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Eine zerstörte Tankstelle in der Stadt Nikopol. Eine Stadt, die nie durch Russland besetzt gewesen ist. Laut Bürgermeister sind dennoch mehr als die Hälfte der Einwohner geflohen. 

© Celestino Arce Lavin/picture alliance

Ukraine-Invasion Tag 343: Wie lebt es sich in den von der Ukraine zurückeroberten Dörfern?

Der Umfang der aktuellen EU-Ausbildungsmission für die ukrainischen Streitkräfte soll verdoppelt werden, die Mehrheit der Deutschen hat Angst vor einer Ausweitung des Ukraine-Kriegs. Der Überblick am Abend.

Eine der Frontlinien des Krieges ist der Fluss Dnipro. Nachdem die russischen Soldaten durch eine Offensive der Ukraine zum Rückzug gezwungen worden waren, kontrollieren die Russen nun das Ostufer, die Ukrainer den Westen. Aber wie lebt es sich in den zurückeroberten Dörfern, die Gefahr eines Angriffs noch immer in spürbarerer Reichweite? Journalisten der „Washington Post“ haben sich auf eine Reise durch die Dörfer in der Region Cherson gemacht (Quelle hier).

Es lohnt sich, sich die gesamte Geschichte der Washingtoner Kolleginnen und Kollegen anzuschauen. Durch viele eindrucksvolle Fotos und Gespräche mit Einwohnern zeigt sich ein Bild vom Alltag der Menschen, die noch immer oder wieder in den kleinen Orten ausharren, häufig ohne Gas und Strom.

Da ist etwa das erst kürzlich befreite Dorf Oleksandriwka. Vor dem Krieg lebten dort mehr als 2000 Menschen. Zwischenzeitlich waren es nur noch 16, seit der Rückeroberung stieg die Zahl wieder auf 150 an. Die meisten Rückkehrer hätten feststellen müssen, dass kaum noch etwas von ihrer Heimat übrig geblieben ist. „Wenn es eine Hölle gab, dann war sie hier“, sagte die Dorfvorsteherin Natalya Kametska der „Washington Post“.

Da ist Tiahynka, das vor drei Monaten von den Ukrainern zurückerobert wurde. Die Journalisten trafen dort die 72-jährige Helena Horobets. Sie und ihr Sohn haben, so heißt es in dem Bericht, ihre Wertsachen verpackt und lebten nun größtenteils in ihrem Keller – aus Angst vor neuem Beschuss von der anderen Flussseite. Überlebt haben sie durch den Verkauf von Geflügel und Milchprodukten. Tochter und Enkelin dagegen sind geflohen, das fünfjährige Mädchen sei durch den Krieg so traumatisiert gewesen, dass sie stotterte und zitterte.

Und da ist Nikopol, am Ende der Reise, eine Stadt, die nie durch Russland besetzt gewesen ist. Laut Bürgermeister sind dennoch mehr als die Hälfte der Einwohner geflohen. Die Stadt sei zwar durch den dort sehr breiten Fluss geschützt, sodass die russischen Truppen nur schwer eindringen könnten. Der Nachteil aber sei, dass die Russen immer noch in Reichweite sind.

Die wichtigsten Nachrichten des Tages

  • Laut den Analysten des amerikanischen Militär-Thinktanks „Institute for the Study of War“ (ISW) setzt Russland bei seinen Eroberungsversuchen rund um die Stadt Bachmut in der Donbass-Region zunehmend auf herkömmliche Militäreinheiten. Details lesen Sie hier.
  • Der Umfang der aktuellen EU-Ausbildungsmission für die ukrainischen Streitkräfte soll verdoppelt werden. Als neues Ziel sei vorgesehen, 30.000 ukrainische Soldatinnen und Soldaten in EU-Staaten auszubilden, teilten mehrere EU-Beamte in Brüssel mit. Bislang war das Ziel, rund 15.000 Soldaten zu trainieren.
  • Deutschland will einem Dokument des Verteidigungsministeriums zufolge acht Iris-T Luftabwehrsysteme für die Bundeswehr kaufen. Das Projekt steht auf einer Liste zu geplanten Beschaffungsmaßnahmen, die auf den 25. Januar datiert ist und die von der Nachrichtenagentur Reuters am Mittwoch eingesehen wurde. Mehr dazu lesen Sie hier.
  • Eine große Mehrheit der Menschen in Deutschland treibt einer Umfrage zufolge die Sorge um, dass sich der Ukraine-Krieg ausweiten könnte. In einer Erhebung von Forsa für RTL und ntv gaben 72 Prozent der Teilnehmenden an, sie befürchteten, dass sich der Krieg nicht auf das Gebiet der Ukraine beschränken werde, wie das Meinungsforschungsunternehmen mitteilte. Mehr hier.
  • Die USA bereiten Insidern zufolge ein milliardenschweres Hilfspaket für die Ukraine vor, das erstmals auch Raketen mit längerer Reichweite beinhalten soll. Das 2,2 Milliarden Dollar schwere Paket, das noch in dieser Woche angekündigt werden soll, umfasse auch Ausrüstungen für Patriot-Luftabwehrsysteme, Präzisionsmunition und Javelin-Panzerabwehrwaffen, sagten zwei mit der Angelegenheit vertraute US-Vertreter der Nachrichtenagentur Reuters. Das US-Präsidialamt lehnte eine Stellungnahme zunächst ab.
  • In Tschechien werden zwei massive Geldtransporter zu Sanitätsfahrzeugen für die Ukraine umgebaut. Man habe die gepanzerten Lastwagen für diesen Zweck zur Verfügung gestellt, bestätigte eine Sprecherin der Nationalbank in Prag. Die Fahrzeuge dienten früher dem Transport von großen Mengen Bargeld innerhalb des Landes. Der EU- und Nato-Mitgliedstaat hat mit der Krone eine eigene Währung.
  • Nach Vorwürfen der USA hinsichtlich des Atomwaffen-Kontrollvertrags New Start hat der Kreml seinerseits Washington des Verstoßes gegen Abrüstungsvereinbarungen beschuldigt. Die USA hätten „den rechtlichen Rahmen im Bereich der Abrüstung und Sicherheit zerstört“, sagte Kreml-Sprecher Dmitri Peskow in Moskau.
  • In der Ukraine haben staatliche Ermittler offenbar Hausdurchsuchungen bei Oligarch Ihor Kolomojskyj und Ex-Innenminister Arsen Awakow durchgeführt. Medienberichten zufolge gehe es bei Kolomojskyj um „Unterschlagung von Erdölprodukten“ im Wert von umgerechnet 930 Millionen Euro. Bei Awakow wiederum soll der kürzliche Absturz eines Hubschraubers mit seinem Nachfolger an Bord Auslöser der Untersuchungen sein.

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