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Der „Wünschewagen“ am Brandenburger Tor.

© Sophie Peschke/Tagesspiegel

Sie erfüllen letzte Wünsche: Zwei Ehrenamtliche über ihr Engagement für sterbenskranke Menschen

Sie erfüllen Sterbenskranken ihren letzten Wunsch: Chris und Hannah sind Wunscherfüller beim Berliner Arbeiter-Samariter-Bund. Ein Video-Porträt.

Oh, ein Notfall am Brandenburger Tor? Für einen Moment schauen Touristinnen und Touristen alarmiert. Denn obwohl das Blaulicht auf dem Dach aus ist, sieht der Wünschewagen ein bisschen aus wie ein Krankenwagen. Die aufgedruckten Sterne und die Aufschrift „Letzte Wünsche wagen“ machen aber schnell deutlich, dass dieses Fahrzeug kein normaler Krankentransporter ist.

Im Video: Unterwegs mit dem Berliner Wünschewagen

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Als Chris, Hannah und Ann-Brit Keck aus dem Fahrzeug aussteigen, kommen die ersten Menschen auf sie zu. Das Interesse ist groß, was es mit diesem Auto auf sich hat. In ihren blauen T-Shirts mit Arbeiter-Samariter-Bund-Logo beantworten die drei erste Fragen.

Der 32-jährige Chris ist Vater von drei Töchtern und Feuerwehrmann. Hannah hat eine Ausbildung zur Rettungssanitäterin gemacht und bereitet sich aktuell auf den Medizinertest vor. In ihrer Freizeit sind die beiden ehrenamtliche Wunscherfüller beim Arbeiter-Samariter-Bund in Berlin. Die beiden stellen sich nur mit Vornamen vor, das sei im Einsatz auch so – „es ist einfach persönlicher“. Keck ist Projektleiterin des Wünschewagens. Gemeinsam mit rund 50 weiteren Ehrenamtlichen erfüllen die drei die letzten Wünsche von sterbenskranken Menschen.

Abschied vom Leben bei der Wunschfahrt

Hannah sitzt am Steuer, Chris auf dem Beifahrersitz neben ihr. An den großen Panoramafenstern des Wagens zieht Berlin vorbei, die Humboldt-Universität, das Rote Rathaus, der Fernsehturm, „Wir holen den Wünschenden von zu Hause, aus dem Krankenhaus oder dem Hospiz ab und fahren gemeinsam los, um einen letzten Wunsch zu erfüllen“, erklärt Hannah. Bei unserem Besuch fahren allerdings nur die beiden Ehrenamtlichen mit, denn meist möchten die sterbenskranken Menschen bei ihrem letzten Wunsch nicht journalistisch begleitet werden.

Bei den Fahrten bekämen die Menschen die Möglichkeit, sich von Familienangehörigen und letztlich auch vom Leben zu verabschieden: „Die Menschen bekommen eine Diagnose und wissen, dass sie nicht mehr lange leben“, erklärt Hannah. Das sei meist lähmend – und auch für Angehörige eine riesige Aufgabe: „Unsere Wunschfahrten helfen dabei, sich mit diesem Gedanken des Abschieds in einem positiven Sinne auseinander zu setzen.“

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Elf Fahrten hat die 22-Jährige bereits begleitet. „Oftmals erfüllen wir auch vermeintlich kleine Wünsche“, sagt sie, „eine Fahrt zurück in die eigene Wohnung zum Beispiel, eine Fahrt zum Essen mit Familienangehörigen oder zu einem Picknick in den Garten.“ Aber auch ins Olympiastadion zu einem Fußballspiel habe sie einen Wünschenden bereits begleitet: „Das war ein ganz besonderer Moment, auch für mich als Wunscherfüllerin.“ Im Sommer gingen die Fahrten oft an die Oststee: „Das ist für viele Berlinerinnen und Berliner etwas ganz Besonderes, noch einmal das Wasser zu sehen.“

22 Wünschewagen gibt es deutschlandweit, in jedem Bundesland mindestens einen. Chris war bisher bei zwei Fahrten als Ehrenamtlicher im Einsatz. „Bei einer ging es an den See. Das war wirklich sehr emotional, weil es für die Familie die letzte Chance war, den Wünschenden zu sehen. Am Ende der Fahrt haben wir ihn zurück ins Hospiz gebracht.“

Oft fließen Tränen, aber das sind ganz oft Freudentränen, Tränen der Dankbarkeit, vielleicht auch Tränen der Trauer.

