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Donald Trump bei Wahlveranstaltung

© REUTERS/Scott Morgan

Von Vorwahl in Colorado ausgeschlossen: Das Urteil könnte Trumps Kandidatur ins Wanken bringen

Das oberste Gericht von Colorado schließt Donald Trump von der Präsidentschaftsvorwahl in dem Staat aus. Der Grund ist seine Rolle beim Kapitolssturm. Das Urteil ist ein Novum in der US-Geschichte.

Ein vergleichbares Urteil gab es in der Geschichte der USA noch nie: Der ehemalige US-Präsident Donald Trump muss nach Auffassung des obersten Gerichts von Colorado von der Wahl fürs Weiße Haus in dem Bundesstaat ausgeschlossen werden. 

Das Gericht verkündete am Dienstagabend (Ortszeit) seine spektakuläre Entscheidung, die von Trump angefochten werden dürfte. Die US-Verfassung verbiete es Trump, auf dem Wahlzettel in Colorado zu erscheinen, da er den Sturm auf das Kapitol am 6. Januar 2021 angezettelt habe, argumentierten die Richter.

Der Ex-Präsident habe durch Tweets und Reden zum Aufstand angestiftet, was ihn für das Amt disqualifiziere, so die Begründung. Der 77-Jährige will für die Republikaner noch einmal ins Weiße Haus einziehen.

„Juristisches Neuland“

Für den Moment stellt das Urteil keine direkte Bedrohung für Trumps Präsidentschaftsbewerbung dar. Allerdings könnte die Entscheidung ähnlichen Klagen in anderen Bundesstaaten Auftrieb verleihen – und damit seine Chancen im Wahlkampf schmälern.

Hintergrund ist, dass diverse Kläger in verschiedenen US-Bundesstaaten versuchen, Trump von den Wahlzetteln für die Präsidentenwahl 2024 zu streichen. Bislang waren sie damit nicht erfolgreich.

Das Urteil ist eine große Bedrohung für Trumps Kandidatur

Derek Muller, US-Rechtsprofessor

Colorado ist in dieser Hinsicht juristisches „Neuland“, wie die beteiligten Richter einräumten. „Das Pflaster ist ab“, sagte der US-Rechtsprofessor Derek Muller der Nachrichtenagentur AP. „Das Urteil ist eine große Bedrohung für Trumps Kandidatur.“ 

Der demokratische Abgeordnete Jamie Raskin, der eine federführende Rolle beim zweiten Amtsenthebungsverfahren (Impeachment) gegen Donald Trump hatte, warnte vor möglicher Gewalt von Trump-Anhängern als Reaktion auf das Urteil. Sollte es dazu kommen, „ist das etwas, das Amerika verhindern muss“, so Raskin.

Möglicher Domino-Effekt in anderen Staaten

Trumps Anwälte kündigten unmittelbar nach dem Urteil an, Berufung beim Obersten Gerichtshof der Vereinigten Staaten (Supreme Court) einzulegen. Nach Ansicht der Behörden von Colorado muss der Rechtsstreit bis zum 4. Januar geklärt sein, denn einen Tag später gehen die Stimmzettel für die Vorwahlen in den Druck. Bis dahin ist das Urteil also noch nicht rechtskräftig. 

Sollte das Urteil Bestand haben, wäre Colorado verpflichtet, Trump von den republikanischen Vorwahlen auszuschließen, die am sogenannten „Super Tuesday“ am 5. März abgehalten werden. Gleiches gilt nach Ansicht von Juristen für den eigentlichen Wahltag am 5. November, an dem Trump dann ebenfalls vom Wahlzettel verbannt werden würde.

Trump braucht den Staat nicht, um die Präsidentschaftswahlen zu gewinnen, denn Colorado wählt traditionell demokratisch. Die eigentliche Gefahr für den ehemaligen Präsidenten besteht darin, dass weitere Gerichte und Wahlbehörden dem Beispiel Colorados folgen. 

Muss der Supreme Court entscheiden?

Dem Supreme Court könnte nun die Verantwortung zukommen, ein Grundsatzurteil darüber zu fällen, ob Trump ausgeschlossen werden darf oder nicht. 

Das oberste Gericht der USA ist mehrheitlich konservativ besetzt, allein drei von neun Richtern wurden während Trumps Amtszeit nominiert. Zuletzt kippte das Gericht unter anderem das bundesweite Recht auf Schwangerschaftsabbrüche. „Wir haben volles Vertrauen, dass der Oberste Gerichtshof schnell zu unseren Gunsten entscheiden wird“, teilte Trumps Kampagne am Dienstag mit.

Trump selbst trat am Dienstagabend in Iowa auf, wo am 15. Januar die ersten Vorwahlen abgehalten werden. Dort thematisierte er das Urteil aus Colorado nicht auf der Bühne, er hielt seinen Auftritt mit unter einer Stunde vergleichsweise kurz.

Siegt Trump in Iowa und bei den Vorwahlen in New Hampshire eine Woche später, könnte er die republikanische Präsidentschaftskandidatur bereits gesichert haben. Offiziell findet die Nominierung im Sommer statt.

„Rebellen“ von Ämtern fernhalten

Eine Gruppe republikanischer und unabhängiger Wähler hatte die Klage in Colorado gemeinsam mit der Bürgerrechtsgruppe Citizens for Responsibility and Ethics eingereicht. Basis für das Urteil ist der Abschnitt 3 des sogenannten 14. Verfassungszusatzes.

Die Passage wurde nach dem amerikanischen Bürgerkrieg in die Verfassung aufgenommen, um Personen, die an einem „Aufstand oder einer Rebellion“ beteiligt waren, von Ämtern fernzuhalten.

Die Entscheidung in Colorado wurde mit vier zu drei Stimmen getroffen, alle beteiligten Richter wurden von demokratischen Gouverneuren ernannt. Das Gericht wies mögliche Vorwürfe der Befangenheit zurück. „Wir kommen nicht leichtfertig zu unserer Schlussfolgerung“, schrieben die Richter, die Entscheidung sei „ohne Bevorzugung und Beeinflussung“ vonstattengegangen.

Biden warnt vor Wahlsieg Trumps

US-Präsident Joe Biden warnte nur Stunden zuvor vor einem erneuten Wahlsieg Trumps. „Die Sprache, die er verwendet, erinnert an die Sprache, die in den 1930er-Jahren in Deutschland herrschte“, sagte Biden vor Anhängern in Washington. In den vergangenen Wochen verglichen Bidens Kampagnensprecher Trump mehrfach mit Adolf Hitler und warnten vor einem diktatorischen Regime, sollte Trump erneut ins Weiße Haus einziehen.

Die Schuldfrage des Sturms auf das Kapitol wird derzeit in mehreren Gerichtsprozessen gegen Trump verhandelt. Anhänger des Ex-Präsidenten waren am 6. Januar 2021 gewaltsam in den Parlamentssitz in Washington eingedrungen.

Dort war der Kongress zusammengekommen, um den Sieg des Demokraten Biden bei der Präsidentenwahl formal zu bestätigen. Trump hatte seine Anhänger zuvor bei einer Rede aufgewiegelt. Infolge der Krawalle kamen fünf Menschen ums Leben.

Dieser Text ist zuerst im Handelsblatt erschienen.

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