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Über den Grenzübergang Bab al Hawa werden die Hilfsgüter in den Nordwesten Syriens gebracht. Nun ist das vorerst nicht mehr möglich.

© AFP/OMAR HAJ KADOUR

Syrienhilfe ausgesetzt: Der Sicherheitsrat sollte nicht über die Versorgung von Millionen entscheiden

Moskau blockiert im UN-Sicherheitsrat eine Verlängerung der Hilfe für Syrien. Aber wie kann es sein, dass ein politisch zerstrittenes Gremium darüber entscheidet?

Ein Kommentar von Christian Böhme

Fast gespenstisch ruhig ist es in Bab al Hawa. Dort, wo sonst Tag für Tag Hunderte von Lastwagen den Grenzübergang von der Türkei in den Nordwesten Syriens passieren, ist seit Dienstag nicht mehr viel los.

Dabei werden die Hilfstransporte der Vereinten Nationen und anderer Organisationen dringend gebraucht. In der vom Bürgerkrieg und einem schweren Erdbeben verwüsteten Provinz Idlib sind fast drei Millionen Menschen auf Hilfe angewiesen, um überleben zu können.

In der gesamten Region sind es sogar mehr als vier Millionen Kinder, Frauen und Männer. Sie können aber nur über Bab al Hawa versorgt werden.

Doch Russland hat wieder einmal seine Zustimmung zur Nothilfe verweigert – um auf zynische Art und Weise Stärke zu demonstrieren. Nach dem selbstherrlichen Motto: Seht her, ohne uns geht gar nichts.

Moskau verhält sich wie ein Schläger auf dem Schulhof

Linda Thomas-Greenfield, UN-Botschafterin der USA

Amerikas UN-Botschafterin Linda Thomas-Greenfield formuliert es ebenso treffend wie drastisch: Moskau verhalte sich wie ein „Schläger auf dem Schulhof“, der allen anderen seinen Willen aufzwingen wolle.

Parken statt fahren: Hilfstransporte dürfen derzeit nicht den Kontrollpunkt an der türkisch-syrischen Grenze passieren.

© AFP/OMAR HAJ KADOUR

Tatsächlich legte der russische Vertreter im UN-Sicherheitsrat sein Veto gegen einen Vorschlag ein, der es den Helfern erlaubt hätte, den Menschen weitere neun Monate zu helfen. Russland wollte nur einer sechsmonatigen Erlaubnis zustimmen. Nun muss neu verhandelt werden, während die Menschen in Syrien hungern und nicht auf rasche Unterstützung hoffen können.

Das Kräftemessen der Großmächte geht wieder einmal auf beschämende Weise zu ihren Lasten. Verantwortlich dafür ist vor allem Russland mit seiner Verweigerungshaltung zugunsten seines Protegés Baschar al Assad.

Wladimir Putin und sein Schützling Baschar al Assad.

© AFP/ALEXEY DRUZHININ

Schließlich soll der syrische Machthaber bestimmen dürfen, wer Hilfe bekommt und wer nicht. Die Oppositionellen in Idlib gehören aus seiner Sicht keineswegs zu denen, die etwas brauchen – außer die Stiefel seiner Soldaten im Gesicht.

Das Gezerre um die Hilfe für Syrien macht allerdings auch ein grundsätzliches Dilemma deutlich. Wie kann es sein, dass mit dem Weltsicherheitsrat – gegründet 1945 – ein politisches Gremium über die Versorgung von Millionen Menschen entscheidet? Ein Gremium, in dem die Mitglieder bei jeder Gelegenheit ihre Konflikte austragen. Ein Gremium, das durch ein verbrieftes Vetorecht Einstimmigkeit erzwingt.

Ein unabhängiges Gremium sollte über die UN-Hilfe entscheiden

Das Recht auf humanitäre Hilfe muss viel stärker wiegen als der Egoismus einzelner Staaten! Hat es aber nicht. Deshalb ist es so wichtig und längst überfällig, endlich eine Instanz zu schaffen, die unabhängig von politischen Interessen und möglichst unbürokratisch über UN-Hilfe entscheidet. Zumindest darüber nachzudenken, würde sich lohnen – im Interesse der notleidenden Menschen in aller Welt.

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