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Idlib am Tag nach dem Erdbeben.

© Imago/Juma Mohammad

Erdbeben in Syrien und der Türkei: „Ich habe 25 Familienmitglieder verloren“

Zwei Tage nach dem Erdbeben bleibt nichts als Verlust, Angst, Erschöpfung und die Hoffnung auf Hilfe. Eine Augenzeugin berichtet aus Idlib, das vom Assad-Regime von Hilfe abgeschnitten ist.

Das schwere Erdbeben vom 6. Februar hat nicht nur große Regionen im Süden der Türkei erschüttert, sondern traf auch den Nordwesten Syriens schwer. Die Region um Idlib gehört zu den wenigen Landesteilen, die noch nicht durch Präsident Baschar Hafiz al Assad kontrolliert werden.

Regierungstruppen, Oppositionelle und islamistische Milizen liefern sich noch immer erbitterte Kämpfe. Die Journalistin Salwa Abdalrahman lebt mit ihren Kindern in Idlib, hier erzählt die 50-Jährige von ihren Eindrücken nach dem Erdbeben.

Für uns hier in Idlib ist die Situation auch zwei Tage nach dem Erdbeben noch katastrophal. Während ich das hier schreibe, sehe und höre ich immer wieder russische Kampfflugzeuge am Himmel, ständig bebt die Erde. Seit Montag haben wir hier über 450 Nachbeben gezählt.

Idlib ist nach dem Erdbeben ohne Strom

Ich habe Angst. Angst um meine drei Kinder, Angst um meine Familie. Angst vor den kommenden Tagen. In Nordwestsyrien sind mehr als 1200 Menschen gestorben, ich allein habe 25 Familienmitglieder verloren. Mein Onkel, mein Cousin und seine ganze Familie sind tot. Vielleicht sind auch noch mehr gestorben, viele Verwandte konnte ich noch nicht erreichen.

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Das Internet fällt regelmäßig aus. Aus Angst vor Nachbeben und einstürzenden Häusern schlafen wir meist im Freien oder in Autos. Meine Familie konnte in einem Zelt schlafen, aber es gibt keinen Strom, keine Decken. Nachts sind hier Minusgrade und es regnet oft. Lange halten wir das nicht mehr aus.

Internationale Rettungsteams sind noch nicht in Syrien

Ich bin völlig erschöpft, habe in der vergangenen Nacht nur eine Stunde geschlafen. Auch 50 Stunden nach dem Erdbeben liegen hier immer noch Tausende Menschen unter Trümmern begraben. Manchmal hören wir Rufe und Stimmen und versuchen, die Verschütteten zu retten. Aber wir haben kaum Möglichkeiten, ihnen rechtzeitig zu helfen.

Ich bin völlig erschöpft, habe in der vergangenen Nacht nur eine Stunde geschlafen.

Salwa Abdalrahman, in Idlib lebende Journalistin

Uns fehlt die Ausrüstung, oft graben wir die Menschen mit den Händen aus. Das dauert lange und wir haben keine Kraft mehr. Bisher ist noch kein großes internationales Hilfsteam bei uns angekommen, immer nur einzelne Helfer. Ohne Unterstützung schaffen wir das aber nicht. Es fehlt an allem. Wir brauchen Zelte und Decken, moderne Ausrüstung für die Bergung.

In Idlib sitzen wir in der Falle, die Region wird von drei Seiten durch Assads Truppen kontrolliert. Wir kommen nicht raus, und niemand zu uns rein. Ich bin völlig verzweifelt. Über den kleinen Grenzübergang zur Türkei kommt praktisch keine Hilfe. Wir sind einfach total abgeschnitten.

Seit über zehn Jahren ist das hier ein Kriegsgebiet, das Erdbeben ist jetzt die nächste Tragödie für uns. Viele Menschen leben ohnehin in zerstörten Häusern, die jahrelang vom Assad-Regime oder von Russland bombardiert worden sind und lange kurz vor dem Einsturz standen.

Jetzt wurden die Häuser durch das Erdbeben weiter beschädigt. Die internationale Gemeinschaft muss uns dringend helfen, Rettungsteams und Ausrüstung schicken. Je länger die Hilfsorganisationen warten, desto mehr Menschen werden hier in Idlib sterben. Protokolliert von Maxi Beigang.

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