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Carmen Thomas moderierte als erste Frau das „Aktuelle Sportstudio“.

© Imago

Im Auge des Aufmerksamkeitsorkans: Das Fossil spätnächtlicher Fußballanalysen

Seit 60 Jahren widersteht „das aktuelle sportstudio“ zwar nicht allen Trends, aber denen zur selbstverliebten Beschleunigung. 

Nur mal kurz angedacht, das lineare Fernsehen würde im Echtzeitinfotainmentjahr 2023 eine Sportsendung machen, die Stunden nach dem Abpfiff weltbewegender Ereignisse läuft, Samstag gegen Mitternacht etwa, wo die Jugend noch feiert und ihre Eltern schon schlafen – was für eine famose Schnapsidee! Die dem ZDF allerdings kam, als das analoge Fernsehen just sein zweites Programm erhalten hatte.

Am allerersten Spieltag der Fußball-Bundesliga, ziemlich genau 60 Jahre also, bevor die Bayern zum elften Mal in Folge Meister wurden und ihr Business ungefähr so überflüssig machen wie die anderen zwei Jubilare. Scheinbar. Denn ziemlich genau 60 Jahre nach der Debütsendung eines gewissen Heribert Meisel, den heute wohl noch weniger Leute kennen als seine Startkollegen Wim Thoelke und Harry Valérien, ist „das aktuelle sportstudio“ nicht totzukriegen.

Es freut mich, dass Sie dem Boxsport nach wie vor mit freundlichen Augen und Worten gegenüberstehen.

Boxlegende Norbert Grupe, nachdem er 1969 im Interview mit Rainer Günzler durchweg geschwiegen hatte

Gut 2,5 Millionen Zuschauer waren es zuletzt – obwohl, besser: weil niemand Überraschungen erwartet. Im Aufmerksamkeitsorkan instagramabler Scoops, Memes, Social Journalists, die alle um sich selber kreisen, ist der bedächtige ZDF-Rückblick das Auge, in dem trotz LED-Gewitter und Saalpublikum Ruhe herrscht – auch wenn sie mal lautstark war, wie uns die Doku „60 Jahre Storys, Stars und Sternstunden“ (ZDF, 3. Juni 2023, 22.45 Uhr) nach dem Pokalfinale zeigt.

Ein Schimpanse kommt darin vor und Schalke 05, Max Gregers Titelfanfare und Günther Jauchs Riesenjacketts, überhaupt viele Männer und eine Frau mit transparenter Bluse, gelegentlich gar andere Sportarten und dann natürlich jene Torwand, die Kaiser Franz vom Bierglas traf. Damals sensationell, müsste er dabei nun noch nackt jodeln. Bei Sky ist das nicht ausgeschlossen.

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