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Aufnahme des Raketenkreuzers USS Carney im Suez-Kanal.

© AFP/AARON LAU

Update

„Operation Prosperity Guardian“: USA bilden Militärkoalition gegen Angriffe im Roten Meer

Der Gaza-Krieg beeinträchtigt inzwischen auch den Welthandel, weil Reedereien das Rote Meer meiden. Nun soll es mehr militärischen Schutz geben. Die Huthi-Rebellen zeigen sich unbeeindruckt.

| Update:

Angesichts einer zunehmenden Zahl von Angriffen auf Handelsschiffe im Roten Meer durch die vom Iran unterstützten Huthi-Rebellen verstärkt das US-Militär in der Region seine Zusammenarbeit mit den Streitkräften anderer Länder.

An der neuen Sicherheitsinitiative mit dem Namen „Operation Prosperity Guardian“ beteiligen sich nach Angaben aus dem US-Verteidigungsministerium in Washington mehrere Länder, darunter das Vereinigte Königreich, Bahrain, Kanada, Frankreich, Italien, die Niederlande, Norwegen und die Seychellen. Durch die stärkere Kooperation zwischen den Seestreitkräften soll der Schutz von Handelsschiffen verbessert werden.

Koalition gegen Huthi-Angriffe im Roten Meer nimmt Gestalt an

Die internationale Koalition gegen Angriffe der pro-iranischen Huthi-Rebellen auf Frachtschiffe im Roten Meer nimmt Gestalt an: Großbritannien meldete am Dienstag, der britische Zerstörer „HMS Diamond“ sei im Roten Meer eingetroffen und habe sich dort drei US-Zerstörern und einer französischen Fregatte angeschlossen.

Das italienische Verteidigungsministerium erklärte, eine Fregatte solle noch am Dienstag ins Rote Meer entsandt werden, um sich an der Koalition zu beteiligen. Italien werde gemeinsam mit der internationalen Gemeinschaft seinen Teil beitragen, die terroristische Aktivität der Huthi-Rebellen zu bekämpfen, teilte Verteidigungsminister Guido Crosetto am Dienstag mit. Es gehe darum, den Handel in der Region zu schützen und die Freiheit der Schifffahrt und das internationale Recht zu gewährleisten.

USA hoffen auf Beitritt weiterer Länder

Die US-Regierung hofft, dass sich an der Militärallianz zum Schutz von Schiffen auf dem Roten Meer weitere Länder beteiligen. Die Initiative sei erst angelaufen und man hoffe, dass sie noch stärker werde und weitere Länder und zusätzliche Ressourcen hinzukämen, sagte der Kommunikationsdirektor des Nationalen Sicherheitsrats, John Kirby, am Dienstag. Er antwortete auf die Frage einer Journalistin, ob er erwarte, dass das neue Bündnis die Huthi-Rebellen im Jemen tatsächlich abschrecken werde.

John Kirby, der Kommunikationsdirektor des Nationalen Sicherheitsrats bei einer Pressekonferenz in Washington.

© AFP/Mandel Ngan

Kirby sagte, es sei den USA bereits gelungen, eine Reihe von Partnern zusammenzubringen. „Es handelt sich um eine Koalition der Willigen, und jede Nation muss selbst entscheiden, ob und unter welchen Umständen sie sich beteiligen will.“

Auf die Frage, warum nicht alle von ihnen ihre Teilnahme öffentlich machten, antwortete Kirby, dass die Länder dies selbst entscheiden könnten. Nicht alle wollten das publik machen.

Huthi-Rebellen wollen ihre Angriffe trotzdem fortsetzen

Jemens Huthi-Rebellen wollen ihre Angriffe auf Schiffe im Roten Meer auch nach Ankündigung der USA über eine neue Militärallianz in der Region fortsetzen. Das neue Bündnis werde die Rebellen nicht daran hindern, ihre „Einsätze zur Unterstützung Gazas“ fortzusetzen, teilte Mohammed al-Buchaiti mit, Mitglied des Politbüros der militanten Huthi-Bewegung. Das von den USA vorgeschlagene Bündnis solle „Israel schützen und die See ohne jede Rechtfertigung militarisieren“. Wer auch immer den Konflikt ausweiten wolle, müsse „die Konsequenzen seines Handelns tragen“.

