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UN-Friedenssoldaten: von türkisch-zyprischen Polizisten verprügelt.

© AFP/JEWEL SAMAD

Prügel in der Pufferzone: Was hat die Türkei mit der Gewalt gegen UN-Friedenstruppen zu tun?

In einem kleinen Ort auf Zypern prügeln Polizisten slowakische und britische UN-Friedenssoldaten krankenhausreif. Es ging um einen geplanten Versorgungsweg für türkische Bewohner.

Bulldozer schieben UN-Fahrzeuge aus dem Weg, türkisch-zyprische Polizisten greifen slowakische und britische UN-Friedenssoldaten mit Fäusten und Fußtritten an und prügeln sie krankenhausreif: Es ist ein heftiger Streit um ein Straßenbauprojekt in der Pufferzone zwischen dem griechischen und türkischen Zypern, der den Konflikt auf der geteilten Mittelmeerinsel erneut skalieren lässt.

Es geht um einen geplanten neuen Versorgungsweg für die türkischen Bewohner des Dorfes Pile, das auf Griechisch Pyla heißt. Die Ortschaft in der Nähe von Larnaka ist eines von vier ethnisch gemischten Dörfern auf Zypern, die in der UN-kontrollierten Pufferzone liegen.

Die türkisch-zyprischen Behörden wollen die neue Straße bauen, damit die Türken von Pile leichter Schulen und Krankenhäuser im türkischen Inselteil erreichen können. Die UN will das verhindern, weil ihre Soldaten per Mandat verpflichtet sind, den Status quo im Niemandsland zu erhalten.

Alle Bemühungen um eine Wiedervereinigung Zyperns scheiterten bislang

Als sich UN-Soldaten den Baumaschinen in der Pufferzone entgegenstellten, wurden sie von türkisch-zyprischen Polizisten verprügelt. Der Chef der Zypern-Türken, Ersin Tatar, warf der UN-Truppe vor, ein „humanitäres“ Projekt verhindern zu wollen. Die Straße werde trotzdem gebaut, sagte Tatar.

Am Wochenende ruhten die Bauarbeiten in Pile, aber der Streit könnte in der neuen Woche weitergehen: Die UN-Friedenstruppe kündigte an, gegen weitere Bauarbeiten ebenfalls einzuschreiten.

Die UN-Friedenstruppe in Zypern ist seit mehr als einem halben Jahrhundert im Einsatz und soll Griechen und Türken auseinanderhalten. In der ehemaligen britischen Kolonie brachen kurz nach der Unabhängigkeit 1960 schwere Kämpfe zwischen den Volksgruppen aus; auf einen griechischen Putsch in Nikosia 1974 reagierte die Türkei mit einer Militärintervention, die Zypern in einen griechischen Süden und einen türkischen Norden teilte.

International anerkannt ist nur die griechische Inselrepublik, die 2004 der EU als ganze Insel beitrat. Alle Bemühungen um eine Wiedervereinigung scheiterten bislang. Seit sechs Jahren gibt es keine Gespräche zwischen den Volksgruppen mehr.

UN-Generalsekretär Antonio Guterres und EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen verurteilten die Gewalt in der Pufferzone. Dass ein lokaler Streit um eine Dorfstraße zur heftigsten Eskalation auf Zypern seit Jahren führt und die Spitzen von UN und EU auf den Plan ruft, zeigt, wie gefährlich der ungelöste Konflikt auch nach längerer Zeit relativer Ruhe ist.

Der Streit kann jederzeit explodieren.

Mensur Akgün, Politologe an der Istanbuler Kultur-Universität

In Pile sei das Konfliktpotenzial auf Zypern deutlich geworden, sagt Mensur Akgün, Politologe an der Istanbuler Kultur-Universität und Experte für die Zypern-Frage: „Der Streit kann jederzeit explodieren“, sagte er dem Tagesspiegel.

Der Krach in Pile ging offenbar von den Inseltürken aus, nicht von ihrer Schutzmacht Türkei, die sich seit einigen Monaten um bessere Beziehungen zu Griechenland und zur EU bemüht.

Provokationen wären für Ankara derzeit widersinnig.

Dimitrios Triantaphyllou, Türkei-Experte an der Panteion-Universität in Athen

„Provokationen wären für Ankara derzeit widersinnig“, sagt Dimitrios Triantaphyllou, Türkei-Experte an der Panteion-Universität in Athen.

Er habe eher Gegner von Friedensverhandlungen auf der Insel im Verdacht, sagte Triantaphyllou dem Tagesspiegel: „Die Nein-Sager zeigen die Zähne.“ Zu dieser Einschätzung passt, dass die türkischen Solidaritätsbekundungen mit Tatars Regierung relativ zurückhaltend ausfielen.

Auch Zypern-Experte Akgün glaubt nicht, dass die Türkei in Pile gezündelt hat. Sowohl die Türkei als auch Griechenland bemühten sich darum, die Spannungen herunterzuspielen, sagte er.

Allerdings sei die Gewalt in Pile ein Signal: Auf Zypern könne es so nicht weitergehen. „Wir müssen dieses Problem irgendwie lösen“, sagt Akgün.

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