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Putin freut sich über ein stabiles Wirtschaftswachstum.

© REUTERS/Sputnik

Ukraine-Invasion Tag 582: Russlands Wirtschaft wächst, Deutschlands schrumpft – ein Oligarch hat eine Theorie, warum

Alexej Nawalny muss für ein Jahr in Einzelhaft, Trudeau entschuldigt sich für Ehrung von SS-Veteran, ukrainische Kriegsflüchtlinge können weiter in der EU bleiben. Der Überblick am Abend.

Russlands Wirtschaft wächst, die Deutschlands wird 2023 schrumpfen. Zugegeben, es ist ein Äpfel-Birnen-Vergleich, lenkt aber den Blick auf die doch überraschende Resilienz des putinschen Wirtschaftssystems. Der russische Präsident Wladimir Putin sprach zuletzt von einem Wirtschaftswachstum von 2,8 Prozent in diesem Jahr, die Internationale Währungsfonds geht immerhin von 1,5 Prozent aus. Für Deutschland sagen die Experten einen Rückgang von 0,6 Prozent der Wirtschaftsleistung voraus. 

Nun kann man mit einigem Recht einwenden, dass Putins Kriegswirtschaft den russischen Geldkreislauf am Laufen und am Leben hält und das russische Wirtschaftsmodell, das auf den klimaschädlichen Energieträgern Erdöl und Erdgas fußt, wenig nachhaltig ist. Für den Moment kann das dem Kremlherrscher aber herzlich egal sein.

Der bekannte russische Oligarch Oleg Deripaska hat sich zuletzt zu den Gründen geäußert, warum die russische Wirtschaft sich besser schlägt, als es angesichts der Sanktionen des Westens zu erwarten war. Deripaska ist unter anderem am zweitgrößten Aluminiumunternehmen der Welt beteiligt und an einer von Russlands größten Investmentgesellschaften. Zudem mischt er im russischen Flugverkehr und Energiesektor mit. 

Gegenüber der „Financial Times“ erklärt Deripaska, dass ihn die Entwicklung der russischen Wirtschaft selbst überrascht. „Ich war mehr oder weniger sicher, dass bis zu 30 Prozent der Wirtschaft zusammenbrechen würde, aber es war viel weniger.“ Dass das nicht eintrat, lag laut dem Milliardär zum einen am Wachstum der Industrieproduktion in Russland und dem verstärkten Export in die Länder des globalen Südens; hier ist es vor allem auch der weiter laufende Export von Erdöl und Ölprodukten, der einen Großteil des Staatshaushaltes finanziert. Laut offiziellen russischen Zahlen ist der Export nach China zuletzt um ein Drittel gewachsen, der nach Indien hat sich verdreifacht. Außerdem habe sich die Privatwirtschaft gut auf die Situation eingestellt, sagt er.

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Dabei gehört Deripaska nicht zu den erklärten Putin-Fans. Seine eher kriegskritischen Äußerungen brachten ihm Drohungen aus dem Kreml ein, eine seiner Immobilien wurde konfisziert. Sein Standpunkt: In diesem Krieg gibt es für keine Seite mehr etwas zu gewinnen. In Putins Russlands grenzt auch das schon an Vaterlandsverrat. 

Sein Blick auf die wirtschaftliche Situation: „Wir haben so viele Anstrengungen unternommen, um die Welt global zu machen, in Bezug auf Handel, Investitionen, Informationsfluss. Sanktionen wirken da einfach nicht, sie sind ein Instrument des 19. Jahrhunderts. Im 21. Jahrhundert sind sie nicht mehr effizient.“

Und weiter: „Von der nächsten Milliarde Menschen, die bald geboren werden, werden 70 Prozent in dieser Region (Asien, Anm. d. Red.) leben. Sehen wir der Realität ins Auge: Sie wollen Entwicklung, sie brauchen russische Ressourcen, russische Lösungen, Handel mit Russland.“

Man muss Deripaskas Standpunkt nicht mögen. Einen Punkt hat er aber wohl. Und über den sollte sich auch der Westen Gedanken machen, wenn es darum geht, wie man Putin wirtschaftlich unter Druck setzen kann. 

