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Dokument eines schwierigen Treffens: Biden und MBS im Sommer 2022.

© AFP / BANDAR AL-JALOUD

Prinz auf Partnersuche: Braucht Saudi-Arabien Amerika nicht mehr?

Das Verhältnis zwischen Saudi-Arabien und den USA ist zerrüttet. Jetzt ist Xi Jinping zu Besuch bei Mohammed bin Salman. Ersetzt China Amerika als Verbündeten?

Auf den ersten Blick läuft alles gut für Mohammed bin Salman. Am Mittwoch landete der chinesische Staatschef Xi Jinping für seinen ersten Besuch in Saudi-Arabien seit fast sieben Jahren in Riad. Eine politische Aufwertung für MBS, wie der Kronprinz genannt wird.

Doch mit einem anderen wichtigen Partner hat sich MBS überworfen: Die zerrütteten Beziehungen zu den USA dürften sich auf absehbare Zeit nicht mehr erholen. Trotz der Annäherung an China braucht der Prinz die Amerikaner.

Noch vor fünf Jahren wurde MBS in Washington und Silicon Valley hofiert, weil er Milliardeninvestitionen versprach. Heute ist sein Ruf bei vielen amerikanischen Politikern ruiniert.

Seine Verwicklung in den Mord an dem saudischen Journalisten Jamal Khashoggi im Jahr 2018 und seine als feindselig empfundene Ölpreis-Politik haben ihn unbeliebt gemacht.

Die US-Regierung gewährte ihm wegen seiner Funktion als saudischer Ministerpräsident jetzt Immunität vor Strafverfolgung im Zusammenhang mit dem Khashoggi-Mord; ein US-Gericht wies darauf eine Klage gegen den Prinzen ab.

Doch auch wenn MBS ab sofort ohne Angst vor Verhaftung nach Amerika reisen könnte, müsste er dort mit viel Kritik rechnen.

Präsident Joe Biden, der vor seinem Amtsantritt zu den schärfsten Gegnern von MBS gehörte, investierte im Sommer viel politisches Kapital, indem er nach Saudi-Arabien flog, um den Prinzen um eine Ausweitung der Ölproduktion zu bitten.

Hat Saudi-Arabien sein Wort bezüglich der Ölproduktion gebrochen?

© AFP/ Bandar Al-Jaloud

Biden entschied sich für die Reise, die wie ein Gang nach Canossa aussah. Denn er befürchtete, die hohen Spritpreise wegen des Ukraine-Krieges könnten seiner Demokratischen Partei bei den Kongresswahlen im November schaden.

Nach US-Angaben sagte der Kronprinz im Gespräch mit Biden zu, mehr Öl fördern zu lassen, um die Preise zu senken. Doch dann tat er das Gegenteil.

Im US-Kongress herrscht anti-saudische Stimmung

Er vereinbarte mit anderen Produzenten, darunter Russland, die Ölproduktion zu drosseln – die Preise blieben hoch. Das hat ihm Biden nicht vergessen. Im Kongress herrscht ebenfalls eine anti-saudische Stimmung.

Falls MBS gehofft haben sollte, dass Biden bei den November-Wahlen durch Zugewinne der Republikaner entscheidend geschwächt würde, hat er sich verrechnet.

Die Demokraten haben die Kontrolle über den Senat behalten, im Repräsentantenhaus haben die Republikaner nur eine dünne Mehrheit.

„Die Beziehungen werden wohl gespannt bleiben“, sagt Omar Rahman von der Denkfabrik Middle East Council on Global Affairs in Katar. Zwischen Biden und MBS gebe es „wenig Vertrauen oder guten Willen“, sagte Rahman unserer Zeitung.

Arabische Herrscher fühlen sich im Stich gelassen

Im Kongress sieht es für die Saudis ebenfalls düster aus, besonders wegen des angeblichen Wortbruchs des Prinzen bei den Ölpreisen und seiner Zusammenarbeit mit Russland in der Gruppe Opec-Plus, einem Verband von Ölproduzenten.

