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 Das von der staatlichen russischen Nachrichtenagentur Sputnik via AP veröffentlichte Bild zeigt Wladimir Putin, Präsident von Russland, der im Kreml an einer Videokonferenz zur Lage im Gebiet der Krim-Brücke teilnimmt.

© dpa/ALEXANDER KAZAKOV

„Hat seinen Ruf als härtester Mann der Stadt verloren“: Putin reagierte offenbar gelähmt auf Wagner-Aufstand

Während des Wagner-Aufstands fehlte es offenbar lange an Führung durch den russischen Präsidenten. Putin soll gezögert haben, mit aller Härte gegen seinen langjährigen Verbündeten Prigoschin vorzugehen.

Der russische Präsident Wladimir Putin reagierte offenbar gelähmt und paralysiert auf den Putschversuch der Söldnergruppe Wagner. Das berichtet die „Washington Post“ unter Berufung auf ukrainische und europäische Sicherheitsbeamte.

Demnach sei Putin zwar mindestens Tage im Voraus gewarnt worden, wie aus Geheimdienstinformationen hervorgeht, die der „Washington Post“ vorliegen. „Putin hatte Zeit, die Entscheidung zu treffen, den Aufstand niederzuschlagen und die Organisatoren zu verhaften“, sagte einer der europäischen Sicherheitsbeamten, der unter der Bedingung der Anonymität mit der „Washington Post“ sprach.

Infolgedessen seien zwar vorbereitende Maßnahmen getroffen worden, wie etwa die personelle Aufstockung der Präsidentengarde, und es seien mehr Waffen ausgegeben worden. Trotz der zeitigen Warnung habe Putin am Tag des Putschversuches aber nicht entschlossen gehandelt, und die meiste Zeit des Tages seien keine Befehle erteilt worden, so die Beamten.

Das deckt sich mit Aussagen des CIA-Direktors William J. Burns aus der vergangenen Woche, wonach die russischen Sicherheitsdienste, das Militär und die Entscheidungsträger während der 36 Stunden der Meuterei „scheinbar orientierungslos“ gewesen seien. „Als es losging, herrschte Lähmung auf allen Ebenen“, wird der europäische Sicherheitsbeamte weiter zitiert.

Da es offenbar keine Befehle von der Kremlspitze gab, konnten die örtlichen Beamten nach Angaben der europäischen Sicherheitsbeamten selbst entscheiden, wie sie vorgehen, als die Wagner-Truppen von Jewgeni Prigoschin in den frühen Morgenstunden des 24. Juni in die südrussische Stadt Rostow eindrangen.

Russland ist ein Land mit mafiösen Regeln, und Putin hat einen unverzeihlichen Fehler gemacht.

Eine Quelle der „Washington Post“ mit Verbindungen zu den russischen Geheimdiensten

„Aus unserer Sicht ist dies das größte Anzeichen für die dysfunktionale Machtstruktur in Russland. Das autoritäre System ist so angelegt, dass die Menschen ohne einen klaren Befehl der Führung nichts tun. Wenn die Führung in Aufruhr und Unordnung ist, ist die Situation auf lokaler Ebene die gleiche und sogar noch schlimmer“, so ein ukrainischer Sicherheitsbeamter gegenüber der „Washington Post“.

Offenbar zögerte Putin, mit aller Härte gegen seinen langjährigen Verbündeten Prigoschin und dessen Truppen vorzugehen. Prigoschin scheint außerdem Unterstützer im Kreml zu haben.

Jewgeni Prigoschin, Chef der russischen Privatarmee Wagner Group, nimmt im April 2023 an der Beisetzung des getöteten russischen Militärbloggers Tatarski auf dem Friedhof von Trojekurowskoje teil.

© dpa/AP/Uncredited

Wagner Truppen übernahmen quasi ungehindert die Kontrolle über die Hauptkommandozentrale des russischen Militärs in Rostow und rückten anschließend in die Stadt Woronesch vor, bevor sie weiter nach Norden in Richtung Moskau vorstießen.

Laut einem hochrangigen Nato-Beamten seien einige wichtige Personen in Moskau offenbar bereit gewesen, sich hinter Prigoschin zu stellen. „Es scheint hochrangige Leute in den Machtstrukturen zu geben, die darauf gewartet haben, denn wenn sein Versuch erfolgreich gewesen wäre, hätten sie sich dem Komplott angeschlossen“, so der Beamte. Andere Unterstützer Putins seien dagegen verärgert und verwundert über die Tatenlosigkeit gewesen.

Die fehlende Führung durch den Kreml während der Krise hat Putin nach Ansicht seiner Kritiker erheblich geschwächt. „Putin hat sich als jemand erwiesen, der nicht in der Lage ist, in kritischen Situationen schnelle Entscheidungen zu treffen. Er hat sich versteckt“, meint Gennadi Gudkow, ein ehemaliger Oberst der russischen Sicherheitsdienste, der jetzt als Oppositionspolitiker im Exil lebt. „Der Großteil der russischen Bevölkerung hat das nicht verstanden. Aber die Elite von Putin hat es sehr wohl verstanden. Er ist nicht mehr der Garant für ihre Sicherheit und den Erhalt des Systems.“

„Russland ist ein Land mit mafiösen Regeln, und Putin hat einen unverzeihlichen Fehler gemacht“, meint auch ein hochrangiger Moskauer Finanzier mit Verbindungen zu den russischen Geheimdiensten. „Er hat seinen Ruf als der härteste Mann der Stadt verloren.“

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