Die wichtigsten Nachrichten des Tages

  • Alexej Nawalny muss für ein Jahr in Einzelhaft: Es handele sich um die „die höchstmögliche Strafe“ im russischen Gefängnissystem, wird Nawalny zitiert. Erst am Dienstag hatte ein Gericht dessen Verurteilung zu insgesamt 19 Jahren Haft bestätigt. Mehr hier.
  • Deutschland unterzeichnet Kauf israelischer Raketenabwehr Arrow 3: Eine Absichtserklärung über den Kauf des Systems ist unterschrieben. Arrow 3 kann gegen Angriffe mit Mittelstreckenraketen schützen. Finanziert wird der Deal mit dem Sondervermögen. Mehr hier. 
  • Trudeau entschuldigt sich für Ehrung von SS-Veteran: Der kanadische Premierminister bedauere die Würdigung eines ehemaligen Soldaten der Waffen-SS. Sie sei eine „schreckliche Verletzung“ des Andenkens an Millionen von Holocaustopfern. Mehr hier. 
  • Bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg am Donnerstag in Kiew sagte Selenskyj, der Nato-Beitritt der Ukraine sei nur „eine Frage der Zeit“. Die Ukraine tue alles, „um diesem Zeitpunkt näherzukommen“. Selenskyj forderte bei dem Treffen von der Nato mehr Unterstützung bei der Luftabwehr, um die Energie-Infrastruktur seines Landes vor allem im nahenden Winter schützen zu können. Stoltenberg wolle bei der Mobilisierung der Nato-Staaten in diesem Punkt helfen. „Wir müssen gemeinsam durch diesen Winter gehen, um unsere Energie-Infrastruktur und das Leben unser Bürger zu schützen“, sagte der ukrainische Präsident. Mehr in unserem Newsblog.
  • Eine Rakete, die im vergangenen November im Südosten Polens zwei Menschen getötet hatte, stammte polnischen Ermittlungen zufolge aus der Ukraine. Der polnische Justizminister Zbigniew Ziobro sagte am Donnerstag, eine Untersuchung polnischer Staatsanwälte sei zu dem „eindeutigen“ Ergebnis gekommen, „dass es sich bei dieser Rakete um eine ukrainische Rakete handelte“. Bei der Untersuchung sei der Ort ermittelt worden, „von dem aus die Rakete abgefeuert wurde“, sagte Ziobro. Es handelte sich demnach um ein Geschoss aus sowjetischer Produktion. 
  • Das Bundeskartellamt hat keine Einwände gegen die Gründung eines Gemeinschaftsunternehmens des deutschen Rüstungskonzerns Rheinmetall und des ukrainischen Staatskonzerns Ukrainian Defense Industry (UDI). 
  • Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine können mindestens bis März 2025 problemlos in der EU bleiben. Darauf einigten sich die EU-Innenminister am Donnerstag in Brüssel. Die Verlängerung der Sonderregeln biete Gewissheit für die mehr als vier Millionen ukrainischen Flüchtlinge, die in der EU einen sicheren Hafen gefunden hätten, teilte der spanische Vorsitz des EU-Innenministerrats mit. 
  • Im Streit um ukrainische Getreideimporte ist keine schnelle Lösung in Sicht. In einem Treffen am Donnerstag konzentrierten sich Unterhändler auf einen Meinungsaustausch über den Vorschlag der Ukraine für einen Aktionsplan gegen Marktverzerrungen, wie die Kommission am Abend in Brüssel mitteilte. Im Treffen vorgebrachte „konstruktive Vorschläge“ sollen demnach möglichst schnell umgesetzt werden. 
  • Der russische Präsident Wladimir Putin hat einem Reporter des staatlichen Fernsehens zufolge den tschetschenischen Machthaber Ramsan Kadyrow getroffen. Das teilt der Moderator Pawel Sarubin auf seinem Telegram-Kanal mit. Zuletzt gab es Spekulationen über den Gesundheitszustand von Kadyrow.
