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Herbert Kickl, Parteichef der rechten FPÖ, während deren Bundesparteitag im vergangenen September.

© dpa/APA/Helmut Fohringer

Österreichs Rechte als Vorbild für Deutschland?: „Auch die FPÖ ist aufhaltbar“

Auch im Land Salzburg regiert die FPÖ inzwischen mit, die Brandmauern nach rechts sind landesweit längst gefallen. Doch die Gegenkräfte im Nachbarland werden stärker.

Durch die Salzburger Altstadt schieben sich die Touristenmassen wie an jedem Tag im Sommer. Alles wie immer? Nein, vor einiger Zeit hatten 1200 Menschen in der österreichischen Stadt demonstriert, das ist viel.

Sie wandten sich „gegen die Normalisierung von Rechtsextremismus und jegliche Form der Verhetzung.“ Der Grund: Die Österreichische Volkspartei (ÖVP) und die rechtspopulistische FPÖ (Freiheitliche Partei Österreich) haben ein Regierungsbündnis geschmiedet. Eine solche Zweier-Konstellation ist neu an der Salzach. 

Zugewanderte sind angeblich an allem schuld

Ist der Aufstieg der FPÖ eine Blaupause für die AfD in Deutschland? Zeigt sich in Österreich, wohin die Bundesrepublik auch treiben könnte? Politische „Brandmauern“ existieren in der Alpenrepublik längst nicht mehr.

Im Bundesland Salzburg erreichte Ende April die ÖVP rund 30, die FPÖ knapp 26 Prozent der Stimmen. Die Rechtspopulisten haben jetzt mit ihrer Frontfrau Marlene Svazek die Position der Juniorpartnerin übernommen. Jene Partei, die von ihrem Bundesvorsitzenden Herbert Kickl ganz deutlich immer weiter Richtung Rechtsextremismus getrimmt wird.

Kickl hat ein Dauerthema: Flüchtlinge und Zuwanderer seien schuld an allen Missständen. Äußerst gekonnt stimuliert er ausländerfeindliche und rassistische Ressentiments. Kickl sagt: „Österreicher werden zu Fremden im eigenen Land.“ Er warnt vor einer „Völkerwanderung“ und reimt: „Daham statt Islam.“   

In Salzburg spricht Karl-Markus Gauß von einer „barbarisierenden Rhetorik“ der FPÖ. Gauß, 69 Jahre alt, ist Schriftsteller, Essayist, Salzburger. Ein leidenschaftlicher Europäer, 2022 ausgezeichnet mit einem Leipziger Buchpreis. Für ihn ist klar: „Herbert Kickl macht keinen Hehl daraus, was er vorhat – den Umbau Österreichs in einen zumindest autoritären und rechten Staat.“

„Pragmatismus“ trotz Ekels vor FPÖ-Rhetorik

Die FPÖ ist gegenwärtig in einem Aufwind, wie sie ihn noch nie erlebt hat. Bundesweit steht sie laut Umfragen bei 30 Prozent und ist stärkste Partei, es folgen die ÖVP und die sozialdemokratische SPÖ mit jeweils etwa 24 Prozent. „Die Blauen“ sitzen mittlerweile in drei Landesregierungen. Gauß sagt: „Seit vielen Jahren gibt es in Österreich eine Diskursverschiebung nach rechts.“    

Marlene Svazek ist das Gesicht der FPÖ im Bundesland Salzburg. Die 31-Jährige gibt sich fesch und modern. Sie führt die FPÖ an und ist Stellvertreterin des Landeshauptmanns Wilfried Haslauer von der ÖVP, im Wahlkampf wurde sie als „neue Hoffnung“ beworben.

Im Chiemseehof in der Altstadt empfängt Josef Schöchl zum Gespräch. In dem Palais sind der Salzburger Landtag und Landeshauptmann Haslauer beheimatet. Schöchl, 64 Jahre alt, Vize-Vorsitzender des ÖVP-Klubs, also der Landtagsfraktion, gehört zu den altehrwürdigen Instanzen. In der neuen Koalition, so sagt er, arbeite man „in großem Konsens und mit gutem Pragmatismus“. 

Wir haben durch unsere Glaubwürdigkeit und unsere Sozialarbeit überzeugt.

Tobias Schweiger, Bundessprecher von Österreichs Kommunistischer Partei

Wie das geht, trotz der Lautstärke und dem Ausgreifen der FPÖ weit nach rechts? Die Entgleisungen in der politischen Sprache seien „ekelerregend“, meint Schöchl. Dann holt er das schwarz-blaue „Regierungsübereinkommen“ hervor. „Daran halten wir uns, daran messen wir auch die FPÖ“, so der ÖVP-Mann. In der Präambel steht etwa, dass die politische Kultur Salzburgs „von gegenseitiger Toleranz, Respekt und persönlicher Wertschätzung geprägt ist“. Das haben die Leute von der FPÖ unterschrieben.

In Salzburg geschah aber auch etwas nahezu Unvorstellbares. Die Kommunistische Partei KPÖ zog mit 11,7 Prozent erstmals in den Landtag ein, in der Stadt erreichte sie gar 21,5 Prozent. „Wir haben durch unsere Glaubwürdigkeit und unsere Sozialarbeit überzeugt“, meint KPÖ-Bundessprecher Tobias Schweiger.

Wahlkampf bei den Abgehängten

KPÖ-Abgeordnete und -Angestellte bezögen „Durchschnittsgehälter“ und spendeten den Rest an Wohlfahrtsorganisationen. Auch der freundliche 34-jährige Spitzenkandidat Kay-Michael Dankl, Typ bester Schwiegersohn, konnte punkten.

21,5
Prozent der Stimmen erhielt die Kommunistische Partei in der Stadt Salzburg.

Die KPÖ ging mit bis zu 300 Helfern in jene armen Salzburger Problemviertel, „wo sonst kein anderer mehr hinkommt“, so Schweiger. Sie machten Beratung, wenn Miete oder Strom nicht mehr bezahlt werden konnten und das Geld nicht mehr für das Essen reicht. „Unsere Klientel sind Nichtwähler und Leute, die zuvor aus Verzweiflung das Kreuz bei der FPÖ gemacht haben“, meint Schweiger.      

Was sagt die FPÖ zu alldem? Eine Anfrage des Tagesspiegels an die Salzburger FPÖ-Frau Marlene Svazek, den Parlamentsklub und die Parteizentrale selbst wurde von Svazeks Büroleiter beantwortet: Man könne „leider keinen Termin anbieten“. In einer internen Mail an ihr Team, die vorliegt, erteilt Svazek allerdings eine Art Sprechverbot der Zeitung gegenüber. „Halte ich nicht für notwendig, dem näher zu treten“, schreibt sie. „Weder von Seiten der Regierung, noch von Seiten des Klubs oder der Partei.“      

Die große Frage lautet: Können die Parteien, die für einen liberalen Verfassungsstaat stehen, bei der österreichischen Bundeswahl im Herbst 2024 den FPÖ-Siegeszug brechen? Das wären die ÖVP, die SPÖ, die Grünen und die linksliberalen Neos. Der Schriftsteller Gauß sagt: „70 Prozent der Wähler entscheiden sich derzeit gegen die FPÖ. Auch Kickl ist aufhaltbar.“

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