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Verschleierte Frauen in Teheran.

© dpa/Vahid Salemi

Das Regime schlägt zurück: Iran droht Frauen ohne Kopftuch mit hohen Strafen

Immer mehr Frauen im Iran legen trotz Repressionen ihre Kopftücher ab. Doch das Mullah-Regime ist entschlossen, den Zwang durchzusetzen. Dafür greifen sie zu neuen Maßnahmen.

In Teheran und anderen Metropolen des Irans schlendern seit vergangenen September mehr und mehr Frauen mit offenem Haar durch die Straßen. Es ist einer der sichtbarsten Erfolge der iranischen Protestbewegung: das faktische Ende des Kopftuchzwangs in den großen Städten der Islamischen Republik.

Wenn Polizisten oder Regimetreue auftauchten, wurden sie häufig von den Frauen und anderen Passanten vertrieben. Sogar Regierungsvertreter brachten die Abschaffung des Kopftuchzwangs ins Gespräch. Doch das Regime entscheidet anders. Die Führung in Teheran betrachtet die Verhüllung von Frauen im öffentlichen Raum als eine Säule der Islamischen Republik.

Kopftuchzwang sei nicht verhandelbar

Es war der Tod der jungen Mahsa Amini im September, der die bisher größte Protestwelle gegen das Mullah-System seit der Revolution von 1979 entfachte. Amini war im Gewahrsam der Religionspolizei gestorben. Sie wurde festgenommen, weil sie ihr Kopftuch angeblich nicht ordnungsgemäß gebunden hatte.

Unter dem Druck der Demonstrationen ließen die Behörden Frauen ohne Kopftuch zuletzt häufig gewähren. Die Generalstaatsanwaltschaft deutete im Dezember an, dass die Religionspolizei abgeschafft werden könnte, und auch Präsident Ebrahim Raisi schlug mehr Flexibilität bei der Anwendung der Kopftuchpflicht vor.

Für das iranische Oberhaupt Ali Chamenei ist eine Lockerung des Kopftuchzwangs ausgeschlossen.

© IMAGO/ZUMA Wire/Iranian Supreme Leader S Office

Revolutionsführer Ali Chamenei, der mächtigste Mann im Staat, bezeichnete den Kopftuchzwang als nicht verhandelbar, rief aber zur Nachsicht gegenüber Frauen ohne korrekte Verschleierung auf.

„Feindschaft gegen unsere Werte“

Mit diesen versöhnlichen Signalen ist jetzt Schluss. Seit die Massenkundgebungen über die Wintermonate abgeflaut sind, fühlt sich das Regime sicher genug, um die Kopftuchpflicht wieder rigoros durchzusetzen. Justizchef Gholamhossein Molham Ejei sagte am Samstag, Widerstand gegen das Kopftuch sei gleichbedeutend mit „Feindschaft gegen unsere Werte“.

Frauen ohne Kopftuch würden „ohne Gnade“ verfolgt und bestraft. Ein Hardliner im iranischen Parlament kündigte nach Medienberichten ein neues Gesetz an, das Geldstrafen von bis zu 55.000 Euro für Frauen ohne Kopftuch vorsehen würde.

Vorerst nutzt die Regierung das bestehende Gesetz, um die Protestbewegung einzuschüchtern. Das Innenministerium erklärte, es werde beim Kopftuchzwang „kein Zurückweichen und keine Toleranz“ geben, und rief die Bürger auf, gegen Frauen ohne Kopftuch einzuschreiten.

Die Frauen im Iran verbrennen während landesweiter Proteste ihre Kopftücher als Zeichen des Protests gegen den Kopftuchzwang.

© Reuters

Anhänger des Regimes folgen dem Appell, wie eine Szene aus dem Osten Irans jetzt zeigte. In dem Clip, festgehalten von einer Überwachungskamera eines Lebensmittelgeschäfts und im Internet verbreitet, warten zwei Frauen ohne Kopftuch in dem Geschäft darauf, bedient zu werden.

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Ein Mann stellt sie zur Rede, greift nach einem Joghurtbecher im Regal und schüttet ihn über den Frauen aus. Der Ladenbesitzer drängt den Angreifer aus dem Geschäft. Er wurde später festgenommen – aber auch die beiden Frauen kamen in Haft, weil sie keine Kopftücher trugen.

Viele Regimegegner lassen sich durch die neue Härte nicht beeindrucken. Sie veröffentlichten nach den jüngsten Warnungen der Teheraner Führung neue Videos, die Frauen mit offenem Haar auf den Straßen des Landes zeigten. Andere Filme zeigten tanzende Frauen in der Teheraner U-Bahn – auch Tanzen in der Öffentlichkeit ist Frauen im Iran verboten.

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Zudem gehen in einigen Landesteilen die Straßenproteste gegen die Islamische Republik weiter. Angesichts des Mutes der Frauen und ihrer öffentlichen Unterstützung sei die Regierung machtlos, schrieb der türkische Soziologe Arif Keskin auf Twitter.

„Gesellschaft und Regime sind auf Kollisionskurs“, sagte der Berliner Iran-Experte Fathollah-Nejad dem Tagesspiegel.

„Es gibt keine Anzeichen dafür, dass das Schiff der Islamischen Republik seinen Kurs korrigiert“, mein Fathollah-Nejad. „Das Regime hat nach wie vor keine politischen Antworten.“

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