  • Russland will seine Verteidigungsausgaben im kommenden Jahr um fast 70 Prozent erhöhen. Die Mittel für das Militär sollen im Jahresvergleich um mehr als 68 Prozent auf fast 10,8 Billionen Rubel (rund 106 Milliarden Euro) steigen, wie das Finanzministerium in Moskau am Donnerstag mitteilte. Sie würden damit rund sechs Prozent des russischen Bruttoinlandsprodukts ausmachen. 
  • Der neue britische Verteidigungsminister Grant Shapps hat zum Antrittsbesuch bei Präsident Wolodymyr Selenskyj der Ukraine weitere Unterstützung zugesichert. „Wir werden unermüdlich daran arbeiten, unsere Partner zusammenzubringen, um der Ukraine dabei zu helfen, Putins illegale Invasion niederzuschlagen“, schrieb Shapps am Donnerstag auf X (ehemals Twitter). Laut Präsidentenamt in Kiew betonte Selenskyj vor allem, wie wichtig eine Stärkung der Luftabwehr sei. Dies sei vor allem mit Blick auf mögliche neue russische Luftschläge gegen die Energie-Infrastruktur des Landes im Winter nötig, sagte er demnach. 
  • Großbritannien geht davon aus, dass die russischen Luftstreitkräfte im Angriffskrieg gegen die Ukraine bisher schätzungsweise 90 Flugzeuge verloren haben. „Einige ihrer Kampfflugzeugtypen werden auch viel intensiver geflogen als in Friedenszeiten“, teilte das britische Verteidigungsministerium am Donnerstag in seinem täglichen Update mit. Alle Flugzeuge hätten eine erwartete Lebensspanne in Flugstunden. 
  • Die Bundesregierung hat der Ukraine seit Kriegsbeginn im vergangenen Jahr Waffen im Wert von rund 18 Milliarden Euro geliefert oder zugesagt – und verlangt dafür keine Bezahlung. Die militärischen Unterstützungsleistungen seien „nicht rückerstattungspflichtig“, heißt es in einer Antwort des Bundesfinanzministeriums auf eine Anfrage der Linken-Bundestagsabgeordneten Sevim Dagdelen; die Antwort lag der Nachrichtenagentur AFP am Donnerstag vor. 
  • Die ukrainische Armee hat in der Nacht zu Donnerstag nach eigenen Angaben mehr als 30 russische Drohnen abgeschossen. Russland habe insbesondere den Süden des Landes mit einer „massiven“ Angriffswelle überzogen, schrieb Armeesprecherin Natalia Gumenjuk im Onlinedienst Telegram. Die Luftabwehr habe zahlreiche Drohnen in den Regionen Odessa und Mykolajiw zerstört. Zudem habe Russland Ziele Zentrum des Landes mit Drohnen attackiert. 
  • Die ukrainischen Truppen wehren derzeit einem Militärsprecher zufolge Angriffe der russischen Streitkräfte an der Ostfront ab. „Wir wehren weiterhin heftige feindliche Angriffe in der Nähe von Klischtschiwka und Andrijwka ab“, sagte Ilja Yewlasch im staatlichen Fernsehen der Ukraine. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj verwies in einem Beitrag auf Telegram kurz auf „unseren Vorstoß im Sektor Donezk“ im Osten, nannte aber keine Einzelheiten. 
  • Russland ist nach Aussagen von Außenminister Sergej Lawrow weiterhin unter bestimmten Bedingungen bereit, Abkommen über die Ukraine abzuschließen. „Unsere Position bleibt dieselbe: Wir sind bereit, Abkommen zu treffen, vorausgesetzt, dass die aktuelle Situation vor Ort berücksichtigt wird“, zitierte die staatliche Nachrichtenagentur Tass Lawrow in einem am frühen Donnerstagmorgen veröffentlichten Interview. Darüber hinaus müssten die Sicherheitsinteressen Russlands beachtet werden, darunter die Notwendigkeit, „die Schaffung eines feindlichen Nazi-Regimes in der Nähe der russischen Grenzen zu verhindern“.

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