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 Aserbaidschan hatte die Armenier in Bergkarabach angegriffen.

© action press/Патрин Александр

Update

Aserbaidschans Angriff auf Armenier: Aserbaidschan erklärt Militäreinsatz in Bergkarabach für beendet

Präsident Ilham Aliyev hat den Einsatz seiner Truppen in Bergkarabach für beendet erklärt. Aserbaidschan habe seine Souveränität über das Gebiet wiederhergestellt.

| Update:

Der aserbaidschanische Präsident Ilham Aliyev hat den Einsatz seiner Truppen gegen die von Armeniern bewohnte Region Berg-Karabach nach einem Tag für beendet erklärt. Aserbaidschan habe seine Souveränität über das Gebiet wiederhergestellt, sagte er am Mittwoch in einer Fernsehansprache in Baku. Von armenischer Seite gab es zunächst keine Stellungnahme.

Am Mittwoch vereinbarten beide Seiten eine Feuerpause, woraufhin sich die Kämpfe nach armenischen Angaben abschwächten. Bedingung dafür war von aserbaidschanischer Seite, dass die armenischen Kämpfer ihren Widerstand aufgeben.

Die russische Nachrichtenagentur Interfax berichtete, die Vereinbarung sehe eine Entwaffnung und Auflösung der armenischen Kräfte in dem aserbaidschanischen Gebiet vor.

Armenische Separatisten sollen einer Vereinbarung zugestimmt haben, durch die die Region unter die Kontrolle von Baku gestellt werden soll.

Aserbaidschan erklärte, es werde eine reibungslose Integration der Bevölkerungsgruppe angestrebt. Nach dem Abkommen sollen am Donnerstag Gespräche über die Zukunft der rund 120.000 ethnischen Armenier in Bergkarabach beginnen.

Tausende Menschen eilten nach der Bekanntgabe des Waffenstillstands zum Flughafen der Regionalhauptstadt Stepanakert, an dem russische Friedenstruppen stationiert sind. Die Separatistenführung rief die Bevölkerung auf, Ruhe zu bewahren und von Ausreiseversuchen über den Flughafen abzusehen.

Aserbaidschan hatte am Dienstag einen Großangriff gegen seine mehrheitlich von Armeniern bewohnte Kaukasus-Region Bergkarabach begonnen und diesen am Mittwoch fortgesetzt. Aserbaidschan könne separatistische Truppen auf seinem Territorium nicht dulden, hatte die Regierung in Baku erklärt.

Aserbaidschans Präsident Alijew drohte mit weiteren Angriffen

Nach bisherigen Angaben Armeniens wurden dabei mindestens 32 Menschen getötet. Der frühere Regierungschef der Armenier in Bergkarabach, Ruben Wardanjan, sagte Reuters am Mittwoch, annähernd 100 Menschen seien getötet und Hunderte verletzt worden.

Insgesamt wurden mehr 7000 Bewohner aus 16 Ortschaften evakuiert. 

© AFP I Tagesspiegel/Rita Böttcher

Insgesamt wurden mehr 7000 Bewohner aus 16 Ortschaften evakuiert. Der seit dem Tod seines Vaters 2007 autoritär regierende Präsident Aserbaidschans, Ilham Alijew, hatte in einem Telefonat mit US-Außenminister Antony Blinken erklärt, dass der Militäreinsatz erst beendet werde, wenn die Armenier ihre Waffen niederlegten.

Erst Dienstagnachmittag hatte die aserbaidschanische Regierung den Beginn „örtlich begrenzten Anti-Terror-Einsätzen“ in Berg-Karabach verkündet. Diese zielten auf armenische Militärpositionen und von „Separatisten“ genutzte Einrichtungen. Laut dem Verteidigungsministerium in Baku wurden humanitäre Korridore zur Evakuierung von Zivilisten eingerichtet.

