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Menschen schauen auf den leeren Roten Platz, der für die Vorbereitung der Siegesparade neben dem Moskauer Kreml gesperrt ist.

© dpa/Uncredited

Ukraine-Invasion Tag 436: „In Moskau ist nichts mehr normal“

Wagner-Chef Prigoschin wütet gegen die Generäle in Moskau, wieder Anschläge auf russische Infrastruktur, China füllt die Lücken westlicher Importe. Der Überblick am Abend.

In einem sehenswerten Beitrag erzählt der Moskau-Korrespondent der BBC, Steve Rosenberg, vom Alltag in Moskau (zu sehen ist das Video hier). Auf den ersten Blick scheine alles normal, erzählt er, „aber eigentlich ist hier nichts normal“. Überall in der Stadt und sogar bei den Friseuren hängen Plakate, die für den Armeedienst werben. Mit den Rekruten sollen die massiven Verluste in der Ukraine ausgeglichen werden. Wie erfolgreich das ist, ist allerdings umstritten. 

Ein weiteres Zeichen, dass die Stadt mittlerweile stark vom Krieg in der Ukraine geprägt ist:  Der Rote Platz, auf dem am 9. Mai die Feiern zum Tag des Sieges über Nazi-Deutschland stattfinden, sei seit Ende April gesperrt, erklärt Rosenberg. „Das ist extrem ungewöhnlich und zeigt, wie nervös man ist.“ Nach den Drohnen-Explosionen auf einem der Kremldächer am Mittwoch war kurz spekuliert worden, ob die Feiern vielleicht sogar abgesagt werden. Wie Rosenberg berichtet, sollen sie unter strengen Sicherheitsvorkehrungen stattfinden. In manchen Regionen aber seien die Militärparaden aus Angst vor ukrainischen Angriffen abgesagt worden. 

Am eindrücklichsten wird Rosenbergs kurzes Video aber bei seinem Besuch des Zentralmuseums des Großen Vaterländischen Krieges, das eigentlich dem Kampf gegen Nazi-Deutschland gewidmet ist. Inzwischen gibt es dort aber auch eine Abteilung, die den Krieg gegen die Ukraine zum Thema hat – und den Überfall auf das Nachbarland heroisiert und in direkte Verbindung mit dem Abwehrkampf gegen die Nazis stellt. Das Museum ist dem Sieg der Sowjetarmee gewidmet, die russische Armee ist allerdings weiter denn je von einem Sieg in der Ukraine entfernt. 

