zwei Romanen, in denen das Schloss als Schauplatz diente.

Mittelalter und Moderne vereint

Das Äußere bewahrt mit seinem robusten Mauerwerk den Charme längst vergangener Tage, während das Innere jeglichen Komfort des 21. Jahrhunderts aufweist. Zwischen hohen Decken, steinernen Türbögen und kleinen, wehrhaften Fenstern verknüpfte der slowenische Architekt Jani Voselj bei der Gestaltung der Innenräume geschickt Mittelalter und Moderne.

Kriegerische Antiquitäten, wie Schwerter und Schilde, treffen auf rustikale Holz- und Schmiedearbeiten, die an die Formensprache vergangener Jahrhunderte angelehnt sind. Die 16 Suiten und Zimmer sind behagliche Gemächer, die mit schweren Vorhängen und lederner Wandverkleidung selbst in der günstigsten Kategorie zu fürstlicher Nachtruhe einladen.

Lokale Handwerker fertigten das schwere Mobiliar aus dunklem Kiefern- und Eichenholz eigens für das Schloss. Natürliche Materialien, zusammengehalten durch ein stimmiges Farbkonzept in erdigen und gedeckten Tönen. Dem kalten Gemäuer setzt das Interieur ein wohliges Gefühl der Geborgenheit entgegen.

Ein Aperitif am prasselnden Kamin.

© Terme Krka/Slovenia Info

Im schummrigen Licht der langen Gänge hastet man beinahe an der Nische vorbei, in der sich die zahlreichen prominenten Gäste des Hauses mit Fotos verewigt haben. Der einstige Partisanenführer und jugoslawische Präsident Josip Broz Tito, der ehemalige sowjetische Machthaber Nikita Chruschtschow, die Astronauten der Apollo-11-Mission sowie die beiden James-Bond-Darsteller Roger Moore und Pierce Brosnan. An der kleinen Hotelbar neben dem prasselnden offenen Kamin wacht ein einsamer Ritter in voller Rüstung mit Hellebarde über das Trinkverhalten der Gäste.

Zwischen silbernen Kandelabern, unter holzgetäfelten Decken

Den Aperitif lässt er gerade noch durchgehen. Schon bittet der bärtige Chefkoch Nejc Ban zum Degustationsmenü. Sein Restaurant im Erdgeschoss findet sich im Guide Michelin wieder und ist Mitglied der renommierten Chaîne des Rôtisseurs. Ban legt großen Wert auf saisonale und lokale Zutaten, die aus dem eigens wiederbelebten Schlossgarten und umliegenden Bauernhöfen stammen.

Zwischen silbernen Kandelabern, unter holzgetäfelten Decken serviert er köstlichstes Rehtartar, gegrillte Forelle und Waldpilzsuppe. Dazu ein Gläschen der regionalen Spezialität Cvicek. Der trockene Rotwein ist neben dem toskanischen Chianti der einzige Wein weltweit, der aus roten und weißen Traubensorten hergestellt wird. Also dann: „Na zdravje!“

Auf den Geschmack gekommen, folgen die Gäste gern der Einladung hinüber in die Vinothek des Schlosses, die im Kellergewölbe eines der alten Türmchen untergebracht ist. Unter einem massiven achtarmigen Leuchter, der mit schweren Ketten befestigt ist, preisen die Gastgeber besonders den Tepka-Birnenschnaps an, dessen slowenischer Name Tr’glav übersetzt „Kopfabreißer“ heißt.

Doch bevor im Verlies die Köpfe rollen, eilt man durch das schummrige Mondlicht lieber hinauf ins eigene Gemach. Da wiegen das Rauschen des Wassers und das Schnattern der Höckerschwäne in den Schlaf, dann und wann unterbrochen vom Aufklatschen eines Fischs, der auf seinen nächtlichen Raubzügen aus der Tiefe der Krka schießt.

Einen Augenaufschlag später weckt schon das vielstimmige Zirpen der Vögel entlang des Flusses. Der Duft hausgebackener Brötchen streicht über die Gänge. Zum Abschied eine Runde unter den mächtigen Bäumen des historischen englischen Landschaftsparks, der das Schloss umgibt, eine Viertelstunde von einem Inselende zum anderen.

Belagerung erfolgreich abgeschlossen. Rückzug über die Holzplanken ans Ufer. Nein, erobert hat man Grad Otočec noch lange nicht - aber dafür ist man selbst schon nach einer Nacht von diesem Ort eingenommen.

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