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Der ukrainische Präsident Selenskyj besucht Grenzschützer.

© action press/Planet Pix via ZUMA Press Wire /

Ukraine-Invasion Tag 426: Zum Siegen verdammt – in Washington wächst der Druck auf Kiew

Mercedes-Benz zieht sich vollständig vom russischen Markt zurück, EU und Japan gegen vollständigen Exportstopp nach Russland, was Teheran Moskau liefert. Der Überblick am Abend.

Dass die Welt mit hohen Erwartungen auf die bald beginnende ukrainische Gegenoffensive blickt, wissen die Verantwortlichen in Kiew – und sie wissen auch, was auf dem Spiel steht. Ein Blick in US-Medien reicht, um sich darüber ins Bild zu setzen. 

Jüngst berichtete das Nachrichtenportal „Politico“ über die Erwartungen der US-Regierung an die politische und militärische Führung in der Ukraine. Unterm Strich lassen sich diese so zusammenfassen: Kiew ist zum Erfolg verdammt, sonst wird es schwierig mit den Waffenhilfen. In den Worten eines US-Offiziellen gegenüber „Politico“ klingt das konkret so: Welche Hilfszusagen es beim Nato-Gipfel im Juli für die Ukraine geben wird, hängt von den Erfolgen der Frühjahrsoffensive ab. 

Diese Aussagen erklären sich unter anderem mit der innenpolitischen Zwickmühle, in der US-Präsident Joe Biden steckt: Scheitert Kiew bei der Rückeroberung großer Teile der von Russland besetzten Gebiete, wird die Unterstützerfraktion in den USA klagen, Biden habe nicht genug Waffen geliefert. Die Kritiker der Hilfen werden sagen: Schaut, es bringt eh nichts, lasst uns nicht noch mehr teures Gerät nach Osteuropa verschiffen (hier gehts zum Artikel von „Politico“).

Nicht unwahrscheinlich, dass Joe Biden vor dem Hintergrund seiner erneuten Kandidatur sensibler für diese Debatten wird. Andererseits wäre ein ukrainischer Erfolg gegen Russland auch sein Erfolg, hat Biden doch Kiew immer wieder quasi unerschütterliche Unterstützung zugesagt. 

Dass die Offiziellen in Washington durchaus Zweifel an den militärischen Offensiv-Fähigkeiten der Ukrainer haben, ist seit den Leaks der Geheimdokumente aus dem Pentagon bekannt. Gegenüber „Politico“ mutmaßt ein US-Beamter gar, dass es überhaupt keine sichtbare Offensive geben könnte. Ein anderer meint, die Verteidigungsanlagen der Russen würden jeden ukrainischen Vorstoß ausbremsen. Sie formulieren damit eine Art Worst-Case-Szenario.

Auf der anderen Seite stehen die konkreten Vorbereitungen Kiews: Mehr als 30.000 neue Soldaten wird die Ukraine für die Offensive zur Verfügung haben, jede Brigade ausgerüstet mit westlichen Waffen (unter anderem mit insgesamt rund 240 Panzern und rund 2000 gepanzerten Fahrzeugen). Es ist eine Menge, die Russland seit den ersten Tagen des Krieges nicht mehr geballt für eine Offensivaktion aufbieten konnte. Moskau schaffte seine neuen Rekruten in den vergangenen Monaten zudem nach und nach an die Front, um angeschlagene Einheiten aufzufüllen. Durchschlagskraft entwickelten die zusammengewürfelten Truppen nie. Und auch die Moral der russischen Soldaten scheint fraglich. All das lässt zumindest auf einen Teilerfolg der Offensive hoffen.