Der armenische Regierungschef Nikol Paschinjan sprach hingegen im Fernsehen von einem aserbaidschanischen „Einsatz von Bodentruppen“ mit dem Ziel einer „ethnische Säuberung“ der armenischen Bevölkerung in der Enklave.

In Armeniens Hauptstadt Eriwan demonstrierten derweil hunderte Menschen gegen Paschinjan. Sie warfen ihm Versagen bei der Verteidigung Berg-Karabachs vor und forderten seinen Rücktritt.

US-Außenminister Blinken kritisiert Aserbaidschan scharf

Fernsehbildern zufolge kam es am Abend zu Ausschreitungen. Demonstranten versuchten, Polizeiabsperrungen vor dem Regierungssitz zu durchbrechen und bewarfen Polizisten mit Flaschen. Mehrere Menschen mussten verletzt ins Krankenhaus gebracht werden.

Die armenischen Sicherheitsdienste warnten vor der Gefahr „allgemeiner Unruhen“ im Land. Sie kündigten Schritte zur „Aufrechterhaltung der verfassungsmäßigen Ordnung“ an.

US-Außenminister Blinken hatte das Vorgehen Aserbaidschans „ungeheuerlich genannt“. Der französische Präsident Emmanuel Macron verurteilte „mit größter Entschiedenheit die Gewaltanwendung Aserbaidschans“ in Berg-Karabach. Das französische Außenministerium forderte eine Dringlichkeitssitzung des UN-Sicherheitsrats.

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan (rechts) unterstützt traditionell den Präsidenten von Aserbaidschan, Ilham Alijew – hier bei einem Besuch in Ankara im April 2018.

© Imago/Xinhua/Mustafa Kaya

Die traditionell mit Aserbaidschan verbündete Türkei stützte hingegen das Vorgehen Bakus. „Wir unterstützen die von Aserbaidschan unternommenen Schritte zur Verteidigung seiner territorialen Integrität“, erklärte der türkische Staatschef Recep Tayyip Erdogan. Gleichzeitig sprach sich Ankara für eine „Fortsetzung umfassender Verhandlungen zwischen Aserbaidschan und Armenien“ aus.

Berg-Karabach gehört völkerrechtlich zu Aserbaidschan, in dem Gebiet leben aber überwiegend Armenier. Aserbaidschan und Armenien streiten seit dem Zerfall der Sowjetunion um die Enklave und lieferten sich deshalb bereits zwei Kriege, zuletzt im Jahr 2020. Damals gelang es dem durch Öl- und Gaseinnahmen hochgerüsteten Aserbaidschan, große Teile der Region zurückzuerobern.

Russland hatte Russland nach sechswöchigen Kämpfen mit mehr als 6500 Toten ein Waffenstillstandsabkommen vermittelt, das Armenien zur Aufgabe großer Gebiete zwang. In den vergangenen Monaten hatten die Spannungen um das stark verminte Berg-Karabach wieder deutlich zugenommen.

Der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag, Michael Roth (SPD), forderte Konsequenzen für Aserbaidschan. „Wir sollten ein klares Signal an Baku senden, dass wir diese kaltblütige Aggression nicht einfach hinnehmen werden“, sagte er der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“.

„Selbstverständlich gehört auch dazu, dass man wirtschaftliche Beziehungen auf den Prüfstand stellt, wenn ein Land, mit dem man Handel betreibt, zu militärischer Gewalt greift“, sagte er weiter. Er könne sich ein „business as usual“ nicht vorstellen, sollte ein neuer Krieg hereinbrechen, „der Frieden, Stabilität und Sicherheit in der ganzen Region gefährdet“.

Auch die FDP-Verteidigungspolitikerin Marie-Agnes Strack-Zimmermann verurteilte den Angriff Aserbaidschans scharf. Aserbaidschan müsse die gegen jedes Recht durchgeführten Angriffe auf armenische Zivilisten sofort einstellen, sagte sie auf der Plattform X, ehemals Twitter. „Wir müssen ein klares Zeichen an Baku senden.“ (dpa, AFP)

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