zum Hauptinhalt
Ingo Bach

© Tagesspiegel/Nassim Rad

Die gute Nachricht: Man kann Spermien daran hindern, eine Eizelle zu befruchten

Bisher tragen die Frauen die Hauptlast bei der medikamentösen Empfängnisverhütung. Forschende haben einen Weg gefunden, dieses Ungleichgewicht zumindest ein wenig zu ändern.

Eine Kolumne von Ingo Bach

Trotz vieler Jahrzehnte Forschung ist es noch nicht gelungen, einen praktikablen Weg zu finden, mit dem Männer sich mit medikamentösen Wirkstoffen an der Empfängnisverhütung beteiligen könnten. Bisher tragen deshalb noch immer die Frauen die Hauptlast, sich vor allem mit der Antibabypille, die dem Körper mit einem Hormoncocktail eine Schwangerschaft vorgaukelt, vor einer Empfängnis zu schützen.

Doch das könnte sich in einigen Jahren zumindest für die Hormonbelastung ändern. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in mehreren Ländern forschen an Wirkstoffen, die bestimmte, für die Befruchtungsfähigkeit eines Spermiums entscheidende Proteine blockieren.

„In den Spermien gibt es einige solcher Eiweißverbindungen, die nur dort vorkommen und ganz spezielle Funktionen erfüllen, die nur für die Spermien von Bedeutung sind“, sagt Timo Strünker, Leiter der Forschungsgruppe Molekulare Reproduktionsphysiologie am Universitätsklinikum Münster.

Der Effekt ist nach kurzer Zeit reversibel, wenn man den Wirkstoff absetzt.

Timo Strünker, Reproduktionsphysiologe

Einige dieser Eiweißverbindungen geben den Spermien überhaupt erst die Fähigkeit, zu schwimmen, andere ermöglichen es ihm, mit der Eizelle zu verschmelzen. „Deshalb sind diese Proteine so im Fokus von mehreren Forschergruppen, die nach Wegen suchen, den Mann an der Empfängnisverhütung zu beteiligen.“

Auf dem Weg, dieses Prinzip für die Verhütung zu nutzen, sind Forschende der Washington University School of Medicine, St. Louis, jetzt einen großen Schritt vorangekommen. „Dass es diese Proteine gibt, ist schon seit längerer Zeit bekannt“, sagt Strünker, der selbst mit seinem Team daran geforscht hat.

Die Wissenschaftler in St. Louis konnten nun aber – noch im Laborversuch – nachweisen, dass sich die sogenannten Slo3-Proteine mithilfe eines Inhibitors – einer chemischen Verbindung – vollständig blockieren lassen und somit vermutlich auch die Befruchtungsfähigkeit der Spermien. Denn dieser Inhibitor verhindert, dass sich die Samenfäden auf dem Weg zur Eizelle negativ aufladen. Diese negative Ladung ist aber eine der Voraussetzungen dafür, in die Eizelle einzudringen.

Diese Blockierung wirkt nur so lange, wie das Medikament aktiv ist. „Der Effekt ist also nach kurzer Zeit reversibel, wenn man den Wirkstoff absetzt“, sagt Strünker. Das ist wichtig für die Akzeptanz eines solchen Mittels. Denn eine dauerhafte Sterilität infolge einer Empfängnisverhütung wollen wohl die wenigsten.

Doch auf dem Weg zu einer Marktreife gibt es zwei große Probleme: Zum einen müsste ein finanziell starkes Pharmaunternehmen bereit sein, aus dem Konzept ein marktfähiges Produkt zu entwickeln. Denn dafür ist viel Geld nötig, also muss es sich auch lohnen. Das könnte bald der Fall sein. „Immer weniger Frauen sind bereit, sich über lange Zeit dem Hormoncocktail der Antibabypille auszusetzen“, sagt Strünker.

Aber es gibt noch ein weiteres Problem. Auch Präparate, die die Fortpflanzungsfähigkeit der Spermien einschränken, müsste wahrscheinlich die Frau einnehmen. Denn erst in deren Körper reift das Spermium erst zur vollen Befruchtungsfähigkeit aus. Aber immerhin: Da diese nur auf die Proteine einwirken, die ausschließlich in Spermien vorkommen, wären für die Frau sehr viel weniger oder sogar keine Nebenwirkungen zu erwarten – im Gegensatz zur Antibabypille.

Diese Kolumne erscheint immer donnerstags. Alle bisher erschienenen Folgen finden Sie auf der Kolumnenseite des Tagesspiegel.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false