Die wichtigsten Nachrichten des Tages

  • In Oslo hat wegen einer Schlägerei der Prozess gegen einen Russen begonnen, der nach eigenen Aussagen ein Deserteur der russischen Söldnergruppe Wagner ist. Andrej Medwedew bekannte sich vor dem Gericht schuldig, im Februar an einer Schlägerei vor einer Bar beteiligt gewesen zu sein. Mehr dazu hier.
  • Russland soll im letzten halben Jahr mehr als 300.000 Artilleriegeschosse aus dem Iran erhalten haben. Das berichtet das „Wall Street Journal“ unter Bezugnahme auf Beamte aus dem Nahen Osten und offizielle Dokumente aus Regierungskreisen. Mehr dazu erfahren Sie hier.
  • In einer Sitzung des UN-Sicherheitsrats unter Leitung des russischen Außenministers Sergej Lawrow ist Russland wegen seines Überfalls auf die Ukraine vehement angeprangert worden. UN-Generalsekretär António Guterres verurteilte die Invasion als Bruch des Völkerrechts und der UN-Charta. Mehr hier.
  • Kriegseinsatz nur vorgetäuscht? Nikolai Peskow, Sohn des Kreml-Sprechers Dmitri Peskow, prahlte öffentlich damit, für die Söldnergruppe Wagner von Jewgeni Prigoschin in der Ukraine gekämpft zu haben. Inzwischen wird angezweifelt, ob er wirklich dort war. Während seiner „Einsatzzeit“ wurde er wohl in Moskau geblitzt. Mehr hier.
  • Der ukrainische Generalstab berichtet, dass die Anzahl der russischen Verluste im April im Vergleich zu den ersten Monaten des Jahres zurückgegangen ist. Während es im März noch 776 getötete und verwundete Soldaten pro Tag gegeben haben soll, waren es demnach im April bislang durchschnittlich 568. Mehr in unserem Liveblog.
  • Der Chef der russischen Privatarmee Wagner, Jewgeni Prigoschin, hat nach Recherchen unabhängiger Journalisten an dem Krieg in der Ukraine durch Verträge mit dem Verteidigungsministerium in Moskau kräftig verdient. Das Medienportal Moschem objasnit berichtete am Dienstag, dass Prigoschins Firmen durch diese Verträge 2022 eine Rekordsumme von 4,7 Milliarden Rubel (etwa 52 Millionen Euro) eingestrichen hätten. 2021 waren es 1,9 Milliarden Rubel gewesen. 
  • Der russisch-orthodoxe Patriarch Kyrill I. hat seine Landsleute mit drastischen Worten zu Patriotismus aufgerufen. Wer Russland nicht diene, sei ein Feind, sagte der 76-Jährige sinngemäß am Dienstag bei einem Gottesdienst im Moskauer Kreml. 
  • Die Ukraine hat Russlands Außenminister Sergej Lawrow nach dessen Äußerungen beim UN-Sicherheitsrat „Heuchelei“ vorgeworfen. „Ein kompletter Heuchelei-Zirkus. Lawrow hat den Vorsitz des UN-Sicherheitsrats, verteidigt den Krieg, die Massaker, die totale Zerstörung... mit dem ,Völkerrecht’“, erklärte am Dienstag der ukrainische Präsidentenberater Michailo Podoljak. Lawrow hatte am Montag eine Sitzung des Sicherheitsrates zum Thema “Verteidigung der UN-Prinzipien„ geleitet. 
  • Mehr als ein Jahr nach Beginn des Ukraine-Krieges hat sich Mercedes-Benz vollständig vom russischen Markt zurückgezogen. Die Anteile an den russischen Tochtergesellschaften wurden an einen Investor verkauft, wie das Unternehmen am Dienstag in Stuttgart auf Anfrage mitteilte.
  • Tote und Verletzte nach russischem Raketenangriff auf Kupjansk. Bei einem russischen Raketenangriff sind in der ostukrainischen Stadt Kupjansk im Gebiet Charkiw mindestens zwei Menschen getötet und zehn verletzt worden. 
  • Die Europäische Union und Japan haben sich offenbar gegen den Vorschlag der USA ausgesprochen, sämtliche Exporte nach Russland zu verbieten. Das berichtet die „Financial Times“ und beruft sich auf mit dem Thema vertraute Personen. Das Treffen zwischen Vertretern der EU und Japans hatte bereits in der vergangenen Woche stattgefunden. „Aus unserer Sicht ist es einfach nicht machbar“, soll einer der Beamten gesagt haben.
  • Eine klare Mehrheit der Bundesbürgerinnen und Bundesbürger glaubt nicht daran, dass China als Vermittler zwischen Russland und der Ukraine dazu beitragen könnte, den Krieg zu beenden. In einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Forsa im Auftrag der Zeitschrift „Internationale Politik“ antworten zwei Drittel (66 Prozent) der insgesamt 1003 Befragten auf eine entsprechende Frage mit Nein. Nur ein knappes Drittel (31 Prozent) hält dies für möglich. 
  • Rund dreieinhalb Wochen vor Auslaufen des internationalen Abkommens zur Ausfuhr von Getreide aus der Ukraine hat Russland erneut mit dem Aus der Vereinbarung gedroht. „Die terroristischen Aktionen des Kiewer Regimes bedrohen die nächste Verlängerung des Getreideabkommens über den 18. Mai dieses Jahres hinaus“, teilte das russische Verteidigungsministerium mit.

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