Bisher keine Beteiligung von Spanien

Spanien beteiligt sich hingegen, anders als zunächst von den USA vermeldet, nicht an der internationalen Koalition gegen die Angriffe der Huthi-Rebellen. Man unterliege hier den Entscheidungen der EU und der Nato und werde sich nicht einseitig und separat an der von den USA vorgeschlagenen neuen Sicherheitsinitiative „Operation Prosperity Guardian“ beteiligen, verlautete am Dienstag aus dem spanischen Verteidigungsministerium in Madrid.

Das spanische Militär habe darauf verwiesen, dass für einen Einsatz im Roten Meer eventuell die EU-Mission Atalanta gegen Piraten aus Somalia im Indischen Ozean eingeschränkt werden müsse. Die Piraten seien aber seit dem Beginn des Gaza-Krieges am 7. Oktober wieder aktiver geworden, was vermutlich kein Zufall sei.

Am 22. November sei ein iranischer Fischtrawler und am 14. November das bulgarische Frachtschiff „MV Ruen“ unter maltesischer Flagge gekapert worden. Die spanische Fregatte „Victoria“ sei im Rahmen der EU-Mission zur Überwachung in das Seegebiet entsandt worden, in dem sich die „MV Ruen“ befinde. Den Indischen Ozean nun zu verlassen, um sich auf das Rote Meer zu konzentrieren, wäre wie „einen Heiligen zu entkleiden, um einen anderen anzuziehen“, zitierte die Zeitung aus Militärkreisen.

EU-Staaten diskutieren über möglichen Marine-Einsatz im Roten Meer

In der EU gibt es Diskussionen über eine mögliche Unterstützung der US-Initiative zur Sicherung der Schifffahrt im Roten Meer. Die in den vergangenen Wochen erfolgten Huthi-Angriffe auf Handelsschiffe seien besorgniserregend und ein inakzeptabler Verstoß gegen das Völkerrecht, sagte ein Sprecher der EU-Kommission am Dienstag in Brüssel.

Man berate derzeit unter den EU-Staaten und mit Partnern darüber, wie eine Antwort aussehen könnte. „Was gebraucht wird, ist eine internationale Lösung“, sagte der Sprecher.

Als eine Option in der EU gilt, das Mandat der EU-Antipiraterie-Operation Atalanta zu erweitern, um sich am Schutz von Handelsschiffen im Roten Meer zu beteiligen. Ihr Auftrag ist es derzeit, zur Abschreckung und Bekämpfung von seeräuberischen Handlungen und bewaffneten Raubüberfällen vor der Küste Somalias beizutragen.

Damit soll sie insbesondere die ungefährdete Lieferung humanitärer Hilfsgüter in das Krisenland ermöglichen. Die Bundeswehr war bis zum Frühjahr 2022 an der Operation beteiligt. Derzeit wird sie primär von Kräften aus Spanien unterstützt.

Grüne für Prüfung von deutscher Beteiligung

Ob sich auch Deutschland beteiligen will, ist noch offen. Das wird nach Angaben von Verteidigungsminister Boris Pistorius geprüft. Grünen-Fraktionsvize Agnieszka Brugger zeigte sich grundsätzlich offen dafür. „Angesichts der immensen Risiken auch für die zivile Schifffahrt sollte Deutschland auf keinen Fall reflexartig ablehnen“, sagte die Verteidigungspolitikerin am Dienstag der Deutschen Presse-Agentur in Berlin.

Natürlich müssten nun „schnell und sorgfältig“ Fragen nach der Rechtsgrundlage und den zur Verfügung stehenden Fähigkeiten geklärt werden, betonte Brugger. „Gerade in diesen Zeiten erfordert die Verteidigung internationaler Regeln und des Völkerrechts mehr Einsatz als in den letzten Jahrzehnten. Regelbrecher werden immer skrupelloser und umso mehr muss die klare Botschaft sein, dass ihre Strategie von Gewalt und Erpressung nicht zum Erfolg führt.“

„Für eine solche Mission braucht es ein Mandat des Bundestages“, erklärte Brugger. In einer zwar nicht gleichen, aber doch vergleichbaren Situation vor einigen Jahren habe es bei der Operation Atalanta eine sehr breite Unterstützung des Parlaments gegeben. Bei dieser EU-Mission beteiligte sich die Bundeswehr am Kampf gegen Piraten am Horn von Afrika im Osten des Kontinents.

