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Kampfgebiet Dschenin. Israel versucht, die dortige terroristische Infrastruktur zu zerschlagen.

© AFP/RONALDO SCHEMIDT

Israels Militäreinsatz im Westjordanland: Von den Radikalen in den Kampf getrieben

Es erinnert an die Intifada vor 20 Jahren: Israel geht mit massiven militärischen Kräften gegen Terroristen vor. Das Ziel ist Ruhe und Kontrolle im Westjordanland. Doch das ist fast aussichtslos.

Ein Kommentar von Christian Böhme

Heim und Garten. Das klingt erst einmal nach Idylle, nach Ruhe. Aber gegebenenfalls eben auch nach umbauen und umpflügen. Das Alte auf eine neue Grundlage stellen, mal richtig aufräumen.

Vermutlich hat Israels Militäroperation im Westjordanland deshalb diesen Namen bekommen. Zwar wiegelte ein Sprecher der Streitkräfte ab, es gebe gar keinen bestimmten Titel, sondern es gehe um eine Reihe von Aktionen.

Aber fest steht: Es ist der größte Einsatz der Armee in den besetzten Gebieten seit bald 20 Jahren, seit der Zweiten Intifada, die den jüdischen Staat und die Palästinensergebiete schwer und folgenreich erschüttert hat.

Dschenin, die Hochburg militanter Extremisten

Nun geht Israel wieder mit einem Großaufgebot gegen Bombenleger und hochgerüstete Kämpfer vor, will in Dschenin – dieser Hochburg militanter Extremisten im Westjordanland – die terroristische Infrastruktur zerschlagen.

Treiben radikale Kräften im Kabinett Premier Netanjahu vor sich her?

© AFP/RONEN ZVULUN

Offenbar rechnet die Regierung in Jerusalem damit, dass es mit ein, zwei Tagen nicht getan ist. Heim und Garten: Wenn Israel derartige Namen vergibt, dann können Militäraktionen länger dauern. Dem von Krisen und Konflikten geplagten Nahen Osten könnten damit bittere, leidvolle Tage und Wochen bevorstehen.

Nun mag man einwenden: Alles wie gehabt. Da trifft aber nur bedingt zu. Klar, Palästinenser und Israelis tragen ihren Streit schon lange und immer wieder mit Gewalt aus. Allerdings ist die Lage dieses Mal weitaus brenzliger.

Denn bei dieser Eskalationsrunde geben offenkundig die Hardliner auf beiden Seiten den Ton an. Versuchen, der jeweils anderen Seite eine schmerzhafte Lektion zu erteilen.

Die Terroristen wollen Israel provozieren

Keine Frage: Israel darf, ja, muss sich gegen terroristische Angriffe schützen. Klar ist auch, in Dschenin haben sich mehrere Palästinensermilizen zusammengetan, um den jüdischen Staat durch Anschläge jedweder Art zu treffen. Wohl wissend, dass Israel zurückschlagen wird. Was wiederum gerade junge Menschen im Westjordanland in die Arme der Terrorbanden treibt.

Auf israelischer Seite wiederum gibt es einen parteiübergreifenden Konsens, Anrecht auf einen Alltag ohne Bedrohung zu haben. Dieses Ziel rechtfertige militärische Einsätze gegen Attentäter und ihre Helfershelfer. Sogar, wenn es bedauerlicherweise Unschuldige zu Opfern macht.

Davon gibt es gerade auf palästinensischer Seite viel zu viele. Das macht Israel immer wieder zum Buhmann. Allerdings: Welches Land der Welt würde anders handeln, wenn seine Sicherheit bedroht ist?

Der Streit um die Justizreform schwächt Israel

Verglichen mit vorausgegangenen Schlagabtauschen gibt es aber einen gewichtigen Unterschied. Israel wirkt verwundbar wie schon seit Jahren nicht mehr. Der Dauerstreit um die Justizreform zerreißt Land und Gesellschaft, der Graben zwischen Befürwortern und Gegnern wird von Tag zu Tag tiefer.

Woche für Woche protestieren Israelinnen und Israelis gegen die Justizreform.

© dpa/Ilia Yefimovich

Dass die Verfasstheit des jüdischen Staats zu wünschen übrig lässt, wissen sie auch in Israel ganz genau. Mehrfach haben Militärs und hochrangige Politiker gewarnt, der Kampf um die Justizreform schwäche die Abwehrbereitschaft des Landes.

Reservisten hatten sogar damit gedroht, den Dienst zu verweigern, wenn die Pläne der rechts-religiösen Regierung von Benjamin Netanjahu umgesetzt werden sollte. So etwas bleibt den Feinden Israels nicht verborgen.

Hardliner im Kabinett geben den Kurs vor

Ihnen gegenüber steht eine Koalition in Jerusalem, deren Kurs von Rechtsextremisten und religiösen Nationalisten bestimmt wird.

Sie haben Netanjahu zu ihrem Gefangenen gemacht, treiben ihn mit immer radikaleren Forderungen bezüglich der Palästinenser vor sich her und befeuern den Hass radikaler jüdischer Siedler, der in Gewalt gegenüber Palästinensern mündet.

Befreien kann sich der Premier aus diesem selbst gezimmerten Gefängnis kaum. Würde er das Bündnis mit den Fanatikern im Kabinett aufkündigen, wäre seine Zeit als Regierungschef vorbei.

Für Netanjahu kommt das nicht infrage. Lieber toleriert er die Hardliner in seinen Reihen. Eine fatale Entscheidung. Gewalt schafft Gewalt. Das ist die Gleichung, die im Nahen Osten seit jeher gilt. Sie geht auch jetzt wieder auf.

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