Eine Gruppe von Menschenrechtsorganisationen in den USA appellierte jetzt an das US-Parlament, die Lieferung von Rüstungsgütern an Saudi-Arabien drastisch zurückzufahren.

Zwischen bin Salman und Biden gibt es wenig Vertrauen oder guten Willen.

Omar Rahman, Denkfabrik Middle East Council on Global Affairs

Selbst wenn beide Seiten die jüngsten Irritationen wegen des Ölpreises überwinden können, ist eine Rückkehr zu der engen saudisch-amerikanischen Partnerschaft der vergangenen Jahrzehnte unwahrscheinlich.

25
Prozent des saudischen Öls kauft China

MBS und andere arabische Herrscher haben die Amerikaner im Verdacht, sich auf Dauer aus dem Nahen Osten zurückziehen und sie mit Problemen und Gefahren etwa durch den Iran alleinlassen zu wollen. Deshalb suchen sie die Nähe zu China, das rund 25 Prozent des saudischen Öls kauft.

Der Besuch von Xi in Saudi-Arabien – die erste Visite des chinesischen Präsidenten seit Januar 2016 – ist die Antwort auf die missratene Visite von Biden im Sommer. Saudische Staatsmedien berichten, bei Xis Besuch sollten Wirtschaftsvereinbarungen im Gesamtvolumen von mehr als 25 Milliarden Euro unterzeichnet werden. Beim großen Projekt von MBS – dem Umbau Saudi-Arabiens von einem Öl- zu einem Hightech-Staat – sind die Chinesen als Investoren willkommen.

Ein Höhepunkt des Xi-Besuchs soll das erste arabisch-chinesische Gipfeltreffen am Freitag sein. Anders als die USA, die sich auf der arabischen Halbinsel von „ideologischer Voreingenommenheit“ leiten ließen, setze China auf „gegenseitigen Respekt“, kommentierte die staatliche Zeitung „China Daily“. Das Außenministerium in Beijing nannte Xis Besuchs „epochal“.

MBS kann jedoch nicht einfach die USA als wichtigsten Partner durch China ersetzen. Amerika unterhält große Militärstützpunkte in der Golf-Region, die als Abschreckung gegen iranische Angriffe dienen und in den vergangenen Jahren den internationalen Kampf gegen die Terrormiliz Islamischer Staat anführten.

Saudi-Arabien will seine Ölförderung vorerst gedrosselt halten.

© REUTERS

China hat dagegen keine nennenswerte militärische Präsenz in der Region, sondern profitiert als Öl-Importeur selbst vom amerikanischen Schutzschirm über den Tanker-Routen im Persischen Golf.

Die USA betrachten den Ausbau des chinesischen Einflusses in arabischen Staaten mit Misstrauen und bewegten die Vereinigten Arabischen Emirate im vergangenen Jahr dazu, ein chinesisches Hafenbau-Projekt zu stoppen.

Versöhnung? Nicht in Sicht

Zu der amerikanischen Sicherheitsstruktur im Nahen Osten gebe es eben keine Alternative, sagt Rahman. Außerdem ist das saudische Militär mit US-Waffen ausgerüstet, sodass amerikanische Sanktionen im Rüstungsbereich katastrophal sein könnten.

Nach Rahmans Einschätzung wird MBS deshalb versuchen, das Verhältnis zu Amerika zumindest einigermaßen stabil zu halten. Auch die USA brauchen die Zusammenarbeit mit Saudi-Arabien, dem wichtigsten Ölproduzenten der Welt.

Allerdings seien einer Erholung der Beziehungen auf amerikanischer Seite enge Grenzen gesetzt, sagt Rahman: Die Abneigung gegen MBS in Bidens Partei dürfte eine vollständige Aussöhnung auf absehbare Zeit verhindern.

Andere Golf-Staaten wie Katar oder die Vereinigten Arabischen Emirate, die mit den Saudis um Einfluss in der Region wetteifern, könnten davon profitieren. Auf einen Neuanfang mit den USA wird der Kronprinz mindestens zwei Jahre bis zur nächsten Präsidentenwahl warten müssen.

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