Die Huthi-Rebellen zeigten sich von der Allianz unbeeindruckt. Sie würden ihre Haltung zum Krieg im Gazastreifen nicht ändern, sagt der führende Vertreter der schiitischen Rebellen, Mohammed Abdulsalam, der Nachrichtenagentur Reuters. Das Bündnis sei „im Wesentlichen unnötig“. Denn alle an den Jemen grenzenden Gewässer seien sicher. Eine Ausnahme gelte für israelische Schiffe oder Schiffe, die Israel ansteuerten, wegen dessen „ungerechtfertigten aggressiven Krieges gegen Palästina“.

SPD-Vorsitzende äußert sich zurückhaltend zum Bundeswehreinsatz im Roten Meer

SPD-Chefin Saskia Esken hat sich zurückhaltend zu einem Bundeswehreinsatz zum Schutz von Handelsschiffen im Roten Meer geäußert. In einem Interview der Deutschen Presse-Agentur begrüßte sie am Dienstag zwar, dass die USA den Angriffen der vom Iran unterstützten Huthi-Rebellen eine Allianz zur Sicherung des wichtigen Seewegs entgegensetzen wollen. „Wir müssen ganz klar sehen, dass diese Allianz wichtig ist und notwendig ist, auch für Deutschland, auch für unsere Handelsbeziehungen“, sagte sie.

Saskia Esken, Vorsitzende der SPD, äußert sich zu einem Bundeswehreinsatz im Roten Meer zurückhaltend.

© dpa/Bernd von Jutrczenka

Die SPD-Vorsitzende fügte aber hinzu: „Gleichzeitig hat die Bundeswehr auch ganz klare Restriktionen, an welchen Mandaten sie sich beteiligen kann. Und da müsste auch der Bundestag mit einbezogen werden.“ Es würde sich um einen Auslandseinsatz der Bundeswehr handeln, der bisher nicht durch ein Mandat der Vereinten Nationen gestützt sei. „Insofern müssten wir da schon sehr genau hinschauen.“

Erneute Angriffe auf Schiffe im Roten Meer

Unterdessen kam es nach Angaben des US-Militärs erneut zu Angriffen auf zwei Schiffe im südlichen Roten Meer. Das unter der Flagge der Kaimaninseln fahrende Tankschiff „Swan Atlantic“ sei am Montag von einer Drohne und einer Rakete angegriffen worden, die aus einem von den Huthis kontrollierten Gebiet im Jemen abgeschossen worden sei, gab das Regionalkommando des US-Militärs Centcom auf der Plattform X bekannt.

Etwa zur gleichen Zeit habe der Frachter „M/V Clara“ von einer Explosion im Wasser in seiner Nähe berichtet. Bei keinem der Vorfälle seien Verletzte gemeldet worden.

Auch Frachter von deutscher Reederei angegriffen

Die Huthi-Rebellen im Jemen greifen Israel seit Ausbruch des Gaza-Krieges mit Drohnen und Raketen an und attackieren Schiffe im Roten Meer, um sie an einer Durchfahrt in Richtung Israel zu hindern. Sie drohen damit, Schiffe jeglicher Nationalität auf dem Weg nach Israel an der Durchfahrt im Roten Meer zu hindern.

Nur Frachtern, die Hilfsgüter für den Gazastreifen lieferten, würde die Durchfahrt gewährt. Mehrere Schiffe wurden seitdem angegriffen, zuletzt auch ein Containerfrachter der deutschen Reederei Hapag-Lloyd. Große Reedereien meiden zunehmend die Route durch das Rote Meer und den Suezkanal, trotz der wachsenden Bemühungen.

Reedereien bleiben bei ihrem vorsichtigen Kurs

Auch die dänische Reederei Maersk, die zweitgrößte Containerreederei weltweit, bleibt bei ihrem vorsichtigen Kurs. „Wir freuen uns, dass die Regierungen weltweit umgehend mit gemeinsamen Bemühungen um die internationale Sicherheit im Seeverkehr und dem Aufbau von Kapazitäten in diesem Gebiet reagiert haben, um eine Lösung herbeizuführen, die eine baldige Rückkehr zur Durchfahrt durch das Rote Meer, den Golf von Aden und den Suezkanal ermöglicht“, heißt es in einer Mitteilung vom Dienstag.

