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Ukrainische Soldaten beladen einen Truck mit Artillerie-Geschossen.

© SOPA Images via ZUMA Press Wire

Ukraine Invasion Tag 348: Moskau erhöht militärischen Druck – Bachmut könnte fallen

Wahlen in den besetzten Gebieten, Polen drängt auf Entscheidung zu Kampfjet-Lieferungen, UN-Generalsekretär befürchtet Ausweitung des Krieges. Der Überblick am Abend.

Die seit Wochen laufenden Angriffe im Donbass durch russische Truppen haben sich laut Angaben aus Kiew in den vergangenen Tagen noch einmal verstärkt. Nennenswerte Eroberungen gab es dadurch zwar nicht, aber der Fortschritt der russischen Truppen ist inzwischen sehr stetig, vor allem rund um die Stadt Bachmut. 

Dort hatten über Jahre ausgebaute ukrainische Verteidigungsanlagen den Angriffen lange standgehalten, nun scheinen sie nach und nach zu fallen. Der polnische Militäranalyst Konrad Muzyka, der in Danzig arbeitet, schätzt, dass Bachmut innerhalb der nächsten zwei Monate erobert werden könnte (Quelle nach Anmeldung hier zugänglich). Die Ukraine, so schreibt er in seinem wöchentlichen Briefing, sei wahrscheinlich nicht bereit, weiter die hohen Verluste zu tragen, die nötig seien, um die Russen auszubremsen. Zudem sind die Versorgungswege in die Stadt zunehmend von russischem Beschuss bedroht. 

Allerdings, so beobachtet Muzyka, habe sich auch der Charakter der russischen Angriffe zuletzt verändert. Die russischen Truppen gingen überlegter vor, die selbstmörderischen Attacken der Wagnerkämpfer seien seltener geworden. Über den Grund lässt sich nur spekulieren; eine Möglichkeit ist, dass der Wagnergruppe nach den verlustreichen Kämpfen die Soldaten ausgehen. 

Zuletzt rieten auch US-Militärs den Ukrainern, Bachmut aufzugeben und sich auf eigene Offensiven zu konzentrieren. Dagegen könnte Kiew mit den Ereignissen aus dem Sommer argumentieren: Damals hatte die Ukraine auch über Wochen in verlustreichen Kämpfen die Städte Sjewjerodonezk und Lyssytschansk verteidigt. Die russische Seite war dadurch so geschwächt, dass die erfolgreichen ukrainischen Gegenoffensiven im Herbst möglich wurden. Allerdings ist die Lage jetzt eine andere: Russland hat inzwischen wohl rund doppelt so viele Soldaten in der Ukraine wie zu Beginn der Invasion.

