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Dürre in Mexiko: Wo Wasser zum Raubgut wird

Der Norden Mexikos leidet unter der schlimmsten Dürre seit 30 Jahren. Um den Zugang zu Trinkwasser wird in vielen Gemeinden gekämpft.

Die mexikanische Kommunalpolitikerin Perla Villareal hatte umgerechnet 100 Euro bezahlt für einen Zisternenwagen mit 10000 Liter Wasser. Es war bestimmt für die Zisterne in einem Armenviertel der nordmexikanischen Stadt Monterrey, doch der Tanklaster kam nie an. Unterwegs passte ein schwerbewaffnetes Kommando das Fahrzeug ab und leitete es um, wie der auf Kriminalität spezialisierte Blog „Borderland Beat“ am Samstag berichtete. „Es waren 14 Männer, und sie erklärten, dass sie bestimmten, wo das Wasser ausgeliefert werde“, berichtete Villareal.

Die Kämpfe um Trinkwasser in der Industriestadt Monterrey tobt seit Wochen. Tumulte bei der Wasserausgabe und Demonstrationen begleiten die Dürre, die die Stadtregierung seit März zur Rationierung zwingt. Bis zu zwölf Stunden lang bleiben die Leitungen leer. In Armenvierteln gibt es sogar manchmal tagelang kein Wasser, wie lokale Zeitungen berichten. Und das bei bis zu 40 Grad im Schatten. Viele Viertel werden deshalb mit Zisternenwagen versorgt. Statt zu arbeiten, bleiben die Anwohner zuhause, um auf die Anlieferung zu warten.

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Der Preis für einen Tanklaster ist um 25 Prozent gestiegen. Der trockene Norden Mexikos leidet seit Jahren unter immer länger werdenden Dürreperioden. Zwei der drei Stauseen, die sonst zwei Drittel der Wasserversorgung von Monterrey garantieren, sind nahezu ausgetrocknet. Die Behörden sprechen von der schlimmsten Wasserkrise seit 30 Jahren.

Doch nicht allein der Klimawandel ist schuld, ein Teil des Wassers geht durch Lecks in den Leitungen verloren. Nach Angaben des Gouverneurs von Nuevo León, Samuel Garcia, verlor eine der Leitungen 40 Prozent des Wassers auf dem Weg vom Stausee in die Stadt. „Um dieses Leck zu reparieren, mussten wir den Wasserzufluss komplett unterbrechen“, erklärte er.

Vorrang für Menschen vor der Industrie

Die Wut richtet sich auch gegen die Unternehmen, die Konzessionen zur Wasserentnahme haben. „Ich habe sonst immer das Wasser aus dem Hahn getrunken, und jetzt muss ich es teuer von den Firmen kaufen, die das Grundwasser unweit von meinem Haus abpumpen“, kritisierte der Aktivist Jaime Noyola, der vor der Menschenrechtskommission Klage einreichte. Er will, dass künftig Menschen Vorrang vor der Industrie bekommen. „Wir müssen unser Wasser verteidigen, denn es geht um unser Leben.“

Monterrey ist kein Einzelfall. In rund 60 Prozent der Gemeinden Mexikos ist derzeit die Wasserversorgung eingeschränkt. Im zentralmexikanischen Puebla räumte die Polizei gewaltsam eine besetzte Abfüllanlage eines lokalen Ablegers von Danone. Die Anwohner hatten die Fabrik für ein Absinken des Grundwasserspiegels verantwortlich gemacht. In Coahuila stürmten bewaffnete Bauern ein Weingut der Marke Casa Madero. Sie behaupteten, das Weingut verbrauche ihr Wasser, während ihre Kühe verdursten müssen.

Private Wasserkonzessionen werden von der staatlichen Behörde Conagua vergeben. Höchstgrenzen der Entnahme werden oft großzügig angesetzt oder nicht überprüft. In Monterrey verfügt die Industrie über doppelt so viel Wasser wie die Privathaushalte. Die fünf größten Getränkehersteller, darunter multinationale Firmen wie Heineken und Coca-Cola, entnehmen zusammen 16 Prozent des privat konzessionierten Wassers, der Rest wird von der Landwirtschaft und Schwerindustrie verbraucht.

Doch nicht nur die Firmen sind für die Krise verantwortlich, die Behörden ignorieren das Thema seit Jahren. 2016 widerrief die Regionalregierung ein Projekt, das über ein Aquädukt Wasser vom 500 Kilometer entfernten Panuco-Fluss nach Monterrey gebracht hätte. „Die Politiker planen überhaupt nicht, und reagieren dann zu langsam und tun zu wenig“, sagt die Umweltaktivistin Rosario Alvarez. Die Abholzung und damit Versteppung ganzer Landstriche schreitet ungehindert voran. Jedes Jahr verliert Mexiko 166337 Hektar Wald für Holz, Monokulturen oder Infrastrukturprojekte.

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