Allerdings heißt es bei Maersk weiter: „Zum jetzigen Zeitpunkt ist es jedoch schwierig, den genauen Zeitpunkt zu bestimmen.“ Daher werde die beschlossene Umleitung von Schiffen über das Kap der Guten Hoffnung „letztlich zu schnelleren und besser vorhersehbaren Ergebnissen für unsere Kunden und ihre Lieferketten führen.“

Die deutsche Reederei Hapag-Lloyd hatte bereits am Montag bekräftigt, dass Umleitungen über das Kap der Guten Hoffnung so lange geschähen, „bis die Passage durch den Suezkanal und das Rote Meer für Schiffe und ihre Besatzungen wieder sicher ist“. Auch der Branchenprimus MSC bekräftigte am Montag in einer Mitteilung an die Kunden, dass MSC-Schiffe den Suezkanal in Richtung Osten und Westen nicht befahren werden, bis die Passage durch das Rote Meer sicher ist.

Weltschifffahrtsorganisation verurteilt Angriffe im Roten Meer

Die Weltschifffahrtsorganisation IMO hat die zunehmende Zahl von Angriffen auf Handelsschiffe im Roten Meer durch die vom Iran unterstützten Huthi-Rebellen verurteilt. „Angriffe auf die internationale Schifffahrt im Roten Meer sind nicht hinnehmbar“, sagte IMO-Generalsekretär Kitack Lim einer IMO-Mitteilung vom Dienstag zufolge. „Die Schiffe müssen im Einklang mit dem internationalen Seerecht ungehindert weltweit verkehren können.“

Die IMO ist eine Sonderorganisation der Vereinten Nationen mit derzeit 175 Mitgliedsländern. Sie setzt weltweit verbindliche Regeln für die internationale Schifffahrt.

„Ich fordere die Mitgliedstaaten erneut auf, zusammenzuarbeiten, um eine ungehinderte und sichere weltweite Schifffahrt und das Wohlergehen der unschuldigen Seeleute überall zu gewährleisten“, sagte Lim. Das sei eine Voraussetzung für die Aufrechterhaltung der weltweiten Lieferketten.

US-Verteidigungsminister Lloyd Austin, der sich derzeit in der Region aufhält, teilte mit, es handle sich um eine internationale Herausforderung, die ein gemeinsames Vorgehen erfordere. Alle Länder, die die freie Schifffahrt aufrechterhalten wollten, müssten sich zusammentun. Die „jüngste Eskalation der rücksichtslosen Huthi-Angriffe“ bedrohe den freien Handel, die Sicherheit der Seeleute und verstoße gegen das Völkerrecht. Das Rote Meer sei für den internationalen Handel von entscheidender Bedeutung.

Etwa zehn Prozent des gesamten Welthandels laufen über das Rote Meer. Der Suezkanal verbindet das Mittelmeer mit dem Roten Meer und bietet damit die kürzeste Verbindung auf dem Seeweg zwischen Asien und Europa. Die Alternativstrecke um das südafrikanische Kap der Guten Hoffnung verlängert die Transporte um einige Tage.

Bundeswirtschaftsministerium zeigt sich besorgt

Das Bundeswirtschaftsministerium ist wegen der Angriffe auf Handelsschiffe im Roten Meer besorgt. Die Lage werde genau beobachtet, teilte das Ministerium am Dienstag auf Anfrage mit. „Freie und sichere Handelsrouten sind für den globalen Handel von großer Bedeutung. Sollte es zu einer längeren Behinderung auf der Handelsroute kommen, wären längere Lieferzeiten aufgrund alternativer Routen zu erwarten.“

Welche Auswirkung die derzeitige Störung der Handelsroute im Roten Meer auf die Wirtschaft habe, lasse sich aber noch nicht abschätzen. Eine längerfristige Störung würde sich auf Lieferketten auswirken und die Wirtschaft beeinträchtigen. (dpa, Reuters, AFP)

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