Hannah, Ehrenamtliche Wunscherfüllerin

„Die Gefühle bei den Wunschfahrten nehme ich immer als sehr tief wahr. Oft fließen Tränen, aber das sind ganz oft Freudentränen, Tränen der Dankbarkeit, vielleicht auch Tränen der Trauer, aber die werden dann in einem sehr positiven Umfeld aufgefangen“, sagt Hannah.

Die Atmosphäre soll möglichst entspannt sein

Chris steigt aus dem Fahrerraum aus und öffnet die Tür zum hinteren Teil des Wünschewagens. Im Innern finden sich eine Liege und zwei Sitzmöglichkeiten: für die Begleitperson und einen der Ehrenamtlichen. Medizinisches Marerial ist in Schränken verstaut, an der Decke leuchten LED-Lämpchen, die einem Sternenhimmel gleichen: „Die Atmosphäre soll möglichst entspannt sein. Der Wünschende soll sich gut fühlen“, sagt Chris.

27
Wünsche wurden in diesem Jahr bereits erfüllt.

Im Jahr 2021 gab es so viele Anfragen wie nie beim Wünschewagen – trotz Corona-Pause. Nach deren Ende wurden in einem halben Jahr gleich 14 Fahrten umgesetzt: „Das war spektakulär“, sagt Projektleiterin Ann-Brit Keck. 2022 konnten bisher 27 Wünsche erfüllt werden, es gab 132. „Die Diskrepanz zwischen erfüllten und angefragten Wünschen erklärt sich so, dass wir oft Fahrten fertig organisieren, die dann nicht angetreten werden, weil der Mensch verstorben ist, zu krank geworden ist oder ihn schlichtweg der Mut verlassen hat, die Pflege- oder Krankeneinrichtung noch einmal zu verlassen.“

Manchmal muss es schnell gehen

.Die Wunschanfragen gehen per E-Mail oder per Telefon bei Keck ein, nicht nur von Angehörigen, sondern vor allem auch von Pflegekräften oder Ärztinnen und Ärzten. „Wir versuchen das dann so bürokratiearm wie möglich zu halten“, erklärt die Projektleiterin. Doch ein paar Informationen, insbesondere zum Gesundheitszustand des oder der Wünschenden, benötigt das Team. „Wir wollen sicherstellen, dass wir die Wunschfahrt sicher umsetzen können.“ Die Organisation liegt dann komplett beim ASB: „Damit möchten wir die Angehörigen auch ein Stück weit entlasten“, sagt Keck.

Deshalb muss ein Fragebogen ausgefüllt werden, mit dem abgeklärt wird, welche Hilfsmittel wie etwa ein Rollstuhl oder Sauerstoff benötigt werden. Zudem braucht Keck einen Arztbrief sowie einen Medikamentenplan. Auch der Zeitrahmen ist wichtig: „Manchmal müssen wir bei unserem Projekt sehr schnell werden, wenn es zum Beispiel heißt, dass der Wunsch aus der gesundheitlichen Situation heraus in den nächsten zwei oder drei Tagen erfüllt werden muss“, sagt Keck.

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Das Engagement im Wünschewagen sei ein Ehrenamt, das man gut neben seinem Hauptjob machen könnte, sagt Keck.. Eine Verpflichtung zu bestimmten Einsätzen gibt es nicht: „Die Ehrenamtlichen werden den Anfragen der Wünschenden entsprechend angefragt und können dann schauen, ob sie Zeit haben oder nicht.“ Das mache allerdings einen großen Pool an Ehrenamtlichen unabdingbar. Manche übernähmen eine Fahrt im Jahr übernehmen, andere zehn .

„Mich macht das stolz“, erzählt Chris, während er am Wünschewagen lehnt. Vor allem die Dankbarkeit der Wünschenden und Familienmitglieder gebe ihm viel Energie. „Wir haben die Chance, wirklich etwas Gutes zu tun und am Ende des Lebens für die Menschen da zu sein. Es ist ein Privileg, das machen zu dürfen“, sagt Hannah.

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