Die wichtigsten Nachrichten des Tages

  • Wahlen in den besetzten Gebieten: Die Abstimmung könne zeitgleich mit den Wahlen in Russland stattfinden, berichtet der britische Geheimdienst. Moskau wolle die besetzten Gebiete im Osten der Ukraine „russifizieren“. Mehr hier.
  • Laut dem „Wall Street Journal“ planen Russland und der Iran den Bau einer Fabrik in Russland, in der fortschrittliche Kampfdrohnen für den Krieg gegen die Ukraine hergestellt werden könnten. Die Zeitung beruft sich als Quelle auf einen hochrangigen Beamten eines verbündeten Landes der USA. Die Fabrik sei demnach Teil einer sich abzeichnenden engeren militärischen Partnerschaft des Irans und Russlands und könnte eine Produktionskapazität von mindestens 6000 Drohnen haben. Mehr im Liveblog.
  • UN-Generalsekretär António Guterres befürchtet eine Ausweitung des Krieges in der Ukraine. „Ich befürchte, die Welt schlafwandelt nicht in einen größeren Krieg hinein - ich befürchte, sie tut dies mit weit geöffneten Augen“, sagte Guterres am Montag in New York vor der Vollversammlung der Vereinten Nationen. Knapp ein Jahr nach der Invasion Russlands in sein Nachbarland werde die Aussicht auf Frieden immer geringer, die Gefahr einer weiteren Eskalation wachse. 
  • Die Europäische Union plant einem Zeitungsbericht zufolge die Teilnahme des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj am Gipfel der Staats- und Regierungschefs in dieser Woche. Selenskyj solle auf einer Sondersitzung des EU-Parlaments sprechen, berichtet die „Financial Times“. 
  • Vor der russischen Stadt Kaluga ist nach Behördenangaben eine Drohe in 50 Metern Höhe über einem Wald explodiert. Zu Schaden gekommen sei niemand, teilt Regionalgouverneur Wladislaw Schapscha über Telegram mit. Details zu der Drohne nennt er nicht. Kaluga liegt etwa 150 Kilometer südwestlich von Moskau und 260 Kilometer von der ukrainischen Grenze entfernt.
  • Trotz zunächst anderslautender Aussagen soll es an der Spitze des ukrainischen Verteidigungsministeriums diese Woche noch keinen personellen Wechsel geben, wie ein Regierungsvertreter in Kiew mitteilt. David Arachamija, Fraktionschef der parlamentarischen Vertretung von Präsident Wolodymyr Selenskyj, hatte am Sonntag noch erklärt, Verteidigungsminister Olexij Resnikow werde ein anderes Ressort übernehmen. Am Montag schreibt er auf Telegram, es stehe keine unmittelbare Kabinettsumbildung an. 
  • Der Chef der Internationalen Atomenergiebehörde IAEA, Rafael Grossi, wird diese Woche zu Gesprächen in Moskau erwartet. Zentrales Thema werde die Errichtung einer Sicherheitszone rund um das Atomkraftwerk in Saporischschja im Süden der Ukraine sein, sagte der russische Vize-Außenminister Sergej Rjabkow Staatsmedien zufolge​​​​​​​.
  • Der russisch-orthodoxe Patriarch Kirill hat Schweizer Medienberichten zufolge in Genf für den früheren sowjetischen Auslandsgeheimdienst KGB gearbeitet. Die Tätigkeit sei während eines Aufenthalts in der Schweiz in den 1970er Jahren festgestellt worden, berichteten die Zeitungen „Matin Dimanche“ und „Sonntagszeitung“ unter Berufung auf das Schweizer Bundesarchiv.
  • Der russische Außenminister Sergej Lawrow wird in der Nacht zum Dienstag zu einem zweitägigen Besuch im westafrikanischen Krisenstaat Mali erwartet. Schwerpunkt der Gespräche sei eine Stärkung der militärischen Zusammenarbeit, teilte das malische Außenministerium mit. Lawrow werde sich in der Hauptstadt Bamako mit seinem malischen Amtskollegen Abdoulaye Diop beraten, hieß es. 
  • Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) ist am Montagmorgen zu einem Besuch in Kiew eingetroffen. Wie ihr Ministerium mitteilte, reiste Stark-Watzinger mit dem Zug in die ukrainische Hauptstadt. Die Bildungs- und Forschungsministerin dürfte dort Gespräche mit Regierungsvertreterinnen und -vertretern führen und sich über die Lage vor Ort informieren.
  • Der SPD-Außenpolitiker Michael Roth hält es nicht für zielführend, über „immer neue Waffensysteme“ für die Ukraine zu sprechen. Stattdessen solle das Zugesagte schnell geliefert werden, sagte Roth am Montag im ZDF-“Morgenmagazin“. Auch Munition sei wichtig: Expertinnen und Experten zufolge sei der Westen nicht in der Lage, „so schnell die Munition wieder herzustellen, die die Ukraine in einem Monat“ verbrauche.
  • Der erste kanadische Kampfpanzer vom Typ Leopard 2, den das nordamerikanische Land der Ukraine gespendet hat, ist in Polen angekommen, schreibt die kanadische Verteidigungsministerin Anita Anand auf Twitter. Zudem teilt sie ein Bild, auf dem ein Panzer aus dem Bauch eines Frachtflugzeuges rollt.
  • Aus der Ukraine geflüchtete Menschen ziehen besonders häufig in mittelgroße deutsche Städte, wo sie relativ entspannte Wohnungsmärkte vorfinden. Laut einer Studie des Marktforschungsinstituts Empirica Regio, die den Zeitungen der Funke Mediengruppe (Montag) vorliegt, sind bei geflüchteten Ukrainern relativ zur Gesamtbevölkerung gesehen vor allem mittelgroße Städte wie Baden-Baden, Hof, Schwerin, Gera, Chemnitz, Bremerhaven und Halle an der Saale beliebt.
  • Angesichts des näher rückenden Jahrestags des russischen Einmarschs in die Ukraine hat deren Präsident Wolodymyr Selenskyj vor einer „symbolhaften Aktion“ der Besatzer gewarnt. Dazu gebe es bereits zahlreiche Berichte und Hinweise, sagte Selenskyj am Sonntagabend in seiner täglichen Videoansprache. Russland wolle sich für die Niederlagen des vergangenen Jahres rächen. „Wir stellen fest, dass der Druck auf verschiedene Frontbereiche und auch im Informationsbereich zugenommen hat.“ 
  • In der Frage von Kampfjet-Lieferungen an die Ukraine hat Polens Botschafter in Berlin eine Entscheidung auf der Münchner Sicherheitskonferenz gefordert. „Wir haben vorgeschlagen, dass die Staats- und Regierungschefs, die sich dort treffen, nicht nur über diese Frage beraten, sondern auch eine Entscheidung treffen“, sagte Botschafter Dariusz Pawlos dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND, Montag). Eine Politik des Zögerns und Zauderns sei wie im Falle der Lieferung von Kampfpanzern an die Ukraine kontraproduktiv.

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