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Dr. Magnus Heier

© Stefan Braun

Gefährliche Blutgerinnsel: Bären im Winterschlaf bekommen keine Thrombosen – wieso nicht?

Bei Bettlägerigkeit bilden sich oft lebensgefährliche Thromben. Deshalb ist das Blut von Säugetieren im Winterschlaf so interessant für die Embolievorsorge.

Eine Kolumne von Dr. Magnus Heier

Der menschlichen Gerinnung gelingt die Quadratur des Kreises: Einerseits soll das Blut gerinnen und verklumpen, sobald man sich etwa in den Finger geschnitten hat – sonst verblutet der Mensch. Andererseits darf das fließende Blut in den Adern auf keinen Fall verklumpen – sonst stirbt das betroffene Gewebe.

Und so funktioniert es auch, vorausgesetzt, der Mensch bewegt sich und der Blutstrom stockt nicht. Tut er das doch, etwa bei längerer Bettlägerigkeit nach Operationen, wird es schnell lebensgefährlich: Es bilden sich Thromben, Blutgerinnsel. Und wenn die irgendwo in den Gefäßen hängenbleiben, kommt es zu einer Embolie, einem Gefäßverschluss. Weshalb Patienten so schnell wie möglich aus dem Bett geholt werden und sich bewegen müssen.

Oft sind die einfachsten Fragen die besten: Wenn schon kurze Liegezeiten lebensgefährlich sind, wie überleben dann Bären den Winterschlaf, in dem sie sich monatelang nicht bewegen? Eine Antwort gab es bisher nicht, und so machte sich ein Forscherteam auf die Suche bei Braunbären in Schweden. Tatsächlich gibt es zahlreiche Veränderungen in deren Blutbild, die eine gefährliche Verklumpung der Blutplättchen verhindern.

Eine der bemerkenswertesten Veränderungen ist das Hitzeschockprotein 47, das bei überwinternden Braunbären um das 55-fache reduziert ist. Damit ist – so eine weitere Erkenntnis – die Zusammenarbeit zwischen Blutplättchen (ein Mittel der Verklumpung) und Entzündungszellen deutlich reduziert. Und die Verklumpung wird verhindert.

Die gleiche Beobachtung kann man auch querschnittsgelähmten Menschen machen – und so möglicherweise erklären, dass Rollstuhlfahrer nicht ständig Thrombosen bekommen.

Der naheliegende Gedanke ist selbstverständlich: Wie kann man das Hitzeschockprotein nutzen, um Embolien bei bettlägerigen Patienten zu verhindern. Das Ausschalten des Proteins funktioniert im Labor bei Mäusen recht gut, eignet sich aber nicht für den Menschen. Jetzt werden weitere Substanzen gesucht. Das Ziel ist eine schonende Reduktion des Thromboserisikos – ohne die Gefahr von Blutungen. Eine spannende Perspektive.

Die Kolumne erscheint immer mittwochs. Alle bisher erschienen Folgen finden Sie auf der Kolumnenseite des Tagesspiegel.

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