Die wichtigsten Nachrichten des Tages

  • „Wo, verdammte Scheiße, ist die Munition?“: Der Chef der Söldnergruppe Wagner, Jewgeni Prigoschin, gibt dem russischen Verteidigungsministerium die Schuld am Munitionsmangel seiner Truppen - und droht mit dem Abzug aus Bachmut für den 10. Mai. In einem Video wettert er gegen Minister Schoigu und Oberbefehlshaber Gerassimow. Mehr hier. 
  • Streit um ukrainische Flagge eskaliert: Bei einer Schwarzmeerkonferenz kommt es zu zwei Zwischenfällen: Erst unterbrechen ukrainische Vertreter die Rede einer Duma-Abgeordneten, dann gibt es Handgreiflichkeiten im Foyer. Mehr hier.
  • Ukrainisches Militär räumt Abschuss eigener Drohne mit Fehlfunktion ein: Militärs hatten die Kontrolle über das unbemannte Flugobjekt verloren, teilte die Luftwaffe am Abend mit. Die ukrainische Hauptstadt war zuvor von mehreren Explosionen erschüttert worden. Mehr hier. 
  • Der russische Außenminister Sergej Lawrow droht mit Vergeltung auf den Drohnenangriff auf den Kreml, zu dem es nach russischen Angaben am Mittwoch gekommen sein soll. „Es war eindeutig ein feindlicher Akt, und es ist klar, dass die Kiewer Terroristen ihn nicht ohne das Wissen ihrer Herren begangen haben können“, sagt Lawrow auf einer Pressekonferenz in Indien. Mehr in unserem Liveblog.
  • Die EU wirft Russland eine weitere Eskalation des Krieges gegen die Ukraine vor. In dieser Woche habe es einen zunehmend wahllosen und blutigen Beschuss von zivilen Gebieten gegeben, sagte ein Sprecher des EU-Außenbeauftragten Josep Borrell am Freitag in Brüssel und nannte die Raketen- und Drohnenangriffe auf Odessa und Kiew als Beispiele. Zusätzlich seien in der Region Cherson mit schwerer Artillerie unter anderem ein großer Supermarkt sowie ein Bahnhof und eine Tankstelle getroffen worden. 
  • Die Berliner Polizei hat für den 8. und 9. Mai ein Verbot russischer und ukrainischer Flaggen rund um die Sowjetischen Ehrenmäler in Treptow, Tiergarten und Schönholzer Heide erlassen. An den beiden Tagen jährt sich das Ende des Zweiten Weltkriegs in Europa zum 78. Mal. Um das „würdevolle Gedenken an die gefallenen Soldatinnen und Soldaten der damaligen Sowjetarmee“ zu gewährleisten, sei auch das Abspielen von Marsch- und Militärliedern rund um die drei Ehrenmale verboten, teilte die Polizei am Freitag mit.
  • In Südrussland ist Medienberichten zufolge eine Raffinerie nahe dem Schwarzmeerhafen Noworossijsk erneut Ziel eines Drohnenangriffs geworden. In der betroffenen Ölraffinerie Ilski sei dabei wieder ein Brand ausgebrochen, meldete die russische Nachrichtenagentur Tass unter Berufung auf die Rettungsdienste. Der Nachrichtenagentur RIA Novosti zufolge wurde niemand verletzt. In der Raffinerie war erst in der Nacht zu Donnerstag nach einem Drohnenangriff ein Feuer ausgebrochen. 
  • Deutschland sollte nach Ansicht des ukrainischen Botschafters Oleksii Makeiev eine Führungsrolle bei der Koordinierung des Wiederaufbaus im Land übernehmen. „Deutschland ist ein wichtiges europäisches Land mit allen Möglichkeiten, mit hoher Unternehmenskultur (...)“, sagte der Botschafter am Donnerstag bei einem Besuch an der Europa-Universität Viadrina in Frankfurt (Oder). Er würde sich freuen, wenn beispielsweise deutsche Unternehmen sehr aktiv am Wiederaufbau teilnähmen. 
  • Chinesische Autobauer haben dem Beratungsunternehmen Inovev zufolge den russischen Automarkt erobert. Nach dem Rückzug der europäischen, amerikanischen, japanischen und koreanischen Autohersteller hätten sie im ersten Quartal dieses Jahres bereits einen Marktanteil von 42 Prozent. „Sie legen sogar in Bezug auf die Stückzahlen auf einem viel kleineren Markt zu“, teilte Inovev mit. 
  • Chinas Außenminister Qin Gang will sich weiter für Friedensgespräche in der „Ukraine-Krise“ einsetzen. „China ist bereit, die Kommunikation und Koordination mit Russland aufrechtzuerhalten, um einen konkreten Beitrag zur politischen Lösung der Krise zu leisten“, teilt das chinesische Außenministerium am Freitag mit. Die Erklärung bezieht sich auf Qins Treffen mit dem russischen Außenminister Sergej Lawrow am Rande des Außenministertreffens der „Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit“ in der indischen Stadt Goa am Donnerstag.
  • Die Linken-Politikerin Sahra Wagenknecht sieht den ukrainischen Staatspräsident Wolodymyr Selenskyj als ungeeigneten Träger des Karlspreises der Stadt Aachen. Europa sei nach dem Zweiten Weltkrieg als Projekt des Friedens gegründet worden. „Wer den Karlspreis erhält, sollte alles dafür tun, den Krieg in der Ukraine durch Verhandlungen und einen Kompromissfrieden zu beenden“, sagte die Bundestagsabgeordnete den Zeitungen der Funke Mediengruppe.

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