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Auch in Deutschland setzen sich Demonstranten für die Freilassung von Gefangenen im Iran ein.

© AFP/INA FASSBENDER

Gefangenenaustausch zwischen USA und Iran: Häftlingsdeal soll neue Atomgespräche ermöglichen

Die USA und Iran haben sich auf einen Gefangenenaustausch geeinigt. Angehörige deutscher Gefangener beklagen allerdings die Untätigkeit der Bundesregierung.

Noch vor kurzem war der Dauerkonflikt zwischen den USA und dem Iran wegen iranischer Angriffe auf Öltanker im Persischen Golf eskaliert – doch jetzt haben sich beide Staaten auf einen Gefangenenaustausch geeinigt: Fünf US-Bürger sollen aus iranischer Haft nach Hause zurückkehren dürfen. Im Gegenzug geben die USA iranische Guthaben in Höhe von bis zu zehn Milliarden Dollar frei.

Mit der Vereinbarung sollen neue Atomgespräche vorbereitet werden. Angehörige deutscher Häftlinge im Iran kritisieren, die Bundesregierung habe erneut die Chance vertan, sich an einer Vereinbarung des Westens mit Teheran zu beteiligen.

Trotz der Spannungen im Persischen Golf hatten die USA und Iran unter Vermittlung des Sultanats Oman seit Monaten über den Gefangenen-Deal verhandelt. Am Donnerstag wurden vier amerikanisch-iranische Doppelstaatler aus dem Gefängnis in Hausarrest überstellt; ein fünfter war nach Medienberichten schon vor Wochen in Hausarrest gekommen.

Die staatliche iranische Nachrichtenagentur Irna meldete, die Amerikaner dürften nach Hause zurückkehren, sobald der Iran über das freigegebene Geld verfüge. Dabei geht es nach übereinstimmenden iranischen und amerikanischen Angaben um sechs Milliarden Dollar, die wegen westlicher Sanktionen in Südkorea eingefroren waren. Hinzu kommen Irna zufolge mehr als vier Milliarden Dollar auf Konten im Irak.

Wichtige Einzelheiten der Vereinbarung sind unklar. Nach US-Angaben darf der Iran das freigegebene Geld nur für den Kauf von Gütern wie Lebensmittel und Medikamenten ausgeben. Das iranische Außenministerium erklärte dagegen, die Islamische Republik entscheide selbst, „wie dieses Vermögen verwendet wird“. Außerdem erwarte der Iran die Freilassung iranischer Häftlinge in den USA.

Trotz ihrer vielen Differenzen bleiben Washington und Teheran an einer neuen Vereinbarung für das iranische Atomprogramm interessiert. Verhandlungen darüber in Wien liegen seit dem vergangenen Jahr auf Eis, doch nun solle es im Herbst einen neuen Anlauf geben, schrieb der Nahost-Experte Henry Rome von der Denkfabrik Washington Institute for Near East Policy im Kurznachrichtendienst X, früher Twitter.

Ich sehe bei der Bundesregierung keinen politischen Willen, meine Mutter da rauszuholen.

Mariam Claren Taghavi, Tochter der seit drei Jahren im Iran inhaftierten Kölnerin Nahid Taghavi

Die „New York Times“ meldete, schon jetzt halte sich der Iran im Rahmen einer informellen Absprache mit den USA bei der Uran-Anreicherung an eine Obergrenze von 60 Prozent; für eine Atombombe sind 90 Prozent nötig.

Zu den vertrauensbildenden Maßnahmen vor neuen Atomgesprächen zählt auch die Haftentlassung europäischer Staatsbürger im Iran in den vergangenen Monaten. Zwei Franzosen, zwei Österreicher, ein Belgier und ein Däne konnten seit Mai nach Hause zurückkehren. Deutsche waren nicht darunter, auch diesmal nicht.

„Deutschland hat wieder den Zug verpasst“, kritisierte Mariam Claren Taghavi, Tochter der seit drei Jahren im Iran inhaftierten Kölnerin Nahid Taghavi. „Ich bin wirklich sprachlos“, sagte sie dem Tagesspiegel. „Ich sehe bei der Bundesregierung keinen politischen Willen, meine Mutter da rauszuholen.“

Vereinbarung ist Katastrophe für deutsche Häftlinge im Iran

Gazelle Sharmahd, Tochter des zum Tode verurteilten Deutsch-Iraners Jamshid Sharmahd, sagte unserer Zeitung, für Häftlinge wie ihren Vater, die bei den Deals mit dem Westen nicht berücksichtigt würden, sei die neue Vereinbarung eine Katastrophe: „Deren Hinrichtung kann damit besiegelt werden“, sagte Sharmahd.

Daniela Sepehri, eine deutsch-iranische Aktivistin, sieht einen Zusammenhang zwischen dem neuen Häftlings-Deal und der iranischen Innenpolitik. Am 16. September jährt sich der Tod der 22-jährigen Mahsa Amini, die nach Festnahme durch die Religionspolizei wegen eines nicht streng genug gebundenen Kopftuches in der Haft starb. Ihr Tod löste landesweite Proteste aus.

Nun bereite sich die Regierung darauf vor, neue Demonstrationen zum Jahrestag niederzuschlagen, sagte Sepehri dem Tagesspiegel: „Das Regime will vor dem Jahrestag die inhaftierten Ausländer loswerden, weil die ausländischen Regierungen dann nicht mehr so genau hinschauen.“

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