zum Hauptinhalt
Oppositionsführer Donald Tusk am Wahlabend.

© AFP/JANEK SKARZYNSKI

Update

Tusk drängt auf Regierungsauftrag: Oppositionsbündnis erringt die Mehrheit in Polen

Nach acht Jahren PiS-Regierung steht in Polen ein Machtwechsel an. Die Drei-Parteien-Opposition kann künftig eine Regierung bilden, sollte ihnen der amtierende Präsident den Auftrag dazu geben.

| Update:

Bei der Parlamentswahl in Polen hat ein Bündnis aus drei Oppositionsparteien laut dem amtlichen Endergebnis eine Mehrheit der Sitze errungen. Dies gab die Wahlkommission in Warschau am Dienstag nach Auszählung aller Stimmen bekannt. Die bisherige nationalkonservative Regierungspartei Recht und Gerechtigkeit (PiS) verfehlte demnach die absolute Mehrheit.

Polens Oppositionsführer Donald Tusk hat an Präsident Andrzej Duda appelliert, nach der Parlamentswahl am Sonntag nun rasch den Auftrag zur Regierungsbildung zu vergeben. „Die Menschen warten auf die ersten Entscheidungen, die die Konsequenzen aus dieser Wahl sind“, sagte Tusk am Dienstag in einer per Facebook verbreiteten Videobotschaft.

Nach Auszählung aller Wahlkreise kam die PiS (Recht und Gerechtigkeit) auf 35,38 Prozent. Das liberal-konservative Wahlbündnis Bürgerkoalition (KO) von Oppositionsführer Donald Tusk erhielt 30,7 Prozent der Stimmen.

In Polen ist es politische Gepflogenheit, aber kein Muss, dass zunächst ein Politiker aus der stärksten Fraktion diesen Auftrag erhält. Bekommt dessen Vorschlag für ein Kabinett im Parlament keine Mehrheit, wären die übrigen Fraktionen am Zug. Politische Beobachter in Warschau rechnen damit, dass Duda zunächst einen PiS-Politiker mit der Regierungsbildung beauftragen könnte, um den Machtwechsel zu verzögern. Dies würde Polen Wochen der Instabilität bringen.

Empfohlener redaktioneller Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen von unseren Redakteuren ausgewählten, externen Inhalt, der den Artikel für Sie mit zusätzlichen Informationen anreichert. Sie können sich hier den externen Inhalt mit einem Klick anzeigen lassen oder wieder ausblenden.

Ich bin damit einverstanden, dass mir der externe Inhalt angezeigt wird. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr Informationen dazu erhalten Sie in den Datenschutz-Einstellungen. Diese finden Sie ganz unten auf unserer Seite im Footer, sodass Sie Ihre Einstellungen jederzeit verwalten oder widerrufen können.

Die KO plant eine Regierungskoalition mit dem christlich-konservativen Dritte Weg (14,4 Prozent) und dem Linksbündnis Lewica, das auf 8,61 Prozent kam. Das Dreierbündnis kommt zusammen auf 248 der insgesamt 460 Sitze und damit eine Mehrheit der Mandate.

Die PiS wird laut Wahlkommission mit 194 Abgeordneten stärkste Kraft im neuen Parlament. Sie wäre aber für eine Regierungsmehrheit auf einen Koalitionspartner angewiesen. Dafür käme nur die ultrarechte Konfederacja infrage, doch die brachte es auf 7,16 Prozent und 18 Sitze - das reicht nicht zur Mehrheit.

PiS-Chef Kaczynski nach der Wahl.

© REUTERS/ALEKSANDRA SZMIGIEL

Auch im Senat, der weniger bedeutenden zweiten Kammer des Parlaments, gewann die Opposition die Mehrheit der Sitze. Das Bündnis „Senats-Pakt“, zu dem neben der KO, dem Dritten Weg und dem Linksbündnis Lewica auch unabhängige Kandidaten gehören, holte 66 Sitze, auf die PiS entfallen die restlichen 34.

Langwierige Regierungsbildung wahrscheinlich

Tusk kommt nun die Schlüsselrolle zu. Der frühere EU-Ratspräsident kann eine Regierung aus KO, Drittem Weg und Neuer Linke schmieden - und den Dauerstreit mit Brüssel beenden. Der 66-Jährige hat damit gute Chancen, Ministerpräsident zu werden und Amtsinhaber Mateusz Morawiecki abzulösen.

Erwartet wird jedoch eine langwierige Regierungsbildung. Das dürfte auch an Polens Präsident Andrzej Duda liegen, selbst aus dem PiS-Lager.

Er hatte vor der Wahl angekündigt, zunächst der PiS als stärkster Einzelpartei den Auftrag zur Regierungsbildung zu erteilen. Experten rechnen allerdings damit, dass es für die PiS kaum möglich wird, genügend Partner für eine Mehrheit zu finden. 

Höchste Beteiligung seit Ende des Kommunismus

Auffällig war die hohe Wahlbeteiligung von 73,9 Prozent. Präsident Andrzej Duda sprach von einem „überwältigenden Ergebnis“. Es war die höchste Beteiligung seit dem Ende des Kommunismus 1989.

Empfohlener redaktioneller Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen von unseren Redakteuren ausgewählten, externen Inhalt, der den Artikel für Sie mit zusätzlichen Informationen anreichert. Sie können sich hier den externen Inhalt mit einem Klick anzeigen lassen oder wieder ausblenden.

Ich bin damit einverstanden, dass mir der externe Inhalt angezeigt wird. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr Informationen dazu erhalten Sie in den Datenschutz-Einstellungen. Diese finden Sie ganz unten auf unserer Seite im Footer, sodass Sie Ihre Einstellungen jederzeit verwalten oder widerrufen können.

Beobachter werten die hohe Wahlbeteiligung auch als Zeichen, dass die Bevölkerung einen Wandel möchte. Ein möglicher Machtwechsel in Warschau würde auch eine Wende in der polnischen Außenpolitik bringen.

Die nationalkonservative PiS liegt wegen einer Justizreform im Dauerclinch mit Brüssel, das Verhältnis zu Berlin befindet sich auch wegen ihrer Forderungen nach Weltkriegsreparationen in Höhe von 1,3 Billionen Euro auf einem Tiefpunkt.

Die drei Oppositionsparteien, die sich unter Tusks Führung zusammentun könnten, stehen für einen proeuropäischen Kurs und eine versöhnlichere Politik gegenüber Deutschland. (dpa, Reuters)

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false