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Der Kreml bei Nacht (Sybolbild)

© Imago/SNA/Natalia Seliverstova

In der russischen Untergrund-Legion: „Ich kämpfe nicht gegen das Mutterland, ich kämpfe gegen Putin“

Sich als russischer Staatsbürger gegen Wladimir Putin zu stellen, ist mitunter lebensgefährlich. Und doch gibt es ihn: den aktiven Widerstand gegen den Herrscher im Kreml.

Wie viele es genau sind und wo sie sich aufhalten, ist streng geheim. Ihre Beweggründe sind höchst unterschiedlich. Und wer zu ihnen gehören möchte, muss einen Lügendetektortest über sich ergehen lassen.

Doch es gibt sie: Russen, die an der Seite der Ukraine gegen russische Truppen kämpfen, vereint in der Legion „Freiheit Russlands“ unter ukrainischem Kommando.

„Ich bin kein Verräter. Ich bin ein wahrer russischer Patriot“, sagt der Sprecher der Legion, der sich Cäsar nennt. Journalisten führt er gerne zu den Ruinen eines orthodoxen Klosters in Dolina, ein Gebiet, das im Herbst von der ukrainischen Armee zurückerobert worden war.

Ich bin kein Verräter. Ich bin ein wahrer russischer Patriot.

Sprecher der Legion „Freiheit Russlands“

Die zertrümmerte goldene Kuppel, ein Wächterlöwe inmitten von Schutt und zerstörte Ikonen sind die ideale Kulisse, um „der Welt zu zeigen, welche Werte Putin vertritt“, wie der Mann mit den stahlblauen Augen erklärt.

Seine Worte – manchmal russisch, manchmal englisch – wählt er sorgfältig. „Ich kämpfe nicht gegen das Mutterland, ich kämpfe gegen das Putin-Regime, gegen die Tyrannei“, sagt Caesar. Die Legion bestehe aus „mehreren hundert“ Russen, die nach einer zweimonatigen Ausbildung seit Mai im Donbass eingesetzt werden.

Die Legion ist Teil des internationalen Freiwilligenkorps innerhalb der ukrainischen Armee, ihr Emblem ist eine zuschlagende Faust, über der die Worte „Freiheit“ und „Russland“ stehen. Seine Männer seien unter anderem im seit Monaten hart umkämpften Bachmut an der Ostfront im Einsatz, erklärt Cäsar. Dort kämpften sie unter ukrainischem Kommando hauptsächlich in der Artillerie.

„Es sind motivierte und professionelle Kämpfer, die ihre Aufgaben perfekt erledigen“, sagt ein ukrainischer Offizier, der anonym bleiben möchte. Rekruten würden vor der Aufnahme sorgfältig geprüft - in Gesprächen und mit einem Lügendetektortest -, um das Risiko einer Unterwanderung auszuschließen.

Auf Telegram, Twitter oder Instagram veröffentlicht die Legion „Freiheit Russlands“ vor allem Propagandavideos und erklärt, Tausende Bewerbungen erhalten zu haben.

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Dem ukrainischen Militärexperten Oleg Schdanow zufolge hat die Legion vor allem eine politische Bedeutung: „Es ist gut für die Ukraine, wenn sie zeigen kann, dass auch Russen die Demokratie und Freiheit unterstützen und auf der richtigen Seite kämpfen“, sagt er.

Auf das Kriegsgeschehen hätten die russischen Kämpfer allerdings „aufgrund ihrer geringen Zahl keinen großen Einfluss“.

Unterschiedliche Beweggründe für den Kampf gegen Putin

Die Legionäre haben unterschiedliche Beweggründe, gegen Russland zu kämpfen. Für Tichij, einen Arbeiter aus der russischen Industriestadt Togliatti 800 Kilometer südöstlich von Moskau, sind sie eher persönlicher als politischer Natur: Seine Frau – die er in Russland kennengelernt hat – ist Ukrainerin.

„Die hätte es nicht verstanden, wenn wir in Russland geblieben wären“, sagt der 40-jährige Vater von zwei Kindern, der zum Zeitpunkt der Invasion mit seiner Familie in Kiew zu Besuch war.

Von dort kehrte die Familie nie nach Russland zurück – stattdessen trat Tichij der Legion bei. Seine Angehörigen in Russland könnten seine Entscheidung nicht nachvollziehen, er habe kaum noch Kontakt zu ihnen.

Wladimir Putin bei der Besichtigung neuer Militärgeräte.

© dpa / dpa/AP/Pool Sputnik Russian Presidential Press Office/Uncredited

Mit seinen Freunden hat er gebrochen. Sie säßen in Russland auf dem Sofa und wiederholten stur: „Wir werden die Ukraine befreien“, zitiert er sie. Russische Soldaten sieht Tichij als „Feinde“: Lieber würde er sich mit einer Granate in die Luft sprengen, als von ihnen gefangen genommen zu werden.

Cäsar hingegen hat politische Motive. Der ehemalige Physiotherapeut aus St. Petersburg bezeichnet sich selbst als „rechten Nationalisten“ und ist überzeugt, dass die Regierung von Wladimir Putin nur mit Gewalt gestürzt werden kann.

Seine Landsleute wollten „nichts sehen und nichts hören“, kritisiert Cäsar und wird plötzlich emotional: „Russland stirbt“, sagt er. „Gehen Sie in die Dörfer. Sie werden Betrunkene, Drogenabhängige und Kriminelle sehen.“ Das sei das Ergebnis von 20 Jahren Putin.

Der Einmarsch Russlands in die Ukraine am 24. Februar gab schließlich den Ausschlag dafür, dass Cäsar mit seiner Frau und seinen vier Kindern nach Kiew ging. (AFP)

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